Mann erhält trotz Jobs Arbeitslosengeld
27-Jähriger muss sich wegen Betrugs vor dem Spaichinger Amtsgericht verantworten
SPAICHINGEN - Wegen Betrugs hat sich ein 27-Jähriger vor dem Spaichinger Amtsgericht verantworten müssen. Der Vorwurf: Er habe gleichzeitig gearbeitet und Arbeitslosengeld kassiert. Was den Fall verkomplizierte, war der Arbeitgeber des Angeklagten: Ein Securitydienst aus Villingen-Schwenningen, der 2016 nach einem Handgranatenwurf an einer Flüchtlingsunterkunft bundesweit für Schlagzeilen gesorgt hatte. Der hatte dem Mann nämlich nur einen Bruchteil seines eigentlichen Lohns bezahlt.
Der seinerzeit im Raum Spaichingen lebende, damals arbeitslos gemeldete Mann hatte von September 2015 bis Januar 2016 für den Securitydienst geschafft. Zuvor hatte er zwar beim Arbeitsamt eine Nebentätigkeit gemeldet. Die nahm jedoch weit breiteren Raum an als erlaubt: Teilweise arbeitete er in Zwölf-StundenSchichten, „wöchentlich waren es 15 Stunden und mehr, was sie der Agentur für Arbeit nicht mitgeteilt haben“, so Amtsgerichtsdirektorin Beate Philipp. Die Behörde zahlte in dieser Zeit 4009 Euro an Leistungen, „auf die sie keinen Anspruch hatten – das ist als Betrug strafbar“.
Der Verteidiger, Rechtsanwalt Markus Heimburger, sagte, dass sein Mandant über die Monate ganze 740 Euro an Lohn ausgezahlt bekommen habe. „Er hätte die Arbeitsstunden natürlich melden müssen, aber es sind nur Teilbeträge geflossen.“Die Geschäftsführer seines „kriminellen Arbeitgebers“seien zweifelhaft gewesen, sagte der Anwalt. Es handele sich um eine der beteiligten Securityfirmen, zwischen denen ein Streit zu einem Handgranatenwurf vor den Securitycontainer an einem Flüchtlingsheim geführt hatte (wir berichteten). Im Januar 2016 waren in Villingen nicht, wie zunächst angenommen, Flüchtlinge das Ziel gewesen, sondern Sicherheitskräfte. „Nicht der klassische Regelfall“Vor diesem Hintergrund sei auch eine zunächst genannte Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu viel, meinte der Rechtsanwalt. „Es ist nicht der klassische Regelfall, wo einer doppelt kassiert.“Er brachte den Begriff der Gleichwohlgewährung ins Spiel: Die besagt, dass, wenn ein Arbeitgeber einem Beschäftigten Geld schuldet, die Agentur für Arbeit diese Kosten übernimmt. In einem solchen Fall kann der Betroffene Arbeitslosengeld beantragen, es stellt eine Vorleistung der Behörde der Zahlungsverpflichtung des Arbeitgebers dar.
„Es war nicht mein Grundgedanke, einen Betrug zu begehen“, sagte der 27-Jährige. Es sei eine Probearbeitszeit vereinbart worden, „doch das ist dann mehr geworden als ausgemacht“. Bei Fragen nach der Bezahlung und einem Arbeitsvertrag sei er stets vertröstet worden. Auch Kollegen hätten kein Geld für ihre Arbeit bekommen. Dennoch geblieben sei er, „weil die nicht genug andere Leute hatten“. Die 4000 von der Agentur für Arbeit gezahlten Euro habe er nicht zurückgezahlt. „Ich habe das Geld nicht.“Mit dem Geld, das er vom Securitydienst erhalten habe, „konnte er nicht leben“, sagte sein Verteidiger.
Bei der Bemessung des Urteils brachte er zudem die Frage ein, inwiefern Freibeträge eingerechnet werden müssten: 165 Euro monatlich hätte der Angeklagte nebenher verdienen dürfen. „Man müsste nach ermitteln lassen unter dem Gesichtspunkt der Gleichwohlgewährung“, sagte Richterin Philipp. „Ich kann das nicht berechnen – ich kann kein Urteil fällen, ohne die genaue Schadenshöhe zu kennen.“
„Über die Gleichwohlgewährung werden sie nicht entscheiden können“, warf der Staatsanwalt ein. Sie wisse nicht, wie sie weiter verfahren sollte, räumte eine recht ratlose Richterin ein.
Der Aspekt der Gleichwohlgewährung klinge für sie jedoch plausibel. Der Vorwurf der Nichtmeldung der Arbeitsstundenzahl bleibe allerdings bestehen, sagte Philipp. „Sie haben nicht mit dem Arbeitsamt gesprochen, dass sie mehr gearbeitet haben, als sie sich vorgenommen hatten – dass sie kein Geld dafür bekommen haben, ist letztlich ihr Problem.“Der Verteidiger rechnete vor, dass der Schaden alles in allem bei 740 Euro liege; er schlug vor, die Summe „in dieser Konstellation zu verdoppeln“. Darauf ging die Richterin ein: Sie stellte das Verfahren vorläufig ein – gegen die Auflage, dass der 27-Jährige in fünf Monatsraten insgesamt 1500 Euro zahlt, die an die Nachsorgeklinik Tannheim fließen sollen.