„Noise“– mehr als nur Lärm
Der Mühlheimer David Leutkart, alias „Grodock“, erhält Richtfest-Preis
MÜHLHEIM - Der 27-jährige David Leutkart, alias „Grodock“, hat sich beim Richtfest in Radolfzell behaupten können und ist mit dem Richtfest-Förderpreis ausgezeichnet worden. Der junge Musiker ist in Mühlheim aufgewachsen und hat in der Musikhochschule Trossingen Musikdesign studiert. Leutkart, er lebt und arbeitet in Freiburg, hat sich der Musikrichtung „Noise“verschrieben. Mit Redakteurin Marilena Berlan sprach er über seine Musik, sein jüngst gegründetes Label „Grubenwehr“und seine neuen Projekte. Herr Leutkart, Ihr Künstlername ist „Grodock“. Was bedeutet das? Mit zehn Jahren haben eine Freundin und ich eine Fantasie-Sprache erfunden und dazu ein Wörterbuch geschrieben. Das Wort, dessen Bedeutung ich mittlerweile vergessen habe, stammt aus dem Wörterbuch. Ich habe es immer noch bei mir Zuhause rumliegen, habe mich aber entschieden die Bedeutung von „Grodock" nicht nachzuschauen und sie auch für mich im Dunkeln zu lassen. Sie widmen sich der Musikrichtung „Noise“. Was ist das? Noise heißt auf Deutsch übersetzt Lärm. Es wird als störendes Element, als Fehler in der Musik bezeichnet. Beispielsweise sind das die Nebengeräusche einer Geige oder aber auch ein falscher Ton. In der NoiseMusikrichtung geht es genau um diese Geräusche. Sie stehen im Fokus meiner Musik. Geräuschanteile finden sich auch in der populären Musik, wie zum Beispiel bei Lady Gaga. Dort werden sie in konventionelle Songs eingearbeitet. Wie kamen Sie in Berührung mit dieser Musikrichtung? Schon als Teenager habe ich extreme Musik, wie Metal und Punk gehört. Bald war mir auch das zu gewöhnlich. Ich suchte nach Sounds, die das bisher Gewohnte übersteigen. So bin ich auf „Noise“gestoßen. Was mich daran fasziniert ist, dass es keine herkömmlichen Strukturen gibt, wie in anderen Bereichen der Musik. Wie entsteht diese Art von Musik? Bei „Noise“-Musik gibt es keine Melodie als solche oder einen Refrain. Hier steht das Geräusch im Vordergrund. Ich habe beispielsweise lange Zeit in leerstehenden Faüberrascht. brikhallen aufgenommen. Mit dem dort vorgefundenen Schütt habe ich Geräusche erstellt, sie aufgenommen, mit Synthesizern manipuliert und für meine Musik verwendet. Wo stehen Sie auf der Bühne? Ich trete viel in Freiburg auf, stand aber auch in Berlin, Leipzig und Paris auf der Bühne. Mit zwei Kommilitonen habe ich zusammengearbeitet und einen Auftritt in Island gehabt. Im Rahmen eines Hochschulprogramms habe ich auch in China gespielt. Hören Sie privat nur Noise oder kann man Sie auch für andere Musikrichtungen begeistern? Ich habe eine große Geräuschmusiksammlung, bin aber trotzdem musikalisch breit gefächert. Ich höre vollkommen unterschiedliche Musikrichtungen, von Rap bis hin zu Schlager ist alles dabei. Sie haben sich beim Richtfest in Radolfzell gegenüber weiteren Künstlern behaupten können. Ihre Performance hat die vierköpfige, fachkundige Jury überzeugt. Wie war das für Sie? Ich habe mich riesig über die Auszeichnung gefreut und war ganz Einer der Profs, der in der Jury war, hat bei der Verleihung gute Worte für meine Performance gefunden. Man hat gemerkt, dass sie meine Musik verstanden haben. Wie sah Ihre Performance auf dem Richtfest aus? Mein Auftritt fand in einem leerstehenden Rohbau statt. Für meine Performance habe ich dort alles vorgefundene Baumaterial gesammelt und mit Mini-Mikrophonen, also Tonabnehmern, beklebt. Ich habe mit den Gegenständen Geräusche produziert, die dann über die Mikrofone weitergeleitet wurden und als Audiosignale über Lautsprecher wiedergegeben worden sind. Während des Prozesses habe ich mich selbst überraschen lassen, was für Sounds entstehen und ließ mich von ihnen leiten. Sind Sie Vollzeitmusiker oder haben Sie auch einen anderen Beruf? Vor meinem Studium habe ich eine Ausbildung zum Erzieher gemacht. Aktuell betreue ich halbtags einen blinden Schüler an einem Freiburger Gymnasium und helfe ihm, seinen Schulalltag zu meistern. Ansonsten versuche ich so viel Musik wie möglich zu machen. Gemeinsam mit Knut Holtsträter, er ist Dozent am Institut für populäre Musik in Freiburg, haben Sie vor einem Jahr das Label „Grubenwehr“gegründet. Was bedeutet „Grubenwehr“? Die Grubenwehr ist eine Organisation, die bei Grubenunglücken einschreitet und Verunglückten hilft, wie etwa die Feuerwehr bei Bränden. Wir benutzen „Grubenwehr“als Metapher. Es bedeutet für uns öffentlich wenig wahrgenommene, experimentelle Musik aus dem „Untergrund“zu holen und durch eine Veröffentlichung zu bewahren. Knut und ich haben auch einige eigene Tracks herausgebracht. Was sind Ihre nächsten Musikprojekte? Im September kommt bei „Grubenwehr“eine neue Kassette raus. Sie trägt den Titel „Grubenpferd“. Musiker haben mir, passend zum Thema, Musikstücke von sich zugeschickt. 14 Tracks habe ich ausgesucht, die werden dann auf einer Kassette erscheinen. Sie arbeiten noch mit analogen Tonträgern? Das ist in der heutigen Zeit sehr ungewöhnlich. Ja, ich mag keine CDs. Ich mag das analoge Medium, bei dem man während dem Hören zuschauen kann, wie das Band abgespult wird.