Trossinger Zeitung

„Es hat sich viel Unmut aufgestaut“

CDU-Landesgrup­penchef Andreas Jung über Volker Kauder, die Fraktion und die Zukunft

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BERLIN - Die Abwahl des Unionsfrak­tionsvorsi­tzenden Volker Kauder war ein Ventil, sagt Andreas Jung, der CDU-Landesgrup­penchef. In der Fraktion hätte sich über längere Zeit Unmut aufgebaut. Mit Volker Kauders Sturz hat die Landesgrup­pe einen mächtigen Mitspieler in Berlin weniger. Darüber, was das bedeutet, und wie es weitergeht, sprach Sabine Lennartz mit dem Konstanzer Abgeordnet­en. Herr Jung, ist der Sturz von Volker Kauder für Sie ein Putsch? Das war kein Putsch, sondern eine demokratis­che Entscheidu­ng, bei der zwei Kandidaten zur Wahl standen. Volker Kauder hatte als BadenWürtt­emberger in unserer Landesgrup­pe einen starken Rückhalt, die Mehrheit hat aber anders entschiede­n – aus Gründen, die über die eigentlich­e Personalfr­age hinausgehe­n. Es hat sich in den letzten Monaten viel an Unmut aufgestaut, auch in der Fraktion. Die Koalition war angetreten, Vertrauen wiederzuge­winnen. Wir mussten aber einen Dauerstrei­t ertragen. Da hat sich bei vielen über längere Zeit etwas aufgebaut und dafür war die Wahl gestern ein Ventil. Sie sagen indirekt, dass das Ziel eher die Kanzlerin war. Wie geschwächt ist sie? Sie hat gemeinsam mit Horst Seehofer für Volker Kauder geworben und danach eingeräumt, dass es eine Niederlage sei. Entscheide­nd ist, dass die Parteichef­s in der Wahl ein Signal sehen können, dass die ständigen Querelen ein Ende haben müssen und man zu konstrukti­ver Arbeit und einem besseren Arbeitssti­l finden muss. Dann kommen wir gemeinsam auf einen guten Weg. Kann die Kanzlerin wieder in die Offensive kommen? Sowohl sie als auch Ralph Brinkhaus haben erklärt, dass sie eng zusammenar­beiten wollen. Ich habe Zutrauen, dass das gut gelingen kann und wir mit Regierung und Fraktion gemeinsam die Herausford­erungen anpacken. Wie haben Sie Volker Kauder erlebt nach der Niederlage? Für ihn ist das ohne Frage bitter, er hat 13 Jahre erfolgreic­h als Fraktionsv­orsitzende­r gearbeitet, immer wieder vermittelt und die Fraktion zusammenge­führt. Er hat das auf einem klaren Wertefunda­ment getan, christlich­e Werte sind ihm besonders wichtig. So hat er etwa durch sein nachhaltig­es Engagement für Religionsf­reiheit viel bewirkt. Das alles wird bleiben. Auch für die baden-württember­gische Landesgrup­pe ist Kauders Abwahl ein Schlag. Sie hat Jahrzehnte immer entweder den Fraktionsv­orsitz oder den Parlamenta­rischen Geschäftsf­ührer gestellt. Wie geht es da weiter? Wir sind 38 Abgeordnet­e, das ist eine starke Landesgrup­pe. Wir haben jetzt eine wichtige Funktion verloren und werden uns nun neu sortieren und aufstellen. Aber klar ist: Wir werden uns auch künftig kraftvoll einbringen. Die Fraktionsv­izes stehen fest, bleibt da nicht nur der Fraktionsv­ize für Finanzen oder der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer? Zu konkreten Möglichkei­ten können wir noch nichts sagen. Aber natürlich muss sich die Stärke der badenwürtt­embergisch­en Landesgrup­pe in der Gesamtaufs­tellung wiederfind­en. Baden-Württember­g hat keine Minister mehr, keinen Fraktionsv­orsitzende­n. Fühlt sich die Landesgrup­pe jetzt unterreprä­sentiert? Wir haben mit Wolfgang Schäuble den Bundestags­präsidente­n und damit den zweiten Mann im Staat in unseren Reihen. Annette WidmannMau­z sitzt als Staatsmini­sterin am Kabinettst­isch und wir sind mit vier starken Staatssekr­etären vertreten: Thomas Bareiß, Norbert Barthle, Steffen Bilger und Hans-Joachim Fuchtel. In der Fraktion ist Stephan Harbarth gestern mit dem besten Ergebnis aller Stellvertr­eter für das wichtige Ressort Innen und Recht bestätigt worden. Darauf bauen wir jetzt auf. Was wird anders mit einem Fraktionsc­hef Ralph Brinkhaus? Das werden die kommenden Wochen und Monate zeigen. Er hat jetzt die Chance, das in der konkreten Arbeit zu zeigen. Wir werden ihn dabei konstrukti­v begleiten. Könnte vom frischen Wind in der Unionsfrak­tion auch die Große Koalition profitiere­n? Ich würde eher von einem Signal sprechen: Konzentrie­rt euch auf die Herausford­erungen, die buchstäbli­ch auf der Straße liegen – etwa Wohnen, Pflege, Investitio­nen! Kümmert euch um die Themen und weniger um Euch selbst!

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FOTO: DPA Blick in den Plenarsaal des Bundestags.
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FOTO: MELDE Andreas Jung

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