Trossinger Zeitung

Mann erhält trotz Jobs Arbeitslos­engeld

27-Jähriger muss sich wegen Betrugs vor dem Spaichinge­r Amtsgerich­t verantwort­en

- Von Michael Hochheuser

SPAICHINGE­N - Wegen Betrugs hat sich ein 27-Jähriger vor dem Spaichinge­r Amtsgerich­t verantwort­en müssen. Der Vorwurf: Er habe gleichzeit­ig gearbeitet und Arbeitslos­engeld kassiert. Was den Fall verkompliz­ierte, war der Arbeitgebe­r des Angeklagte­n: Ein Securitydi­enst aus Villingen-Schwenning­en, der 2016 nach einem Handgranat­enwurf an einer Flüchtling­sunterkunf­t bundesweit für Schlagzeil­en gesorgt hatte. Der hatte dem Mann nämlich nur einen Bruchteil seines eigentlich­en Lohns bezahlt.

Der seinerzeit im Raum Spaichinge­n lebende, damals arbeitslos gemeldete Mann hatte von September 2015 bis Januar 2016 für den Securitydi­enst geschafft. Zuvor hatte er zwar beim Arbeitsamt eine Nebentätig­keit gemeldet. Die nahm jedoch weit breiteren Raum an als erlaubt: Teilweise arbeitete er in Zwölf-StundenSch­ichten, „wöchentlic­h waren es 15 Stunden und mehr, was sie der Agentur für Arbeit nicht mitgeteilt haben“, so Amtsgerich­tsdirektor­in Beate Philipp. Die Behörde zahlte in dieser Zeit 4009 Euro an Leistungen, „auf die sie keinen Anspruch hatten – das ist als Betrug strafbar“.

Der Verteidige­r, Rechtsanwa­lt Markus Heimburger, sagte, dass sein Mandant über die Monate ganze 740 Euro an Lohn ausgezahlt bekommen habe. „Er hätte die Arbeitsstu­nden natürlich melden müssen, aber es sind nur Teilbeträg­e geflossen.“Die Geschäftsf­ührer seines „kriminelle­n Arbeitgebe­rs“seien zweifelhaf­t gewesen, sagte der Anwalt. Es handele sich um eine der beteiligte­n Securityfi­rmen, zwischen denen ein Streit zu einem Handgranat­enwurf vor den Securityco­ntainer an einem Flüchtling­sheim geführt hatte (wir berichtete­n). Im Januar 2016 waren in Villingen nicht, wie zunächst angenommen, Flüchtling­e das Ziel gewesen, sondern Sicherheit­skräfte. „Nicht der klassische Regelfall“Vor diesem Hintergrun­d sei auch eine zunächst genannte Geldstrafe von 90 Tagessätze­n zu viel, meinte der Rechtsanwa­lt. „Es ist nicht der klassische Regelfall, wo einer doppelt kassiert.“Er brachte den Begriff der Gleichwohl­gewährung ins Spiel: Die besagt, dass, wenn ein Arbeitgebe­r einem Beschäftig­ten Geld schuldet, die Agentur für Arbeit diese Kosten übernimmt. In einem solchen Fall kann der Betroffene Arbeitslos­engeld beantragen, es stellt eine Vorleistun­g der Behörde der Zahlungsve­rpflichtun­g des Arbeitgebe­rs dar.

„Es war nicht mein Grundgedan­ke, einen Betrug zu begehen“, sagte der 27-Jährige. Es sei eine Probearbei­tszeit vereinbart worden, „doch das ist dann mehr geworden als ausgemacht“. Bei Fragen nach der Bezahlung und einem Arbeitsver­trag sei er stets vertröstet worden. Auch Kollegen hätten kein Geld für ihre Arbeit bekommen. Dennoch geblieben sei er, „weil die nicht genug andere Leute hatten“. Die 4000 von der Agentur für Arbeit gezahlten Euro habe er nicht zurückgeza­hlt. „Ich habe das Geld nicht.“Mit dem Geld, das er vom Securitydi­enst erhalten habe, „konnte er nicht leben“, sagte sein Verteidige­r.

Bei der Bemessung des Urteils brachte er zudem die Frage ein, inwiefern Freibeträg­e eingerechn­et werden müssten: 165 Euro monatlich hätte der Angeklagte nebenher verdienen dürfen. „Man müsste nach ermitteln lassen unter dem Gesichtspu­nkt der Gleichwohl­gewährung“, sagte Richterin Philipp. „Ich kann das nicht berechnen – ich kann kein Urteil fällen, ohne die genaue Schadenshö­he zu kennen.“

„Über die Gleichwohl­gewährung werden sie nicht entscheide­n können“, warf der Staatsanwa­lt ein. Sie wisse nicht, wie sie weiter verfahren sollte, räumte eine recht ratlose Richterin ein.

Der Aspekt der Gleichwohl­gewährung klinge für sie jedoch plausibel. Der Vorwurf der Nichtmeldu­ng der Arbeitsstu­ndenzahl bleibe allerdings bestehen, sagte Philipp. „Sie haben nicht mit dem Arbeitsamt gesprochen, dass sie mehr gearbeitet haben, als sie sich vorgenomme­n hatten – dass sie kein Geld dafür bekommen haben, ist letztlich ihr Problem.“Der Verteidige­r rechnete vor, dass der Schaden alles in allem bei 740 Euro liege; er schlug vor, die Summe „in dieser Konstellat­ion zu verdoppeln“. Darauf ging die Richterin ein: Sie stellte das Verfahren vorläufig ein – gegen die Auflage, dass der 27-Jährige in fünf Monatsrate­n insgesamt 1500 Euro zahlt, die an die Nachsorgek­linik Tannheim fließen sollen.

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FOTO: DAVID-WOLFGANG EBENER Justitia

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