Kirchenläuten zum Weltfriedenstag
Gotteshäuser erklingen am Freitag von 18 bis 18.15 Uhr – Ein Zeichen zum innehalten
TUTTLINGEN - Die Kirchtürme in Tuttlingen und anderen Kommunen im Kreis läuten am heutigen Freitag für eine Viertelstunde. Von 18 bis 18.15 Uhr möchten die beiden christlichen Kirchen damit die Menschen erreichen, sie verbinden und bewegen. Die Aktion ist Teil des europaweiten Glockenläutens zum heutigen Weltfriedenstag.
Das Glockenläuten steht laut des evangelischen Dekans, Sebastian Berghaus, auch im Zeichen des Endes beziehungsweise des Anfangs zweier großer Kriege, denen im diesen Jahr gedacht wird: zum einen das Ende des Ersten Weltkriegs vor hundert Jahren sowie dem Ausbruch des 30-jährigen Kriegs vor 400 Jahren. Die Kirche hofft, dass die Menschen durch das Glockenläuten in erneuten Zeiten einer durchaus politisch angespannten Lage etwas wachgerüttelt werden.
„Wir müssen erneut um den Frieden und Zusammenhalt in der Gesellschaft fürchten“, betont Berghaus. Die politischen Konflikte würden – nicht nur im Ausland – wieder heftiger ausgetragen, die Stimmung sei aufgeheizter. Das habe man zuletzt bei den rechten Aufmärschen in Chemnitz gesehen. Die geschürte Angst lähme viele Menschen. Das wiederum käme den Nutznießern dieser Gemengelage gelegen. „Wenn wir dem nicht entgegentreten, hätten sie gewonnen“, meint Berghaus. Frieden nicht selbstverständlich Der Dekan verweist dabei auf eine Plakat-Aktion der AfD, die in Bayern für eine islamfreie Schule warb: „Jeder, der den sozialen Frieden will, muss erstaunt darüber sein, dass Menschen mit einem hohen Schulabschluss auf solche Ideen kommen“, sagt Berghaus, der den Rechtsruck der Partei ablehnt. Die Kirche setze sich für einen freundschaftlichen Austausch zwischen Christen und Muslimen ein. Auch die Ausgrenzung von Menschen sei mit den kirchlichen Werten nicht vereinbar.
Berghaus verweist darauf, dass es den Menschen in Deutschland derzeit so gut gehe wie vielleicht noch nie in der Geschichte des Landes. Dazu zählt er auch die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs (1945) herrschende Periode des Friedens, die in dieser Form in der deutschen Geschichte kaum zu finden ist.
Die evangelische Kirche in Deutschland (EKD) bezeichnet „Frieden im biblischen Sinne als mehr als nur die Abwesenheit von Krieg“. Frieden bedeute, eine gute Beziehung zu haben: zu anderen Menschen, zu sich und zu Gott: „Frieden ist die Situation, in der menschliches Leben und Zusammenleben in jeglicher Hinsicht so ist, dass es den Menschen gut geht“, heißt es bei der EKD.
Das sei nicht immer leicht, da das Leben und seine Zusammenhänge nicht mehr unbedingt überschaubar seien. „Das war eigentlich schon immer so. Aber heute hat ein Teil der Bevölkerung das Gefühl, abgehängt worden zu sein“, sagt Berghaus. Reichtum, Wohlstand und Teilhabe hingen vor allem in Deutschland auch von der Bildung und der Herkunft ab: Ein gesellschaftlicher Ausgleich sei notwendig.
„Glocken waren es, die seit dem 30-jährigen Krieg bis zum Ersten Weltkrieg immer wieder zerstört und zu Kanonen eingeschmolzen wurden. Welches Kulturerbe wäre besser geeignet, um im Gedenkjahr 2018 in einem großen Miteinander ein Zeichen für den Frieden zu setzen“, heißt es in der Ankündigung zum heutigen Gedenktag vonseiten der beiden christlichen Kirchen. Einheit und Hamburg-Flut Der Frieden sei laut Berghaus aber kein Automatismus: „Er gelingt nur, wenn die Menschen dafür einstehen“, sagt er. Das Glockenläuten soll dabei einen spirituellen Impuls geben. Ereignisse, zu denen in der Vergangenheit in Deutschland bereits die Kirchenglocken im Kollektiv geläutet haben, waren etwa die Deutsche Einheit 1990 oder die große Flut in Hamburg 1962.