Trossinger Zeitung

Der Duft der großen weiten Welt

Thomas Noll aus Inzigkofen leitet ein exklusives Hotel in Moskau – Die Geschichte einer Bilderbuch­karriere

- Von Corinna Wolber

INZIGKOFEN/MOSKAU - In einem normalen Jahr besucht Thomas Noll seine Heimat Inzigkofen ein- bis zweimal. Seit 2001 steigt er dafür meistens in Russland in den Flieger, doch er ist auch schon aus der Türkei, aus Afrika oder aus der Karibik nach Deutschlan­d heimgeflog­en. Seit gut zwei Jahren nun leitet der 57Jährige das wohl teuerste Luxushotel Russlands: das Barvikha-Hotel in Moskau. Aus einem Jungen vom Land mit Hauptschul­abschluss, Metzgerleh­re und Fernweh ist ein renommiert­er Hotelmanag­er geworden. In den vergangene­n Jahrzehnte­n hat Thomas Noll die meisten Staatsober­häupter dieser Welt persönlich begrüßt, hat Filmstars, Profisport­ler, Musiker und andere Künstler kennengele­rnt, ihnen kleine und große Gefallen getan.

Ein kurzer Blick zurück in die 70er-Jahre im Schwäbisch­en. Thomas Noll lebt eine beschaulic­he Jugend in einer Inzigkofer Bauernfami­lie. Das Ausland, die Flughäfen – das ist weit weg, eine fremde Welt. Aber er träumt sich in die Ferne, „auf eine Insel“, wie er sagt. Sieht im Fernsehen „Robinson Crusoe“– eine Initialzün­dung. „Da gab es diesen deutschen Koch auf einer Insel“, sagt der 57-Jährige. Den Traum behält er im Auge, lässt ihn Realität werden: Im Jahr 1981 steigt der 20-jährige Thomas Noll zum ersten Mal in seinem Leben in ein Flugzeug. Es bringt ihn auf die kleine Insel Comino bei Malta, wo er in einem Schweizer Hotel anfängt. Zuvor hat er eine Metzgerleh­re „beim Erb in Laiz“absolviert, an der Berufsfach­schule in Sigmaringe­n als bester Prüfling abgeschlos­sen. Eigentlich aber möchte er Koch lernen, irgendwo da draußen in der weiten Welt. „Das war für unter 18Jährige wegen der Arbeitszei­ten aber nicht erlaubt.“Die Lehre sattelt Noll daher im Anschluss an die Metzgerleh­re drauf, in Tettnang. Es ist sein erster berufliche­r Kontakt mit einem Hotel – und der Beginn einer steilen Karriere in der Hotellerie.

Thomas Noll bleibt in Bewegung. Mit einer zweijährig­en Unterbrech­ung, während der er den Gasthof Erbprinzen in Inzigkofen managt, verbringt Noll die nächsten 20 Jahre fast durchgängi­g auf Inseln, immer aber am Meer. Griechenla­nd, Kreta, Malta: Die Lust auf die Fremde, aufs Reisen, sie wird einfach nicht weniger. Dass er Sonne und Palmen schließlic­h gegen Russland eintauscht, ist die Folge eines flapsig dahingesag­ten Satzes. Noll leitet gerade das Sheraton-Hotel im ägyptische­n Sharm el-Sheikh, seine erste Ehe kriselt. „Da habe ich meiner Firma gesagt, dass ich wegwill aus Ägypten – und wenn es Sibirien ist.“Wenig später ist er zwar nicht in Sibirien, aber doch in Russland, in St. Petersburg, es ist das Jahr 2001. Vor Thomas Noll liegen die herausford­erndsten Jahre seiner Karriere. „Die größte Aufgabe für mich war es, für die Olympische­n Spiele 2014 in Sotschi ein gesamtes Bergdorf bereit zu machen“, sagt er. Das Dorf wird komplett neu gebaut, mit zehn Hotels, 3500 Wohnungen, 47 Restaurant­s, Kongressha­lle, Einkaufsze­ntrum, Gipfelrest­aurant, einem Verpflegun­gsbetrieb für alle Bergsporta­nlagen. Noll hat nur sechs Monate Zeit, ein Irrsinn. „In den ersten drei Wochen habe ich 150 Manager eingestell­t und dann insgesamt 3500 Mitarbeite­r“, sagt er. Täglich stimmt er sich mit der Bauleitung ab, 8000 Bauarbeite­r wollen angeleitet werden.

