„Alkohol und Parfüm können Reizfaktoren sein“
Insektenexperte Frank Neumann erklärt, wann Hornissen gefährlich werden
AULENDORF - Wenn Hornissen wie beim aktuellen Vorfall in Weingarten zustechen, hat das meist eine Vorgeschichte. Was man über die Tiere wissen muss, wann sie aggressiv werden und was man tun kann, wenn man ein Nest auf dem heimischen Grundstück hat, erklärt Dr. Frank Neumann vom Bienengesundheitsdienst im Staatlichen Tierärztlichen Untersuchungsamt Aulendorf (STUA) im Gespräch mit Daniel Drescher. Herr Neumann, sind Hornissen generell aggressive Tiere? Hornissen sind von Natur aus recht friedfertige Jäger und Sammler. Diese Insekten versorgen ihr Nest hauptsächlich mit Protein. Solange das Nest noch wächst oder man Abstand vom Nest hält, sind sie meist recht friedlich. Das gilt auch, wenn die Tiere damit beschäftigt sind, ihre Beute, andere Insekten etwa, heimzubringen. In unmittelbarer Nähe des Nests allerdings haben die Hornissen ihre „Wohnung“und ihren Insektenstaat zu verteidigen. Deshalb gibt es bei den Hornissen, wie auch bei den Bienen, sogenannte Fluglochwachen: Die Insekten bewachen den Eingang und beobachten die Umgebung. Wenn fremde und sich bewegende Objekte auftauchen, die sie nicht kennen, inspizieren die Hornissen diese. Wenn sie keine Gefahr sehen, werden sie auch keine Angriffe starten. Was macht die Tiere dann so aggressiv, dass sie angreifen? Hornissen können nicht hören. Sie haben dafür aber ein feines Gespür für Bodenschwingungen oder sogenannten Substratschall. Wenn ein Hornissennest in der Nähe eines Wanderwegs liegt, das 400 bis 700 Individuen beherbergt, werden die Erschütterungen auch im Nest als Gefahr wahrgenommen. Hinzu kommt, dass Hornissen viele Informationen im Nest über Duftstoffe, sogenannte Pheromone, austauschen und somit auch auf fremde Gerüche reagieren. Wenn die WandeNestbau rer also stapfend am Nesteingang vorüberlaufen und eventuell auch noch schwitzen, reizt das die Tiere zusätzlich. Dann schalten sie in den Verteidigungsmodus, um die Störenfriede in die Flucht zu schlagen. Im aktuellen Fall waren die Wanderer auf einer Weinwanderung unterwegs. Hat der Alkoholgeruch die Tiere zusätzlich angestachelt? Ja, davon kann man ausgehen. Alkohol, Parfüm, generell Düfte, die so in der Natur nicht vorkommen, können für Hornissen Reizfaktoren sein und somit eine Bedrohung darstellen. Was kann man tun, wenn sich ein Hornissennest auf dem heimischen Grundstück befindet oder an einer Stelle, die sich nicht ignorieren oder umgehen lässt? Zunächst einmal sollte man etwa drei bis fünf Meter Abstand halten, damit sich die Hornissen nicht gefährdet fühlen. Eine Sichtblende in nächster Nähe vor dem Nest aufgestellt, kann schon ausreichen, eine spanische Wand etwa, die die Tiere vor dem Trubel sich bewegender Personen abschirmt und die sie dann in entsprechender Höhe überfliegen müssen. Damit ist auch einigermaßen sichergestellt, dass sich die Wege und Flugbahnen nicht direkt kreuzen. Dann sollte man starke Erschütterungen vermeiden. Wenn die Tiere spüren, wie beispielsweise eine Tür zugeschlagen wird, kommen sie raus und suchen die Quelle. Wenn ein Nest in unverträglicher Nähe ist, am Rollladenkasten etwa, sollte man sich an die untere Naturschutzbehörde im Landratsamt wenden. Da gibt es Hornissenbeauftragte, die oft auch Imker oder Biologen sind und mit entsprechender Schutzkleidung und Erfahrung das Nest umsiedeln können. Hornissen haben eine wichtige Funktion im Naturhaushalt und stehen übrigens unter Naturschutz Wie lange sind die Hornissen aktiv? Die heimischen Hornissen hierzulande betreiben kurzzyklischen und sind von April bis Ende Oktober aktiv – im Gegensatz zur asiatischen Hornisse, die sogar bis Ende November unterwegs ist. Wenn es zunehmend kälter wird, lösen sich die Nester langsam auf. Die Hornissenarbeiterinnen erfrieren bzw. verhungern, die Lebenslichter gehen langsam aus. Nicht so ergeht es den jungen Hornissenköniginnen, die jede für sich möglichst frostfreie Überwinterungsplätze aufsuchen, um im nächsten Frühjahr eine neue Kolonie zu gründen. Derzeit beginnen sich wie gesagt die Nester aufzulösen, so dass viele Hornissen vagabundierend herumfliegen, jedoch grundsätzlich ungefährlich sind. Hatte die Hitzewelle Auswirkungen auf die Tiere? Die große Hitze mit gutem Nahrungsangebot in diesem Sommer hat dazu geführt, dass Nester schneller groß wurden und die neuen Königinnen sich schneller entwickelt haben. Wie gefährlich sind Hornissenstiche? Hornissenstiche sind nicht lebensbedrohlich und nicht gefährlicher als Bienen- oder Wespenstiche, sofern man keine Allergie hat. Es ist allerdings schon sehr schmerzhaft. Man sollte bei einem Hornissenangriff wissen, dass man dem Nest zu nahe gekommen ist, also möglichst schnell das Weite suchen und auf keinen Fall stehenbleibend um sich schlagen. Ansonsten läuft man Gefahr, dass es nicht bei einem Stich bleibt. Hornissen können mehrmals stechen, und tun dies auch. Die Schwellung geht meist nach zwei bis drei Tagen zurück. Bekommt man allerdings Kreislaufprobleme, sollte man umgehend einen Arzt verständigen, denn das deutet auf eine gefährliche allergische Reaktion hin.