Wegbegleiter in der letzten Stunde
Seit vier Jahren kümmert sich Patrick Ott um Sterbende und ihre Angehörigen
TUTTLINGEN - Mit einem Flyer, der ihm im November 2014 in der katholischen Gemeinde in die Hände fiel, fing alles an. Nach zwei kurz aufeinander folgenden Todesfällen in der Familie nimmt Patrick Ott Kontakt mit der Hospizgruppe Tuttlingen auf und begeistert sich schnell für die sinnstiftende Arbeit in der Begleitung Schwerstkranker und Sterbender. Hierbei sieht der 43-jährige Tuttlinger Sterbende und Sterbebegleiter gleichsam als Beschenkte und empfindet seine Tätigkeit als nachhaltigen Dienst, der auch sein alltägliches Leben bereichert.
Wer über einen Friedhof läuft, kommt an vielen Grabsteinen vorbei, die neben der Nennung des Namens des Verstorbenen gewöhnlich auch die Angabe zu Geburtsund Todesdatum eint. Dazwischen steht meist ein Bindestrich, der als stellvertretend für ein ganzes Leben betrachtet werden kann. Diesen Bindestrich, berichtet Patrick Ott, wollte er gerne mit einer sinnvollen Tätigkeit füllen.
Noch von persönlichem Verlust gezeichnet, entschließt er sich dazu, an vier Wochenenden eine Ausbildung als Sterbebegleiter zu absolvieren. Die intensiven Gespräche in den Seminaren und innerhalb der Hospizgruppe nehmen ihm nach und nach die Angst vor dem Thema Tod und Sterben. Und er spürt, dass er sein Leben achtsamer leben und seine Zeit sinnvoller nutzen möchte. „Bei den ersten zwei, drei Sterbebegleitungen nach meiner Ausbildung hatte ich einen erfahrenen Begleiter neben mir, der mich unterstützt hat. Schon bald habe ich aber gelernt, Unsicherheiten hinter mir zu lassen und ohne Angst und Furcht zu agieren“, berichtet Ott.
Sein tiefer Glaube helfe ihm dabei, auch bei schweren Einzelschicksalen nicht zu hadern, sondern es als Geschenk zu betrachten, einem Menschen beistehen zu dürfen. Er verstehe sich bei seiner Tätigkeit als Gehilfe Gottes, der dem Sterbenden bei seinem letzten Weg eine Gehhilfe zu sein versucht. Jede Sterbebegleitung verlaufe anders, doch meistens helfe es den Sterbenden, einfach einen Ansprechpartner zu haben und nicht alleine sein zu müssen: „Ich biete den Schwerkranken und Sterbenden stets meine Hand an, die sie jederzeit nehmen, aber auch wieder loslassen können“, erzählt der gebürtige Tuttlinger.
Auch die Angehörigen, die sich oft völlig verausgaben, würden von der Unterstützung eines Sterbebegleiters profitieren. Sie könnten sich so die Auszeiten und Pausen nehmen, die sie sich sonst kaum erlauben würden.
Nach seiner Ausbildung als Sterbebegleiter ließ sich Patrick Ott auch auf dem Gebiet der Trauerbegleitung schulen. Beide Themen gingen Hand in Hand. Jeden zweiten Donnerstag im Monat können sich Hinterbliebene im Trauercafé im katholischen Gemeindehaus der Tuttlinger St. Josef-Gemeinde treffen und dort Ansprechpartner und eine vertrauliche Atmosphäre vorfinden. Trauer in die Natur tragen Neben Dekanatsreferent Hans-Peter Mattes ist auch Patrick Ott dort anzutreffen. Der 43-Jährige arbeitet an verschiedenen Projekten wie der von ihm konzipierten Trauerwanderung, bei der die Trauer in der Natur anders erlebbar gemacht werden soll. In Zusammenarbeit mit dem Hospiz Spaichingen sollen im November erste Seminare für acht bis zehn Personen angeboten werden.
Das überkonfessionelle, ehrenamtliche und kostenfreie Angebot steht seit 1992 jedem frei. Patrick Ott berichtet, dass er froh gewesen wäre, schon vor dem Tod seines Vaters von der Arbeit der Hospizgruppe gewusst zu haben. Er würde sich wünschen, dass viel mehr Menschen schon in einem früheren Stadium die Dienste von Sterbebegleitern in Anspruch nehmen würden. Auch die Arbeit als Sterbebegleiter könnte seiner festen Überzeugung nach jeder ausüben.
Selbst möchte Patrick Ott den Dienst nicht mehr missen. Sein Lohn sei das gute Gefühl, das sich immer dann einstellt, wenn man das Herz eines anderen Menschen erreichen.