Sind handgeschriebene Briefe noch zeitgemäß?
Gut, dass ich diesen Text nicht mit der Hand schreiben muss. Grübeln, probieren, durchstreichen, dazwischen krakeln, Papier zerknüllen, von vorne beginnen. Handarbeit ist mühevoll und zeitraubend, die Technik macht uns alles leicht. Zu leicht. Deshalb haben wir leider auch aufgehört, einander richtige Briefe zu schreiben. Selbst aus dem Urlaub verschicken wir flott ein paar WhatsApps. Ping. Erledigt. Kompliziertere Umstände klärt man per E-Mail. Selbst Einladungen, Geburtstagswünsche, Liebesbriefe werden digital übermittelt und allenfalls noch ausgedruckt. Der Inhalt mag ja persönlich formuliert sein (obwohl man das nie genau weiß), die Form ist vollkommen austauschbar. Da wird nichts Individuelles bleiben. Nichts, was den knisternden Briefen gleicht, die ich in leicht vergilbten Mappen als Reliquien meiner Jugend aufbewahre: die 45 Jahre alte Post meines indischen Brieffreundes Aspi zum Beispiel, der seine schnörkeligen Buchstaben ganz fein und eng malte, damit möglichst viel auf das dünne Luftpostpapier passte. Wären Aspis Briefe an „Dear Birgit“damals E-Mails gewesen, sie wären längst gelöscht. Auch aus der Erinnerung. Bis heute freue ich mich über jeden handgeschriebenen Gruß und greife selbst zu Füller und Papier, wenn mir ein Brief wichtig ist. In Verbundenheit, eure Birgit.
Einzigartige Erinnerungen bewahren. Von Birgit Kölgen