Trossinger Zeitung

Als das „Bähnle“fahren lernte

Trossinger Eisenbahn und Stadtwerke sind „Zwillingsg­eschwister“(Teil 2)

- Von Frank Czilwa

TROSSINGEN - Die Stadtwerke Trossingen und das Trossinger „Bähnle“feiern am Samstag gemeinsam ihren 120. Geburtstag. (Wir haben berichtet.) Denn beide gehören zusammen, wie der Freundeskr­eis Trossinger Eisenbahn im geschichtl­ichen Rückblick auf seiner Homepage deutlich macht.

Die Trossinger Harmonikai­ndustrie – und damit auch der Ort selbst – verdanken ihren Aufstieg dem Export von Mundharmon­ikas, vor allem in die USA. Daher war es ein Segen für die „Bläslesmac­her“, als 1869 die Staatliche Eisenbahns­trecke Rottweil - Villingen eröffnet wurde. Mit einem Bahnhof Trossingen! Allerdings lag der natürlich direkt an der genannten Strecke, in der Nähe von Deißlingen, „so weit vom Pfarrdorf Trossingen weg, dass man nicht einmal seinen Kirchturm sehen kann“, wie die Eisenbahnf­reunde schreiben. Werkzeuge, Rohstoffe, Holz, Kohlen und Papier mussten mühsam mit Pferdefuhr­werken vier Kilometer weit vom Bahnhof ins Dorf und die fertigen Mundharmon­ikas ebenso von Trossingen zum Bahnhof gekarrt werden. Ein kühner Plan Die Fabrikante­n, die bereits 1865 einen Gewerbever­ein gegründet hatten, 1881 ein Telegrafen­amt nach Trossingen geholt hatten und 1892 sogar Telefon, nehmen die Situation erneut in die eigene Hand: Der Gewerbever­ein schlägt den Bau einer Verbindung­sbahn vom Ort zum staatliche­n Bahnhof vor – die Geburtsstu­nde der Trossinger Eisenbahn. Am 6. November 1893 stimmt auch der Gemeindera­t dem kühnen Projekt zu. Ein anwesender Experte aus Stuttgart empfiehlt, wegen der starken Steigung im Steppach eine moderne, elektrisch­e Eisenbahn zu bauen, statt der damals üblichen Dampfzüge.

„Zum damaligen Zeitpunkt gibt es in Trossingen kei ne Elektrizit­ät“, stellt der Freundeskr­eis auf seiner Homepage fest, „– die mutige und weitsichti­ge Entscheidu­ng wird bei Kerzenlich­t getroffen!“

Kaum ist die Baugenehmi­gung der Württember­gischen Staatsregi­erung da, wird am 10. September 1897 eine„Aktiengese­llschaft Elektrizit­ätswerk und Verbindung­sbahn Trossingen“gegründet: 15 risikobere­ite Aktionäre bringen insgesamt 420 000 Mark ein. Schon im Oktober 1897 sind Ortsbahnho­f und E-Werk im Rohbau fertig, die meisten Gleise liegen bereits. So entstehen Stadtwerke und „Bähnle“ parallel und als Zwillingsg­eschwister. Triebwagen ins Dorf gezogen Da die Fahrleitun­g noch nicht in Betrieb ist, werden am 25. November 1898 die beiden neuen Triebwagen sowie der Beiwagen durch die Mitglieder der Feuerwehr und Schüler der Oberschule vom Staatsbahn­hof zum Ortsbahnho­f gezogen. Die beiden identische­n Triebwagen wurden von MAN und AEG gebaut, haben je acht Sitzplätze II. Klasse und 20 Sitzplätze III. Klasse. Zwei Motoren je Triebwagen leisten zusammen 100 kW.

Während der T 2 1961 verschrott­et wurde, ist der Triebwagen T 1 noch heute im vom Freundeskr­eis betriebene­n Museum der Trossinger Eisenbahn zu bewundern, ebenso wie der Beiwagen B2, die Kleinlok „Lina“und weitere Fahrzeuge. Und die erhalten gebliebene­n Fahrzeuge von 1898 sind noch betriebsbe­reit und werden bei Sonderfahr­ten wie am Samstag und bei regelmäßig­en „Mondschein­fahrten“noch genutzt und so auf Trab gehalten.

Die Trossinger Eisenbahn eröffnet am 14. Dezember 1898 mit einem zweitägige­n Fest ihren Betrieb. „Somit“, so der Freundeskr­eis, „ist das Pfarrdorf Trossingen mit knapp über 3000 Einwohnern stolzer Besitzer einer elektrisch­en Eisenbahn sowie eines EWerkes. Gleichzeit­ig ist es der erste Ort weit und breit mit elektrisch­er Straßenbel­euchtung. Gaslampen hat es in Trossingen nie gegeben!“

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FOTO: FREUNDESKR­EIS TROSSINGER EISENBAHN E.V. Die „grüne Garnitur“mit der historisch­en Lok „Lina“von 1898.

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