„Unkraut kann niemanden erschlagen“
Rund 11 000 Bäume müssen regelmäßig auf Standsicherheit geprüft werden
TUTTLINGEN - Wenn Jürgen Klement den Blick nach oben wendet und den Himmel nicht sehen kann, ist das ein gutes Zeichen. Mit orangener Uniform, Jutehut auf dem Kopf und einem Tablet vor der Brust, steht er auf dem Schulhof der Schrotenschule. „Bei einem gesunden Baum sieht man den Himmel nicht“, sagt er und blickt am Stamm einer Hainbuche in die Höhe. Klement sorgt dafür, dass in Tuttlingen kein Baum umfällt. Klement ist Baumkontrolleur und einer von 24 Mitarbeitern, die für die Stadtgärtnerei täglich im Einsatz sind.
Tag für Tag macht er sich auf den Weg und begutachtet Rinde, Wurzeln und Baumkronen. Fein säuberlich tippt er unter anderem den Stammumfang, geschätzte Höhe und den Zustand des Baumes in eine elektronische Karte auf dem Tablet ein. Dort sind alle Bäume auf öffentlichen Flächen in Form von kleinen Kreisen verzeichnet – rund 11 000 in ganzen Stadt. Auch die Hainbuche auf dem Schulhof der Schrotenschule, an der er empor schaut. „Das Laub ist schon verfärbt“, sagt er. „Er kränkelt ein bisschen vor sich hin. Aber im letzten Jahr war es schlimmer.“ Bäume als Gefahr Jeden einzelnen Baum schaut sich Klement gründlich an: Er sucht nach Fäulnis oder Schäden an der Rinde. Ausgelöst durch zum Beispiel lange Trockenheit oder späten Frost. Ist ein Baum geschädigt, trägt er das in die Datenbank ein. Die Standsicherheit der Buche auf dem Hof der Schrotenschule sei trotz der Krankheit gut. Und darauf kommt es an. Die Bäume dürfen nicht zur Gefahr werden. Nur ein bisschen Totholz müsse hier entfernt werden.
Zur gleichen Zeit auf der anderen Seite der Stadt. Silas Schilling ist am Berliner Ring in der Nordstadt mit großem Gerät zu Gange. Mit einem Kran schwebt der Baumpfleger mit einem leisen Surren in die Krone eines Baumes, fährt die sechseinhalb Meter lange Säge aus und schiebt die scharfen Zacken des Sägeblattes vor und zurück, bis der trockene, daumendicke Ast zu Boden fällt. Dass der Baum sogenanntes Totholz, also abgestorbene Äste, enthält hat Schilling aus der Baumkarte abgelesen, die der Baumkontrolleur zuvor befüllt hat. Bäume, bei denen eine Baumpflege nötig ist, sind dort orange markiert. Davon gibt es momentan rund 1000 in Tuttlingen.
Die Stadtgärtnerei ist für die rund 11 000 Bäume, 25 000 Meter städtische Hecke, 50 Blumenkübel, 4000 Quadratmeter Blumenbeete und eine Rasenfläche so groß wie 85 Fußballfelder zuständig. „Die größte Herausforderung für uns ist die Baumpflege“, sagt Klaus Schmid-Doullier. Er ist Einsatzleiter der Stadtgärtnerei und koordiniert die 24 Mitarbeiter. „Es geht dabei um Sicherheit und den Erhalt der Bäume“, sagt Schmid-Doullier. Da müssten schon mal Prioritäten gesetzt werden. „Wir müssen jetzt erst mal schauen, dass wir die Bäume auf den Schulhöfen fertig bekommen“, sagt SchmidDroullier. Überall gleichzeitig könne man eben nicht sein. Auch, wenn sich der ein oder andere Bürger auch mal bei der Stadt über zu viel Unkraut am Straßenrand beschwere. „Von Unkraut wird niemand erschlagen“, sagt der Stadtgärtner-Chef. Dem Unkraut an den Kragen Unkraut ist für die Stadtgärtner aber dennoch ein Thema. Auch an diesem Tag sind mehrere Trupps unterwegs, die sich um den Wildwuchs in der Stadt kümmern: Die Blumenbeete und Wege von Unkraut befreien. Für die Gärtner Thomas Baur und Alexandra Hipp ist es an diesem Morgen bereits die zweite Station. Los geht es morgens um sieben Uhr mit einer Besprechung, dann schwärmen die Teams aus. Hipp und Baur sind am Blumenband im Donaupark zu Gange und ziehen das Unkraut zwischen den Blumen aus der Erde. Sie sorgen dafür, dass es fast das ganze Jahr über blüht in der Stadt. Die Stadtgärtnerei pflanzt rund 20 000 Blumen im Frühjahr, nochmal so viele Sommerblumen, und im Herbst kommen um die 30 000 Blumenzwiebeln für das kommende Jahr in die Erde. Alexandra Hipp ist nun schon vier Jahre bei der Stadtgärtnerei. Sie hat bereits ihre Ausbildung dort gemacht. „Ich wusste, dass ich etwas handwerkliches machen möchte. Arbeiten an der frischen Luft und mit Pflanzen fand ich schon immer gut“, sagt Hipp.
Eine große Aufgabe sei auch das Gießen während der heißen Sommermonate gewesen. Bis zu 20 000 Liter pro Tag Wasser verteilten die Mitarbeiter mit bis zu drei Fahrzeugen in der Stadt – ein Knochenjob. Einen, den die Stadtgärtner aber mit Herzblut verrichten. „Tuttlingen soll einfach eine schöne, bunte Stadt sein“, sagt Schmid-Droullier. Und das Ergebnis der Arbeit erfreue die Bürger – darauf werde er öfter angesprochen. „Wir tun etwas für die Lebensqualität in Tuttlingen.“