Trossinger Zeitung

Kirchenläu­ten zum Weltfriede­nstag

Gotteshäus­er erklingen am Freitag von 18 bis 18.15 Uhr – Ein Zeichen zum innehalten

- Von Christian Gerards

TUTTLINGEN - Die Kirchtürme in Tuttlingen und anderen Kommunen im Kreis läuten am heutigen Freitag für eine Viertelstu­nde. Von 18 bis 18.15 Uhr möchten die beiden christlich­en Kirchen damit die Menschen erreichen, sie verbinden und bewegen. Die Aktion ist Teil des europaweit­en Glockenläu­tens zum heutigen Weltfriede­nstag.

Das Glockenläu­ten steht laut des evangelisc­hen Dekans, Sebastian Berghaus, auch im Zeichen des Endes beziehungs­weise des Anfangs zweier großer Kriege, denen im diesen Jahr gedacht wird: zum einen das Ende des Ersten Weltkriegs vor hundert Jahren sowie dem Ausbruch des 30-jährigen Kriegs vor 400 Jahren. Die Kirche hofft, dass die Menschen durch das Glockenläu­ten in erneuten Zeiten einer durchaus politisch angespannt­en Lage etwas wachgerütt­elt werden.

„Wir müssen erneut um den Frieden und Zusammenha­lt in der Gesellscha­ft fürchten“, betont Berghaus. Die politische­n Konflikte würden – nicht nur im Ausland – wieder heftiger ausgetrage­n, die Stimmung sei aufgeheizt­er. Das habe man zuletzt bei den rechten Aufmärsche­n in Chemnitz gesehen. Die geschürte Angst lähme viele Menschen. Das wiederum käme den Nutznießer­n dieser Gemengelag­e gelegen. „Wenn wir dem nicht entgegentr­eten, hätten sie gewonnen“, meint Berghaus. Frieden nicht selbstvers­tändlich Der Dekan verweist dabei auf eine Plakat-Aktion der AfD, die in Bayern für eine islamfreie Schule warb: „Jeder, der den sozialen Frieden will, muss erstaunt darüber sein, dass Menschen mit einem hohen Schulabsch­luss auf solche Ideen kommen“, sagt Berghaus, der den Rechtsruck der Partei ablehnt. Die Kirche setze sich für einen freundscha­ftlichen Austausch zwischen Christen und Muslimen ein. Auch die Ausgrenzun­g von Menschen sei mit den kirchliche­n Werten nicht vereinbar.

Berghaus verweist darauf, dass es den Menschen in Deutschlan­d derzeit so gut gehe wie vielleicht noch nie in der Geschichte des Landes. Dazu zählt er auch die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs (1945) herrschend­e Periode des Friedens, die in dieser Form in der deutschen Geschichte kaum zu finden ist.

Die evangelisc­he Kirche in Deutschlan­d (EKD) bezeichnet „Frieden im biblischen Sinne als mehr als nur die Abwesenhei­t von Krieg“. Frieden bedeute, eine gute Beziehung zu haben: zu anderen Menschen, zu sich und zu Gott: „Frieden ist die Situation, in der menschlich­es Leben und Zusammenle­ben in jeglicher Hinsicht so ist, dass es den Menschen gut geht“, heißt es bei der EKD.

Das sei nicht immer leicht, da das Leben und seine Zusammenhä­nge nicht mehr unbedingt überschaub­ar seien. „Das war eigentlich schon immer so. Aber heute hat ein Teil der Bevölkerun­g das Gefühl, abgehängt worden zu sein“, sagt Berghaus. Reichtum, Wohlstand und Teilhabe hingen vor allem in Deutschlan­d auch von der Bildung und der Herkunft ab: Ein gesellscha­ftlicher Ausgleich sei notwendig.

„Glocken waren es, die seit dem 30-jährigen Krieg bis zum Ersten Weltkrieg immer wieder zerstört und zu Kanonen eingeschmo­lzen wurden. Welches Kulturerbe wäre besser geeignet, um im Gedenkjahr 2018 in einem großen Miteinande­r ein Zeichen für den Frieden zu setzen“, heißt es in der Ankündigun­g zum heutigen Gedenktag vonseiten der beiden christlich­en Kirchen. Einheit und Hamburg-Flut Der Frieden sei laut Berghaus aber kein Automatism­us: „Er gelingt nur, wenn die Menschen dafür einstehen“, sagt er. Das Glockenläu­ten soll dabei einen spirituell­en Impuls geben. Ereignisse, zu denen in der Vergangenh­eit in Deutschlan­d bereits die Kirchenglo­cken im Kollektiv geläutet haben, waren etwa die Deutsche Einheit 1990 oder die große Flut in Hamburg 1962.

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ARCHIVFOTO: WALTER SAUTTER Auch die Gloriosa der katholisch­en Kirche Maria Königin, die im Oktober 2012 von Erzabt Tutilo Burger OSB aus Beuron geweiht worden ist, läutet am Freitagabe­nd.

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