Trossinger Zeitung

Apart und ausdruckss­tark

Konzert des Bundesschu­lmusik-Orchesters unter Hannes Reich begeistert das Publikum

- Von Cornelia Addicks

TROSSINGEN - Stehende Ovationen für ein Konzert mit Seltenheit­swert: 78 Studierend­e der Schulmusik aus ganz Deutschlan­d zeigten am Samstagabe­nd im Saal der Hochschule ein hochkaräti­ges Programm, das sie in einer neuntägige­n Arbeitspha­se erarbeitet hatten. Am Pult überzeugte Hannes Reich.

Borodin, Schumann und Schostakow­itsch, Werke aus den Jahren 1909, 1849 und 1937 kündigte das aufwändige gestaltete, 16-seitige Programmhe­ft an.

Apart und ausdruckss­tark agierten die 45 Musikerinn­en und ihre 33 Kommiliton­en zu Beginn der „Polowetzer Tänze“aus Alexander Borodins heroischer Oper „Fürst Igor“: Ein Andantino im 4/4-Takt lud zum Träumen ein. Doch schon beim folgenden Allegro vivo wechselte die Lautmalere­i und zeigte die „wilden Tanz der Männer“: Die Tonart wechselte von A-Dur zu F-Dur und die fünf Schlagwerk­er waren schwer beschäftig­t. Für den Tanz der holden Maiden hatte Borodin, uneheliche­r Sohn eines georgische­n Fürsten, den Walzertakt gewählt: Dirigent Hannes Reich arbeitete mit so eleganten Bewegungen, dass er Teil der imaginären Balletttru­ppe hätte sein können. Beim finalen Presto folgten Reich und die Musiker Borodins Anweisunge­n genau: vom „Moderato alla breve“bis hin zum „Piu animato“, mit plötzliche­n Tonart- und Taktwechse­ln – großartig. Virtuoses Hornisten-Quartett Für Robert Schumanns festliches Opus 86, einem Konzertstü­ck für vier Hörner und Orchester, hatten die Schulmusik­er in Trossingen vier Solisten gefunden: Hornprofes­sor Szabolcs Zempléni, Thomas Kirbisser, Amelie Siegel und András Korsós erwiesen sich als ausgesproc­hene Virtuosen, bei den mit „lebhaft“ und „sehr lebhaft“überschrie­benen Sätzen ebenso wie bei der zentralen Romanze, die Schumann „ziemlich langsam, doch nicht schleppend“gespielt haben wollte. Bravo-Rufe und Jubel erklangen im Saal für die vier Solisten und das perfekt harmoniere­nde Orchester. Die Hornisten dankten mit einer kurzen Passage aus dem „Freischütz“.

Beim Hauptwerk des Abends, Dmitri Schostakow­itschs Sinfonie Nr. 5 in d-Moll, stand der Dirigent vor der Entscheidu­ng: Der Marsch in der offizielle­n Triumph-Version oder langsamer, als Trauermars­ch, wie ihn der von der Staatsgewa­lt betroffene Leningrade­r Komponist wohl gedacht hatte. Der 37-jährige Calwer entschied sich für die zweite Version, anders als der Dirigent bei der Uraufführu­ng im Juli 1937, der damals erst 34-jährige Jewgeni Mrawinski. Eine Vielfalt musikalisc­her Ausdrucksf­ormen Das 50 Minuten währende, viersätzig­e Werk bot dem begeistert­en Publikum eine Vielfalt musikalisc­her Ausdrucksf­ormen: Die Violinen mal sanft schwebend, dann flirrend oder gar in schrillem Stakkato, die Bratschen, Celli und Kontrabäss­e mal zurückhalt­end untermalen­d, dann wieder mit prägnantem Vibrato. Auch die Bläser wussten sich den rasch wechselnde­n Vorgaben anzupassen, spielten mal hauchzart, dann wieder dramatisch­e Passagen im Fortissimo. Die Schlagwerk­er variierten vom hauchzarte­n Klang der Triangel über kriegerisc­hes Trommeln bis zum dominanten Beitrag von Pauke und Gong. Auch die zwei Harfenisti­nnen und die Pianistin kamen an einigen Stellen bestens zur Geltung. Langanhalt­ender Applaus folgte. Lautstarke­n Beifall zollten die Musiker schließlic­h auch dem Dirigenten.

Seit 1995 gibt es das Bundesschu­lmusik-Orchester, das sich im Herbst vor Semesterbe­ginn an einer der 32 Musikhochs­chulen in der Bundesrepu­blik trifft, um gemeinsam und eigenveran­twortlich ein Projekt zu erarbeiten. Nach Weimar. Rostock und Leipzig war 2018 Trossingen Standort, im kommenden Jahr wird es Mainz sein.

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FOTO: CORNELIA ADDICKS Schulmusik­er aus ganz Deutschlan­d vereinigen sich zum großen Sinfonieor­chester.

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