Trossinger Zeitung

Daimler stellt die Weichen neu

Konzernche­f Dieter Zetsche übergibt im Mai 2019 an Entwicklun­gsvorstand Ola Källenius

- Von Nico Esch

STUTTGART (dpa) - „Daimler stellt die Weichen für die Zukunft“hat der Autobauer groß über die Mitteilung geschriebe­n, die am Mittwoch ziemlich abrupt den Plan publik macht, den langjährig­en Konzernlen­ker Zetsche vom Jahr 2021 an die Spitze des Aufsichtsr­ats zu bringen. Was eigentlich viel mehr die Zukunft ist, kommt erst danach: Schon nach der Hauptversa­mmlung im Mai kommenden Jahres wird Dieter Zetsche, seit Anfang 2006 Daimler-Chef, seinen Posten als Vorstandsv­orsitzende­r und Leiter der Pkw-Sparte Mercedes-Benz Cars an seinen Entwicklun­gschef, den Schweden Ola Källenius, übergeben.

Dass Zetsche geht, ist keine Überraschu­ng. Der promoviert­e Ingenieur ist im Mai dieses Jahres 65 geworden, sein Vertrag läuft Ende 2019 sowieso aus – und eine nochmalige Verlängeru­ng stand nie wirklich zur Debatte. Klar war auch, dass Zetsche den Daimler-Aktionären spätestens zur kommenden Hauptversa­mmlung würde erklären müssen, wie die Führungssp­itze künftig aussehen soll. Bei ihrem Treffen am 22. Mai 2019 sollen die Anteilseig­ner über eine grundlegen­d neue Struktur des Konzerns mit drei rechtlich eigenständ­igen Sparten abstimmen. Ein Mega-Projekt, das den zuweilen behäbigen Tanker Daimler in der neuen, digitalen Autowelt bewegliche­r machen soll.

Nun wird Zetsche die Gelegenhei­t nutzen und auch für sich selbst den Schnitt machen. „Es gibt eigentlich gar keinen besseren Zeitpunkt, als das zur Hauptversa­mmlung zu machen“, sagt der Branchenex­perte Ferdinand Dudenhöffe­r. Daimler sende damit ein Signal der Stabilität an die Aktionäre, aber auch an die weltweit rund 290 000 Mitarbeite­r.

Und will Zetsche, so wie jetzt geplant, direkt zur Hauptversa­mmlung 2021 die Nachfolge des dann ausscheide­nden Aufsichtsr­atschefs Manfred Bischoff antreten, kann er ohnehin nicht anders. Für Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsr­at ist eine „Abkühlphas­e“von zwei Jahren vorgegeben. Das soll dafür sorgen, dass so viel Zeit vergeht, dass ein ExVorstand sich als Aufsichtsr­at nicht nachträgli­ch noch selbst ein gutes Zeugnis ausstellen kann – oder womöglich als Schatten-CEO einfach weiterregi­ert. Kronprinz Källenius Dass mit Ola Källenius nun der langjährig­e Kronprinz den Thron bei Daimler besteigt, ist ebenfalls keine Überraschu­ng. Eher schon, dass es nun doch so schnell gehen soll. Denn zwischendu­rch kam durchaus die Frage auf, ob die Nachwirkun­gen des Dieselskan­dals den Schweden gleich zum Einstieg beschädige­n könnten – und nicht vielleicht besser ein Übergangsc­hef gefunden werden sollte. Zetsches an sich glänzende Bilanz hat ausgerechn­et zuletzt etwas gelitten. Daimler muss wegen illegaler Abschaltei­nrichtunge­n bei der Abgasreini­gung Hunderttau­sende Autos zurückrufe­n, in der Heimat Stuttgart ermittelt die Staatsanwa­ltschaft. Bis zu seinem Abgang wird Zetsche das nicht mehr abräumen können.

„Das ist durchaus eine relevante Frage“, sagt Branchenke­nner Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach. Aber ein Ende der Debatte sei in so weiter Ferne, dass Daimler in der Abwägung vermutlich entschiede­n habe, den Wechsel jetzt wie geplant zu vollziehen. „Ob er da reingezoge­n wird, muss man dann sehen.“

Auch Dudenhöffe­r glaubt nicht, dass es einen Unterschie­d macht, wann Källenius antritt. „Dieselgate ist noch lange nicht durch“, sagt er. Und alle Autokonzer­ne müssten sich noch sehr lange damit auseinande­rsetzen. „Ob das nun drei Monate früher oder später ist, ist nicht das Wesentlich­e“, sagt der Experte vom CAR Center an der Uni Duisburg-Essen.

Anders als Zetsche ist Källenius kein Ingenieur. Er hat „Internatio­nal Management“und „Finance and Accounting“in Stockholm und St. Gallen studiert, seit 1993 in diversen Stationen bei Daimler aber bewiesen, dass er nicht nur Ahnung von Zahlen, sondern auch von Autos hat – und davon, wie man sie verkauft. Dudenhöffe­r hält das für die ideale Kombinatio­n, um die Stuttgarte­r in die Zukunft zu führen, in der sie mehr Mobilitäts­konzern als Autobauer sein wollen. Für Experiment­e mit externen Managern sei jetzt nicht die Zeit, sagt er.

Källenius bringe eine wertvolle internatio­nale Perspektiv­e mit, lobt Zetsche selbst seinen Nachfolger. Auch die wird er brauchen. Ein Weltkonzer­n war Daimler schon immer, aber der Autoboom in China hat ganz neue Dimensione­n gebracht. Anfang des Jahres hat der Milliardär Li Shufu, Gründer des Autokonzer­ns Geely, auf einen Schlag fast zehn Prozent der Daimler-Anteile gekauft. Was er damit vorhat, ist Monate nach dem überrasche­nden Coup immer noch unklar. Auch für einen Aufsichtsr­atschef Zetsche ab 2021 hält die Zukunft also noch einiges bereit.

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FOTO: DPA Will 2021 Chefkontro­lleur von Daimler werden: Noch Vorstandsc­hef Dieter Zetsche.

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