Putins Rentenpläne sind bei vielen Russen unbeliebt
Während der Fußball-Weltmeisterschaft waren die Menschen in Russland so sehr vom Fußball begeistert, dass viele nicht bemerkt haben, was die Regierung angekündigt hat: nämlich, das Renteneintrittsalter zu erhöhen – für Männer schrittweise um fünf auf 65 Jahre und für Frauen um acht auf 63 Jahre. Doch je mehr über die Reform gesprochen wurde, desto kritischer wurde die Bevölkerung. Und das wirkt sich sogar auf die Beliebtheit von Wladimir Putin aus. Laut dem Meinungsforschungsinstitut Obschestwennoe Mnenije würden aktuell nur 47 Prozent für Putin stimmen. Seit dem Jahr 2014 lag diese Zahl nie unter 60 Prozent. Ein deutlicher Verlust, der zeigt: Der Putin-Bonus, dessen sich der Präsident bisher bei fast allen Entscheidungen sicher sein konnte, scheint zu schmelzen. Nach der öffentlichen Ankündigung der Reform fanden zahlreiche Protestaktionen in Russland statt, weitere sind angekündigt.
Präsident Putin schwieg lange. Nur einmal im Juli sagte er, dass ihm keine Variante der Reform gefalle. Am Mittwoch jedoch wandte er sich in einer Fernsehansprache an die Bevölkerung. In diesem Format spricht der Präsident sehr selten. Die BBC berichtete unter Berufung auf Putins Pressesprecher Dmitrij Peskow, die Fernsehansprache sei nicht wegen der fallenden Umfragewerte, sondern aufgrund „der Wichtigkeit des Themas“ausgewählt worden.
Der Hauptgrund der Reform ist das wachsende Ungleichgewicht des Rentensystems: Die Zahl der Beschäftigten nimmt ab, die Zahl der Rentner dagegen steigt. Das Geld des Pensionsfonds reicht nicht mehr. Die Regierung verspricht, dass die Reform nicht nur dieses Problem lösen kann, sondern auch noch die Renten erhöhen wird.
Putin sprach fast 40 Minuten im Fernsehen und schlug einige Änderungen vor: Das Eintrittsalter für Frauen müsse beispielsweise bei 60 Jahren liegen, statt bei 63. Arbeitgebern müsse verboten werden, Menschen vorzeitig fünf Jahre vor der Rente zu entlassen. Es bleibt fraglich, ob diese Ideen die Reform beliebter machen. An der Realität vorbei Das größte Problem besteht darin, dass die durchschnittliche Lebenserwartung in Russland für Männer bei 67,5 Jahren liegt (in Deutschland liegt sie bei 78,2 Jahren). Das heißt, dass nach der Reform ein Mann durchschnittlich nur zwei Jahre bis zu seinem Tod Geld bekommen würde. Für russische Frauen liegt die Lebenserwartung bei 77,6 Jahren. Putin entschied nun, für sie das Eintrittsalter zu senken. Das würde die klammen Pensionsfonds allerdings zusätzlich belasten.
Ähnlich wie in Deutschland, haben es ältere Menschen auch in Russland schwer auf dem Arbeitsmarkt. Deswegen schlug Putin nun ein Verbot für Firmen vor, Arbeiter fünf Jahre vor der Rente zu entlassen. Ob das hilft, ist fraglich: Die Unternehmen könnten Angestellte in diesem Fall einfach früher hinauswerfen. Gleichzeitig würde die Situation für junge Leute verschlechtert, weil länger arbeitende Menschen Arbeitsplätze blockieren würden.
Seine Rede beendete Putin mit der Bitte, die Reform „mit Verständnis zu behandeln“, was schnell Spott im Internet nach sich zog. Dass die geplanten Demonstrationen gegen die Reform trotz der Ansprache stattfinden sollen, beweist: Die Russen zeigen wenig Willen, die Pläne „mit Verständnis zu behandeln“.