Sarrazin feilt am Feindbild Islam
Ex-Finanzsenator stellt Buch vor und will in SPD bleiben
BERLIN - Nein, wie ein „verbitterter Mann“, den SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil in ihm sieht, wirkt Thilo Sarrazin an diesem Morgen nicht, als er minutenlang mit seinem neuen Buch vor den Kameras posiert, so lange wartet, bis auch der letzte Fotograf zufrieden ist. Die persönlichen Attacken, gerade aus der eigenen Partei, lassen Thilo Sarrazin scheinbar kalt. Ein Austritt aus der SPD, den ihm das Präsidium seiner Partei nahelegt, nachdem der Versuch, ihn auszuschließen gleich zweimal gescheitert war? Sarrazin denkt gar nicht daran. „Wenn es meinen Kritikern nicht gefällt, sollen sie doch gehen. Ich habe dafür keine Veranlassung“, sagte er.
Da ist er wieder. Sarrazin, der Povokateur. Um kurz nach 11 Uhr am Donnerstagvormittag betritt der Bestsellerautor auf den Tag genau acht Jahre nach der Veröffentlichung seines umstrittenen Buches „Deutschland schafft sich ab“die Bühne im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin und präsentiert sein neues Buch. Der frühere Berliner Finanzsenator und Bundesbankvorstand liefert, was erwartet wird: Provokationen, Polemik und steile Thesen. „Feindliche Übernahme – Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht“, lautet der Titel, mit dem er vor einer schleichenden Islamisierung Deutschlands und Europas warnt. 120 000 Exemplare sind bereits ausgeliefert.
Sarrazin stellt die These auf, dass der Islam angesichts hoher Geburtenraten und unveränderter Einwanderung „in Deutschland und Europa langfristig auf dem Weg zur Mehrheitsreligion“sei. Muslime würden in zwei bis drei Generationen die Bevölkerungsmehrheit stellen, sollte es keinen Kurswechsel in der Einwanderungsund Integrationspolitik geben. Muslime seien gefährlich kriminell, leistungsschwach, rückständig, sagt er. Die Integration sei gescheitert und auch nicht gewünscht. Die „kulturelle Andersartigkeit“des Islam gefährde die offene Gesellschaft, die Demokratie und den Wohlstand hierzulande.
Sarrazins Schlussfolgerung: Illegale Einwanderer und abgelehnte Asylbewerber müssten unverzüglich und ausnahmslos abgeschoben werden, Muslime dürften nicht mehr einwandern. Nur so lasse sich die „feindliche Übernahme“noch verhindern. Verlag fand Argumente „schwach“Es sei ein Buch „voller steiler Thesen“, sagt der frühere SPD-Bezirksbürgermeister von Neukölln, Heinz Buschkowsky, bei der Vorstellung. Er stimmt dem „lieben Thilo“zwar in vielen Punkten zu, teilt aber nicht die Einschätzung einer drohenden „feindlichen Übernahme“in den nächsten zwei bis drei Generationen, wie sie Sarrazin prognostiziert.
Fast wäre das Buch nicht erschienen. Der Verlag Random House hatte davon Abstand genommen, es zu veröffentlichen, weil Sarrazin „schwach“argumentiere. In der SPD wird jetzt geprüft, ob mit dem Buch der Tatbestand für parteischädigendes Verhalten und damit die Voraussetzung für ein Parteiausschlussverfahren vorliegt.