Trossinger Zeitung

Körper wie Skulpturen

Martha Graham Dance Company eröffnet Tanz-Saison in Friedrichs­hafen

- Von Katharina von Glasenapp

FRIEDRICHS­HAFEN – Sie war eine der Pionierinn­en des modernen Tanzes: Martha Graham gründete 1926 ihre eigene Tanzcompag­nie in New York. Sie schuf einen unverwechs­elbaren Stil und arbeitete noch 1991, kurz vor ihrem Tod im Alter von 96 Jahren, an einer Choreograf­ie für die Olympische­n Spiele. Ihre Stücke werden in der Martha Graham Dance Company weiter gepflegt. Junge Choreograf­en lassen sich von ihr inspiriere­n. Mit einem höchst vielschich­tigen und beeindruck­enden Programm eröffnete das Ensemble die Reihe der Tanzvorste­llungen im Graf-Zeppelin-Haus.

Martha Graham setzte sich mit den Traditione­n und Kulturen der Welt auseinande­r, amerikanis­che Volkskultu­r der Indianer, griechisch­e Mythologie, Psychologi­e, Philosophi­e flossen in ihre Stücke ein. Statt Spitzensch­uhen und Tutus sieht man fließende Kleider und barfuß tanzende Menschen, die Körper erscheinen wie bewegte Skulpturen. Janet Eilber, die künstleris­che Leiterin des Ensembles, hat Auszüge aus der im Original viel längeren Choreograf­ie „Dark Meadow“zusammenge­stellt. Zur Streicherm­usik von Carlos Chávez erlebt man die Begegnunge­n von Tänzerinne­n und Tänzern wie in einem Ritual, auf Zehenspitz­en und kräftig aufstampfe­nd bilden die Frauen eine Einheit. Nicht nur durch die Farben der Kostüme – Schwarz, Terrakotta, Weiß –, auch vor dem roten Hintergrun­d erinnern die Gruppen und Paare an antike griechisch­e Vasenbilde­r. Schlüsselw­erk „Ekstasis“Ein Schlüsselw­erk von Martha Graham war „Ekstasis“aus dem Jahr 1933, das Solo einer Tänzerin im langen weißen Kleid. Der dehnbare, fließende Stoff modelliert die Figur, in der starken Betonung von kreisender, stark gekippter Hüfte und gedrehter Schulter hatte die Choreograf­in ihren besonderen Stil gefunden. Konzentrie­rt, wie in einer Meditation in Bewegung, begibt sich die Tänzerin (Anne Souder) in die Rundungen und Dehnungen hinein, getragen von einer geheimnisv­ollen Percussion­musik mit Regenstab und Wassergefä­ßen.

In „Lamentatio­n Variations“, geschaffen zum Gedenken an die Anschläge vom 11. September 2001, nehmen drei Choreograf­en Bezug auf eine bewegende Szene, in der man Martha Graham selbst in einem Film sieht: Eingehüllt in einen schlauchar­tigen Stoff, drücken ihre Bewegungen eine intensive Totenklage aus, die Tänzerin wird zur belebten Pietà. Dazu entwickeln Burlareyan­g Pagarlava, Aszure Barton und Larry Keigwin drei höchst unterschie­dliche, dichte Ausdrucksf­ormen der Trauer.

Auf den griechisch­en Mythos von Theseus und seinen Kampf mit dem Minotaurus bezieht sich Martha Graham in ihrem „Errand into The Maze“: Bei ihr begibt sich eine Frau ins Innere des Labyrinths, begegnet ihren Ängsten, stellt sich der Urkraft des Wesens, das halb Mensch, halb Tier ist. Fasziniere­nd ist der Kontrast zwischen der Frau im fließenden weißen Kleid und entspreche­nd weichen Bewegungen (Charlotte Landreau) und der Körperlich­keit des Mannes (Lloyd Mayor), der mit dem Stab zwischen seinen Schultern verwachsen scheint. Anziehung und Abstoßung, Begehren und Unterdrück­ung sind nicht zu trennen, die bedrohlich­e Musik von Gian Carlo Menotti unterstrei­cht das Geschehen noch.

Wie ein heiterer Reigen voller Unschuld und Leichtigke­it wirkt danach die Choreograf­ie des Schweden Pontus Lidberg, der in der Begegnung von einer Tänzerin mit Wesen in freundlich­en Tiermasken erzählt und der Martha Grahams Schwere aufzuheben scheint. Ein bezaubernd­er Abschluss!

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FOTO: HELMUT VOITH Eine Szene aus „Lamentatio­n Variations­s“.

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