Wenn die Maschine Brezeln knotet
Gränzbote-Leser sind zu Besuch bei der Bäckerei Schneckenburger
TUTTLINGEN - Wie fühlt sich ein Bäcker eigentlich, wenn er mitten in der Nacht zur Arbeit aufstehen muss? Einen kleinen Vorgeschmack bekamen die 20 Teilnehmer der Gränzbote-Leser-Führung in der Bäckerei Schneckenburger: Um 5 Uhr morgens ging’s los.
Dann seien die Kollegen aber schon seit vier Stunde am Arbeiten, verriet Bäckermeister und Betriebsleiter Karl Bertsche. Um 1 Uhr beginnt die erste Schicht, um 2 Uhr die zweite, um 4 Uhr die Spätschicht. Der Vorteil: Spätestens um 13 Uhr haben die Bäcker und Konditoren wieder Feierabend. „Die meisten machen dann Mittagsschlaf “, sagt Bertsche, „ein Bäcker schläft immer zweimal!“
Aber zurück zur Arbeit: 35 Filialen der Tuttlinger Bäckerei, sei es in Tuttlingen und Umgebung oder in Balingen und Konstanz, wollen täglich beliefert werden. 15 000 Brötchen, dazu Brezeln, Brot und Hefezöpfe, Zwetschgendatschi, Käsekuchen, Quarkwecken und sogar fertig belegte Snacks verlassen täglich die Produktionshalle an der Tuttlinger Föhrenstraße. Beim Besuch der Gränzbote-Leser sind Konditoren dabei, mehrere Bleche Hefeteig mit Zwetschgen zu belegen. Sie würden entsteint und zerlegt geliefert, verrät der Meister. Trotzdem: 250 Kilo Zwetschgen wollen erst einmal verarbeitet werden. Dass dabei jeder Schritt genau getaktet ist, ist keine Frage. „Jeder weiß genau, was er wann zu tun hat“, erklärt Bertsche. Hefeteig geht bei 32 Grad Morgens, bis um vier Uhr, ist der Druck am größten. Dann müssen vorbereitete Teige zu Broten und Brötchen verarbeitet werden. Hefeteig geht zum Beispiel in speziellen Behältern, die optimale Temperatur liegt bei 32 Grad und 70 Prozent Luftfeuchtigkeit. In der Nacht holen die Bäcker sie raus, kneten und formen sie, in riesigen Backöfen werden sie gebacken und landen nach Ende der Backzeit automatisch auf dem Fließband. Dort steht die nächste Mitarbeiterin und verpackt sie in Körben, immer genau 35 Brötchen in einem.
Die Körbe – 8000 sind in dem Betrieb in Gebrauch – werden in die Transporter und Lkw verladen. Einmal um 4 Uhr und einmal gegen 7 Uhr holen sie sieben Fahrer ab und liefern sie auf festgelegten Routen in die Filialen. Auf dem Rückweg bringen sie den Müll wieder mit, auch der wird zentral in Tuttlingen entsorgt. Die Firma hat vor wenigen Jahren ein Hygienezentrum bauen lassen. „Jetzt können wir garantieren, dass jeder Korb täglich gewaschen wird“, sagt Bertsche. Und dort werden die restlichen Backwaren gesammelt und für die Produktion von Tiernahrung weiterverwertet.
Klein und gemütlich, das ist die Backstube bei Schneckenburger wahrlich nicht mehr. Eine Maschine knotet die Brezeln. Mehl, Butter und Eier werden kilo- statt grammweise abgewogen, die Konditoren verwenden täglich etwa 100 Liter Milch für Pudding. 55 Mitarbeiter sind allein für die Produktion und die Lieferung der Backwaren zuständig. Kein Vergleich zur Industrie Eine Großbäckerei? „Auch wenn es aussieht wie Industrie: Wir sind immer noch eine von den kleinen Bäckereien“, sagt Bertsche. Und: „Wir machen alles selbst: unsere Marmelade, den Pudding, den Teig – wir kaufen keine Teiglinge zu.“Mehl und auch alle anderen verfügbaren Rohstoffe würden möglichst lokal oder regional gekauft, sagt Bertsche. Lieber regional als bio, bestätigt auch Senior-Geschäftsführer Thomas Schneckenburger: „Wir wollen nicht, dass die Waren tausende Kilometer weit transportiert werden müssen.“
Apropos Transport: Die Hitze hat der Bäckerei im Sommer ganz schön zu schaffen gemacht. Sowohl den Mitarbeitern in der Produktion als auch den Waren: „Sahne und andere Frischeprodukte sind dann schwierig. Die Konditorei hat deshalb eher Früchtekuchen und Ähnliches gemacht“, erklärt Bertsche.
Schneckenburger hat viel investiert in den vergangenen Jahren, die Zahl der Filialen hat zugenommen. Auch die Mitarbeiter werden nach eigenen Angaben fair, auch übertariflich, bezahlt. Dass das seinen Preis hat, ist für Schneckenburger klar: „Wir wollen auch gar nicht der billigste Bäcker sein“, sagt er. Das überlasse er den Discountern, die Brötchen aus dem Regal anbieten.
Ob die Qualität stimmt, davon durften sich die Gränzbote-Leser im Anschluss an die Führung überzeugen: In der Filiale im Ärztehaus gab’s für alle ein Frühstück.