Trossinger Zeitung

Andy Feind sagt dem „schwarzen Hund“den Kampf an

Jungautor erzählt im Bethel von seiner chronische­n Depression - Großer Andrang bei Lesung „Gedankenge­witter“

- Von Silvia Müller

TROSSINGEN - Damit hatte Jungautor Andy Feind nicht gerechnet, als er am Mittwochab­end zur Lesung ins Bethel gekommen ist: Etwa 60 Plätze waren im Mehrzweckr­aum bestuhlt, mehr als 100 Zuhörer kamen allerdings. Sie alle waren gespannt auf Feinds Geschichte über seine chronische Depression.

Auch Pflegedien­stleiterin Helena Rill zeigte sich erstaunt von dem enormen Zulauf. Unter den Gästen waren auch einige, die den Autor bereits bei seiner Lesung in Gunningen gehört hatten, und wiederkame­n. Ein Gast suchte noch vor Beginn der Lesung den Kontakt zu Andy Feind: Er habe in seinem Umfeld einen Fall von Depression und er wolle dem Betroffene­n mit dem Buch zu helfen versuchen.

„Guten Tag, ich bin Andy Feind und ich bin depressiv“: So stellt sich der Autor vor. Sogleich merkt er an, dass er diese Begrüßung ausschließ­lich für seine Lesungen wähle - im Alltag käme das dann doch zu seltsam daher, ist seine Überzeugun­g. Klischeevo­rstellunge­n von Depression­skranken entspricht der St. Georgener mit seiner humorvolle­n, selbstsich­eren und direkten Art und den tätowierte­n Armen wohl eher nicht - aber eine der Botschafte­n, die er in seinem Buch „Gedankenge­witter“vermittelt, lautet schließlic­h „Eine Depression ist wie jeder von uns: Einzigarti­g“.

In seinem Buch spricht Andy Feind autobiogra­fisch über seinen Alltag mit der chronische­n Depression. Zu Beginn der Buchvorste­llung appelliert er an die Gäste, auf ihr Wohlbefind­en zu achten: „Wenn es ihnen zu viel wird und sie eine Passage nicht ertragen können, dürfen sie gerne hinaus gehen und auch wieder kommen. “

Schonungsl­os berichtet Andy Feind vom Auslöser der Erkrankung, dem Unfalltod seiner besten Freundin. Von zweifelhaf­ten Hilfsangeb­oten aus dem Umfeld Erkrankter, wie zum Beispiel dem Tipp „Schokolade hilft“oder „Fahr in den Urlaub“oder „Geh an die frische Luft“erzählte Andy Feind. „Schokolade hilft nicht, man wird höchstens dicker. In den Urlaub fährt die Depression mit und liegt dann auch auf der Liege in Spanien, der Türkei, oder sonst wo, und an die frische Luft gehen ist so, als würde man einem Asthmakran­ken raten zu atmen, denn Sauerstoff gibt es ja genug“, meint der Betroffene.

Sein Buch gliedert Andy Feind nicht in Kapitel, sondern in Bruchstück­e. „Aus diesen Bruchstück­en wurde zuletzt ein Ganzes“, so der Autor. Er las unter anderem das Bruchstück „Der schwarze Hund“ vor, so nennt er seine Depression. „Den bekommt man als Welpe, füttert ihn mit den täglichen Sorgen und Problemen, bis er so groß ist, dass er mit dem Menschen Gassi geht, anstatt umgekehrt.“

Andy Feind lässt in seinem Buch auch das Thema Suizid nicht aus. Auch dieses Bruchstück las er vor, als er im Herbst 2008 auf einem Brückengel­änder unweit einer Bahnlinie saß, fest überzeugt, sich das Leben nehmen zu wollen.

Die Autorenles­ung kam auf die Initiative von Wohnbereic­hsleiterin Sarah Korell-Hoppe zustande. Sie hatte eine Lesung von Andy Feind in Gunningen besucht und war überzeugt, dass das Buch den Mitarbeite­rn und den Angehörige­n des Seniorenze­ntrum helfen könnte. „Ich kenne das Thema Depression aus medizinisc­her Sicht. Durch den Autor bekam ich erstmals Zugang zur Sicht eines Patienten. Das wollte ich hier im Haus auch bekannt machen“, sagt sie.

„Gedankenge­witter“erscheint in der zweiten Septemberh­älfte. Nähere Infos dazu gibt es unter kontakt@andyfeind.com

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FOTO: SILVIA MÜLLER Andy Feind geht schonungsl­os ehrlich mit dem Thema Depression um.

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