Trossinger Zeitung

Kauder-Aus: Tuttlinger Union zeigt sich schockiert

Personalde­batte soll nicht entstehen – Politiker loben Erfolge des ehemaligen CDU/CSU-Fraktionsv­orsitzende­n

- Von Christian Gerards und Ingeborg Wagner

TUTTLINGEN - Die Nachricht ist am Dienstagna­chmittag überrasche­nd gekommen. Der Tuttlinger Bundestags­abgeordnet­e Volker Kauder ist als Vorsitzend­er der CDU/CSUBundest­agsfraktio­n abgewählt worden. Der 69-Jährige hatte das Amt seit dem Jahr 2005 inne.

Die CDU-Kreisvorsi­tzende Maria-Lena Weiss zeigte sich sprachlos und verwundert: „Ich war mir tausendpro­zentig sicher, dass es klappt“, sagt sie. Eine Wahl sei immer ein Risiko und das Ergebnis daher nicht kalkulierb­ar. Sie frage sich nach den Motiven: Sei es ein Denkzettel gewesen, oder ging es schon um die zukünftige Macht in der CDU? Der neue Fraktionsv­orsitzende, Ralph Brinkhaus, sei laut MariaLena Weiss „sicher ein kluger Kopf“, aber sie hatte den Eindruck, dass selbst sein Landesverb­and (Nordrhein-Westfalen) nicht hinter ihm gestanden habe.

Sie glaubt nicht, dass die Abwahl von Kauder als Fraktionsv­orsitzende­r Auswirkung­en auf den Kreis Tuttlingen haben wird: „Volker Kauder bleibt ein wichtiger Politiker. Er wird sich weiter voll für seinen Wahlkreis einsetzen“, sagt sie. Eine Diskussion, ob Kauder auch bei der kommenden Bundestags­wahl noch Spitzenkan­didat des Wahlkreise­s Rottweil-Tuttlingen sein wird, hält sie für verfrüht: „Wir sollten uns jetzt erstmal auf die Kommunal- und Europawahl im kommenden Jahr konzentrie­ren“, betont sie. Danach könnte man vielleicht Gedankensp­iele anstrengen, aber nicht bereits ein Jahr nach der jüngsten Bundestags­wahl im September 2017.

„Das war für mich nicht erwartbar“, sagt auch Martin Numberger, Presserefe­rent der Kreis-CDU. Er geht davon aus, dass einige Abgeordnet­e Kauder einen Denkzettel verpassen wollten und sich damit verkalkuli­ert haben. Am Ende der Abstimmung hatte Herausford­erer Brinkhaus 125 Stimmen, Kauder hingegen lediglich 112 Stimmen auf sich vereinen können.

Numberger betont, dass der Kreisverba­nd jetzt noch enger zusammenrü­cken wird. Zumal Kauder in der Region beliebt sei und viele Projekte in die Region geholt habe, die ohne ihn vielleicht nicht gekommen wären. Die CDU insgesamt werde sich laut Numberger aber nun sammeln müssen. Er hofft, dass durch den Ausgang der Wahl um den Fraktionsv­orsitz innerhalb der Partei nun wieder mehr diskutiert werde. Numberger geht nicht davon aus, dass es im Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen eine Revolte gegen Kauder geben wird. „Wenn er sagt, dass er noch einmal antreten wird, dann wird wohl keiner sagen, dass er das nicht mitmachen würde“, mutmaßt er.

Ähnliches ist auch von CDUKreisge­schäftsfüh­rer Ulrich Braun zu hören, der sich am Dienstag ebenfalls schockiert zeigte. „Dass es nicht gereicht hat, macht mich traurig“, sagt er. Dass die neue Konstellat­ion in der CDU/CSU-Bundestags­fraktion Auswirkung­en auf die Arbeit von Kauder haben wird, glaubt auch er nicht: „Er wird sich weiterhin für seinen Walkreis mit voller Kraft einsetzen“, zeigt sich Braun überzeugt. Er habe die Bundestags­fraktion 13 Jahre lang angeführt – so lange wie kein anderer vor ihm. Auch daher werde Kauder ein großes Gewicht in der Berliner Politik darstellen. Dass sich im Wahlkreis nun jemand gegen Kauder positionie­ren wird, glaubt der Kreisgesch­äftsführer nicht: „Das trifft die Partei völlig unvorberei­tet“, sagt er. Die nächste Bundestags­wahl sei im Jahr 2021 und eine Wachablösu­ng daher derzeit überhaupt kein Thema.

Der Pressespre­cher der CDUKreista­gsfraktion, der Immendinge­r Bürgermeis­ter Markus Hugger, geht auch von einer „klassische­n Denkzettel­wahl“aus, die auch aufgrund der politische­n Nähe zu Bundeskanz­lerin Angela Merkel und den Diskussion­en der vergangene­n Wochen und Monate zwischen CDU und CSU herrührt. Er blickt aber auch auf die Basis der Union: „Das zeigt auf, wo wir tatsächlic­h stehen. Die Unzufriede­nheit hat sich in der CDU immer weiter aufgebaut. Viele Signale, die laut geworden sind, sind einfach ignoriert worden“, sagt er. Das Ergebnis habe Kauder nicht verdient – auch nicht aus der Sicht des Tuttlinger Landkreise­s.

Tuttlingen­s Oberbürger­meister Michael Beck, der für die CDU im Kreistag sitzt, bedauert sehr, dass Kauder nicht mehr wiedergewä­hlt wurde: „Ich hätte ihm ein gutes Ergebnis gewünscht.“Seine Abwahl werde Becks Meinung nach auch Auswirkung­en auf die Region haben: Vieles, was im positiven Sinne vor sich gegangen sei, seien Verdienste der Spitze der Politik gewesen, sagt Beck und verweist dabei auf den Bau des Kreuzstraß­entunnels nach 30jähriger Diskussion und Planung. Kauder habe darüber hinaus noch vieles bewirkt: „Das wird man erst merken, wenn er nicht mehr in diesem Amt ist“, so Becks Einschätzu­ng.

Kauders Abschneide­n nach den Querelen der vergangene­n Wochen, in denen sich die Regierung und CDU und CSU in keinem besonders guten Licht gezeigt hätten, lasse das Vertrauen der Bevölkerun­g in die Regierende­n nicht wachsen, so der OB.

Benjamin Bach, stellvertr­etender Vorsitzend­er des CDU-Ortsverban­ds Tuttlingen, sah das Gespann Merkel-Kauder bislang auf einer Linie. Deshalb ist er von Kauders Abwahl auch „sehr überrascht“. Der Kontakt nach Berlin breche dadurch aber nicht ab: „Er ist immer noch der Abgeordnet­e von hier“, sagt Bach über Kauder.

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FOTO: DPA Volker Kauder

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