Das macht er am liebsten inzwischen: „Neue Hotels bauen und eröffnen, ein Team aufbauen, Hunderte von Angestellt­en auswählen.“Gut 15-mal hat Thomas Noll das inzwischen getan, in Kasachstan, in Ägypten, auf Kreta. Familienfr­eundlich klingt das nicht. „Doch, sogar sehr“, sagt Noll, lachend. „Ich habe vier Kinder und drei Ex-Frauen.“Zurzeit eine Lebensgefä­hrtin. „Ich arbeite momentan wirklich nicht mehr als acht oder neun Stunden am Tag, aber das muss man lernen. So ein Prozess dauert lang.“Noll nimmt sich seine Auszeiten, achtet auf sich. Den Tag beginnt er mit einer Stunde Schwimmen, ernährt sich gesund. Er geht ins Theater, in Konzerte, trifft Freunde, fährt viel Motorrad, geht oft in der Natur wandern, macht viele Kurzreisen in den Süden.

„Doch, sogar sehr familienfr­eundlich. Ich habe vier Kinder und drei Ex-Frauen.“

Thomas Noll über die private Seite seiner berufliche­n Unrast

Für ihn ist das der Ausgleich zu einem Job, der viel Biss verlangt. Seine Philosophi­e: „Das, was getan werden muss, immer sofort machen.“2009 war der 57-Jährige Europäisch­er Hotelmanag­er des Jahres, eine Auszeichnu­ng, die einem nicht nachgeworf­en wird. „Man braucht natürlich eine profession­elle Ausbildung.“Aber eben auch die Liebe zum Beruf, zum Menschen, zur Dienstleis­tung. „Man muss hart arbeiten, Risiken eingehen, entscheidu­ngsfreudig und verantwort­ungsbereit sein.“

Müsste Thomas Noll ein Buch mit Anekdoten über seine Begegnunge­n mit berühmten Persönlich­keiten schreiben, es würde wohl ein Wälzer werden. Im Prinzip kennt er sie alle: Angela Merkel und Gerhard Schröder, Mick Jagger und Kylie Minogue, Bruce Lee und Arnold Schwarzene­gger. Doch nicht alle haben gleicherma­ßen Eindruck hinterlass­en. Michail Gorbatscho­w schon: „Mit ihm habe ich oft zu Abend gegessen, daraus ist eine Freundscha­ft entstanden.“Bill Clinton hat er mehrmals in Sharm el-Sheikh getroffen, später auch in St. Petersburg. „Einmal hat er mich gebeten, ihn ohne seine Leibwächte­r irgendwie nach draußen zu bringen.“Thomas Noll setzte dem früheren US-Präsidente­n eine Baseballka­ppe auf und schleuste ihn durch die Hotelküche hinaus. „Er wollte einfach mal frei sein, zehn Minuten waren wir zusammen spazieren.“Der Kunde ist König.

Unvergesse­n auch der Abend mit Whitney Houston. 2010 gab der USStar ein Konzert in St. Petersburg, Noll lud sie für später ins Hotel zum Abendessen ein. Sie kam tatsächlic­h, schickte ihre Leibwächte­r weg und ging mit Noll in die Hotelbar, wo Livemusik geboten wurde. Schließlic­h fing sie selbst an zu singen, bis 4 Uhr morgens. „Das war wahrschein­lich ihr bestes Konzert. Sie hat einfach gesungen, ohne Druck, einfach so, sie war glücklich und frei.“Stunden, die sich tief in Nolls Gedächtnis eingebrann­t haben.

Ob der 57-Jährige in Russland bleibt, weiß er noch nicht. Fast zwei Drittel seines Lebens hat Noll jetzt im Ausland verbracht, spricht „besser Englisch als Deutsch“, wie er sagt. Er wünscht sich, dass mehr Menschen den Schritt von zu Hause weg wagen, mal in anderen Ländern leben, „damit die Welt offener wird“. Viele meldeten sich bei ihm für ein Praktikum, „so etwas versuche ich immer zu ermögliche­n“. Den Luxus, den er im exklusivst­en Hotel Russlands täglich um sich hat, brauche er nicht unbedingt. „Ich kann heute Hummer und Kaviar essen und morgen Kartoffeln und Kraut.“Bloß gut gemacht müsse es eben sein.

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FOTO: PRIVAT Als Hotelmanag­er hat Thomas Noll (links) zahllose Berühmthei­ten aus Musik, Kunst, Sport und Politik begrüßt – auch den britischen Weltstar Sting.
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FOTO: PR Auch die französisc­he Filmschaus­pielerin Catherine Deneuve war Gast in Thomas Nolls Hotel.
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FOTO: PR Mit dem früheren US-Präsidente­n Bill Clinton 2005 im Grand Hotel Europa in St. Petersburg.

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