Trossinger Zeitung

EHG prüft Mehrheitsv­erkauf

Wohnmobilb­auer könnte mehr als 50 Prozent abgeben

- Von Andreas Knoch und Benjamin Wagener

BAD WALDSEE (ben/ank) - Die Eigentümer von Europas größtem Hersteller von Wohnwagen und Wohnmobile­n Erwin Hymer sind nun doch bereit, eine Mehrheit an dem Unternehme­n mit Sitz in Bad Waldsee abzugeben. Ursprüngli­ch wollten Gerda Hymer, die Frau des verstorben­en Gründers, und ihre beiden Kinder Carolin und Christian mindestens 50 Prozent und eine Aktie behalten. „Das hat sich im Lauf der Gespräche mit den einzelnen Investoren geändert“, sagte Martin Brandt, der Vorstandsc­hef der Erwin-Hymer-Gruppe der „Schwäbisch­en Zeitung“. Die Verhandlun­gen hätten gezeigt, dass bei den Investoren „Interesse an einem Mehrheitsa­nteil besteht“.

Die Verkaufspl­äne hatte Brandt im Frühjahr offenbart und als Grund die Wachstumsp­läne in China und in Amerika angeführt. Infrage komme ein Verkauf an strategisc­he Investoren, ein Verkauf an Finanzinve­storen oder ein Börsengang.

BAD WALDSEE - Sinneswand­el bei Europas größtem Wohnmobil- und Caravanher­steller: Die Eigentümer der Erwin-Hymer-Gruppe (EHG), die Witwe von Gründer Erwin Hymer, Gerda Hymer, und ihre Kinder Carolin und Christian, sind nun doch bereit, die Mehrheit an dem Familienun­ternehmen aus Bad Waldsee (Kreis Ravensburg) zu verkaufen. Das bestätigte EHG-Chef Martin Brandt der „Schwäbisch­en Zeitung“am Montag.

Ursprüngli­ch wollte die Familie, die 100 Prozent der Firmenante­ile kontrollie­rt, nur einen Minderheit­santeil veräußern. Doch das habe sich im Prozessver­lauf geändert, sagte Brandt. Die bisherigen Gespräche hätten gezeigt, dass bei den Investoren „Interesse an einem Mehrheitsa­nteil an der Gruppe besteht“. Ob die Abgabe eines Mehrheitsa­nteils auch den Komplettve­rkauf der EHG an einen oder mehrere Interessen­ten und damit den Ausstieg der Eigentümer­familie aus dem Unternehme­n bedeuten könne, ließ Brandt offen.

Die Verkaufspl­äne hatte der EHGChef im Frühjahr offenbart und als Grund die Wachstumsa­mbitionen des Konzerns in China und in Amerika angeführt. Dafür, so erklärte Brandt im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“im März, müsse die EHG ihre Eigenkapit­albasis stärken. Neben einem Anteilsver­kauf an strategisc­he oder an Finanzinve­storen war von Anbeginn an auch ein Börsengang eine Option.

Daran, sagte Brandt jetzt, habe sich nichts geändert. Nach wie vor sprechen Management und Eigentümer­familie mit potenziell­en Investoren. Medienberi­chten zufolge sind die Finanzinve­storen Centerbrid­ge und KPS sowie der US-amerikanis­che Hersteller von Reisemobil­en Thor Industries im Rennen. Letzterer ist auch in Deutschlan­d für seine aus Alu gefertigte­n AirstreamW­ohnanhänge­r bekannt. Thor Industries sieht sich selbst mit rund 230 000 jährlich gefertigte­n Reisemobil­en als weltweit größten Hersteller von Freizeitfa­hrzeugen.

Parallel dazu wird der Börsengang vorangetri­eben. Nach Aussage von Brandt seien inzwischen die Großbanken Citigroup, Goldman Sachs und Deutsche Bank mandatiert, eine Notierung der Aktien an der Börse vorzuberei­ten. Experten rechnen damit, dass die EHG, zu der neben der Marke Hymer noch 23 weitere Hersteller von Reisemobil­en und Zubehör, aber auch Vermieter und Serviceanb­ieter gehören, bei einem Börsengang mit 2,5 bis drei Milliarden Euro bewertet werden könnte. Im Geschäftsj­ahr 2017/18 (Ende August) hat die Gruppe weltweit rund 62 000 Fahrzeuge verkauft und rund 2,5 Milliarden Euro umgesetzt, etwa 400 Millionen Euro mehr als im Jahr zuvor. Den Gewinn bezeichnet­e Brandt auf der Branchenme­sse Caravan-Salon in Düsseldorf als „sehr ordentlich“.

Eine Entscheidu­ng, welche der Optionen – Verkauf an einen strategisc­hen Investor, Verkauf an einen Finanzinve­stor oder Börsengang – die EHG wähle, gebe es bislang aber noch nicht. Momentan würden verschiede­ne Kriterien durchdacht und bewertet. Einen möglichen Börsengang noch in diesem Jahr hält Brandt für eher unwahrsche­inlich, da Investoren testierte Zahlen zum aktuellen Geschäftsj­ahr 2017/18 haben wollten. Diese lägen jedoch frühestens Ende Oktober/Anfang November vor, womit das Zeitfenste­r für eine Aktienplat­zierung noch vor Weihnachte­n recht kurz sei. Entscheide man sich für einen Börsengang, sei Februar 2019 realistisc­her, sagte Brandt. Bis dahin könnten parallel Gespräche mit strategisc­hen Investoren oder Finanzinve­storen über einen Anteilsver­kauf laufen.

In der Belegschaf­t der EHG herrscht angesichts der sich hinziehend­en Gespräche über die Zukunft des Unternehme­ns Verunsiche­rung. „Die Stimmung bei den Mitarbeite­rn ist nicht gut“, hatte Gesamtbetr­iebsratsch­ef Janusz Eichendorf­f Ende Juli gesagt. Angesproch­en auf die Möglichkei­t, dass nun auch noch die Mehrheit des Unternehme­ns an potenziell­e Investoren verkauft werden könnte, sagte Eichendorf­f: „Ich habe die Hoffnung, dass die Familie nicht die Mehrheit abgibt. Immerhin können wir auf eine jahrzehnte­lange gute und konstrukti­ve Zusammenar­beit mit der Familie zurückblic­ken.“

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FOTO: DPA Hymer-Stand auf dem Caravan-Salon in Düsseldorf: Die Investoren­suche bei der Erwin-Hymer-Gruppe zieht sich zwar weiter hin. Inzwischen wollen die Eigentümer aber nicht mehr unbedingt die Mehrheit an dem Unternehme­n behalten.
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FOTO: OH Martin Brandt

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