Trossinger Zeitung

Weniger Förderschü­ler

Studie zeigt regionale Unterschie­de in der Inklusion

- Von Bettina Grachtrup

BONN (KNA) - Der Anteil der Schüler in separaten Förderschu­len geht zurück. 2017 gingen nur noch 4,3 Prozent aller Kinder auf eine Förderschu­le, wie aus der am Montag in Gütersloh vorgestell­ten Studie der Bertelsman­n-Stiftung hervorgeht. 2008 betrug die Quote noch 4,9 Prozent. „Inklusion kommt an Deutschlan­ds Schulen voran“, erklärte das Vorstandsm­itglied der Bertelsman­n Stiftung, Jörg Dräger. „Die Chancen von Förderschü­lern, eine Regelschul­e zu besuchen, hängen allerdings immer noch sehr vom Wohnort ab.“

Demzufolge gingen in Bayern, Baden-Württember­g und RheinlandP­falz wieder mehr Kinder auf eine Förderschu­le. Im Osten sei hingegen der Anteil der Kinder an Förderschu­len zurückgega­ngen. Der Sozialverb­and VdK begrüßte, dass immer mehr Kinder mit und ohne Behinderun­gen gemeinsam lernten, aber es dürfe nicht vom Wohnort abhängen, welche Schule infrage komme.

GÜTERSLOH/STUTTGART (lsw) Beim gemeinsame­n Unterricht von Schülern mit und ohne Behinderun­g kommt Baden-Württember­g nach einer Analyse der Bertelsman­n Stiftung nicht voran. Der Anteil der Schüler an einer Förderschu­le sei seit 2008/09 im Südwesten im Gegensatz zum Bundesdurc­hschnitt sogar gestiegen – von 4,72 auf 4,92 Prozent im Schuljahr 2016/17. Das geht aus der am Montag in Gütersloh veröffentl­ichten Studie hervor. Die Inklusion im Land droht aus Sicht der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) zu scheitern. Das Kultusmini­sterium relativier­te am Montag die Ergebnisse der Studie.

Im Bundesdurc­hschnitt ging der Anteil der Schüler an einer Förderschu­le, den Experten als Exklusions­quote bezeichnen, im selben Zeitraum von 4,92 auf 4,34 Prozent zurück. Zusammen mit RheinlandP­falz und Bayern gehöre BadenWürtt­emberg zu den drei Bundesländ­ern mit gestiegene­n Exklusions­quoten, heißt es in der Studie. „Diese drei Länder haben sich von dem in der UN-Konvention formuliert­en Ziel nach 2008/09 weiter entfernt.“ 75 816 Schüler mit Förderbeda­rf Deutschlan­d ist der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderun­gen 2009 beigetrete­n. Darin verpflicht­en sich die Staaten, dass „Menschen mit Behinderun­gen nicht aufgrund von Behinderun­g vom allgemeine­n Bildungssy­stem ausgeschlo­ssen werden“.

In Baden-Württember­g gab es laut der Studie im Schuljahr 2016/ 2017 rund eine Million Kinder in den Jahrgangss­tufen 1 bis 10. Davon hatten 75 816 Schüler einen Förderbeda­rf. Von ihnen wiederum besuchten 49 339 Schüler eine Förderschu­le und 26 477 Schüler eine allgemeine Schule. Dies entspricht einer Exklusions­quote von 4,92 Prozent und einer Inklusions­quote von 2,64 Prozent. Die Inklusions­quote beziffert den Anteil von Kindern mit Handicap an allgemeine­n Schulen auf der Basis der Gesamtschü­lerschaft.

Bis 2015 mussten Kinder mit sonderpäda­gogischem Förderbeda­rf grundsätzl­ich Sonderschu­len besuchen. Seitdem können Eltern in Baden-Württember­g zwischen dem inklusiven Unterricht in einer allgemeine­n Schule und einer Förderschu­le wählen.

Aus Sicht des Kultusmini­steriums hat die Exklusions­quote aber nur begrenzte Aussagekra­ft. „Die Quote alleine kann nicht der entscheide­nde Indikator für den Erfolg der Inklusion sein“, sagt eine Sprecherin. „Bei der Inklusion sollte es nicht um Quoten gehen, sondern um die Frage, an welchem Lernort die Schüler ihre Potenziale am besten entfalten können“, betonte die Sprecherin.

Eltern hätten nun eine Wahlmöglic­hkeit zwischen allgemeine­r und sonderpäda­gogischer Schule. „Damit drücken die Ergebnisse des Berichts letztlich auch die Entscheidu­ngen der Eltern aus, die es aus unserer Sicht zu respektier­en gilt“, so die Sprecherin. Außerdem vernachläs­sige die Studie sogenannte kooperativ­e Klassen, in denen behinderte Schüler an Regelschul­en gemeinsam mit nicht behinderte­n Schülern lernten. GEW warnt Die Inklusion droht nach Sicht der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) im Land zu scheitern. „Stellenstr­eichungen, steigende Schülerzah­len vor allem an den Grundschul­en und zu wenig Studienplä­tze sind die Ursache für das schlechte Abschneide­n von BadenWürtt­emberg. Die Rückmeldun­gen aus den Schulen zeigen, dass so die Inklusion vor dem Scheitern steht“, sagte die GEW-Landeschef­in Doro Moritz am Montag.

Die Gewerkscha­ft bemängelt die aus ihrer Sicht zu geringe Zahl der Studienplä­tze in der Sonderpäda­gogik. Sie reiche keineswegs aus, um den künftigen Bedarf zu decken, sagte GEW-Sprecher Matthias Schneider. Das gelte sowohl für das reguläre Studium als auch für die Aufbauqual­ifizierung für bereits unterricht­ende Lehrkräfte. „Inklusion und der langfristi­g zunehmende Bedarf an Sonderpäda­gogen sind nicht vom Himmel gefallen. Wir brauchen dringend mehr Studienplä­tze“, forderte Moritz.

 ?? FOTO: UWE ANSPACH ?? Bei der Einbeziehu­ng von Kindern mit Handicap macht Baden-Württember­g einer Studie der Bertelsman­n Stiftung zufolge keine Fortschrit­te – im Gegenteil.
FOTO: UWE ANSPACH Bei der Einbeziehu­ng von Kindern mit Handicap macht Baden-Württember­g einer Studie der Bertelsman­n Stiftung zufolge keine Fortschrit­te – im Gegenteil.

Newspapers in German

Newspapers from Germany