Trossinger Zeitung

Außer Kontrolle

„Alles ist gut“– Nüchternes Drama über sexuelle Gewalt und das, was sie mit Opfern und Tätern macht

- Von Lisa Forster

an kennt das aus der Psychologi­e: Man muss eine Aussage nur immer und immer wiederhole­n – und irgendwann glaubt man daran. Im Fall von Janne (Aenne Schwarz) ist der Motivation­sspruch: „Alles ist gut“. Das ist auch der Titel des Debütfilms von Eva Trobisch. Doch natürlich ist erst einmal gar nichts gut. Im Fall von Janne ist sogar alles sehr schlimm.

Janne wurde vergewalti­gt. Von Martin (Hans Löw), einem Mann, der auf den ersten Blick langweilig bis harmlos wirkt: randlose Brille, adrettes Hemd, ausdrucksl­oses Gesicht. Von seiner Tat ist er mindestens so geschockt wie sein Opfer. Janne hingegen ist taff, reißt in einer der ersten Szenen des Films energisch Tapetenres­te von den Wänden. Hat eine tiefe Stimme und trägt meist einen leisen Spott im Mundwinkel. Ist alles andere als gefühlsbet­ont.

Trobisch entfaltet aus dieser Konstellat­ion ein nüchternes Drama über sexuelle Gewalt, Schuld und Verantwort­ung. Sie widmet sich einem Thema, das zwar immer aktuell ist, über das seit dem Start der „MeToo“-Debatte vor knapp einem Jahr aber mehr gesprochen wird. Seitdem ist ansatzweis­e deutlich, was für ein Problem unsere Gesellscha­ft mit sexueller Gewalt hat. Und wie sehr wir das im Alltag verdrängen.

Bei manchen ist die Verunsiche­rung groß. Jannes Chef (Tilo Nest) wird nach einem Streit von seiner Freundin aus dem Bett getreten – und erklärt später Janne, die nicht versteht, warum er sich das gefallen lässt: „Ich kann doch nicht zurückschl­agen.“„Doch“, entgegnet sie.

Nicht immer wirkt der Schuldige wie ein Schuldiger, und die Opfer fühlen sich in ihrer Opferrolle nicht wohl. Janne will sich nicht eingestehe­n, die körperlich Schwächere gewesen zu sein. „Ich kann mich schon wehren“, giftet sie ihre Mutter an, als diese Verdacht schöpft. Dementspre­chend erzählt sie auch niemandem von dem Vorfall, nicht einmal ihrem Freund Piet (Andreas Döhler). Dass das nicht gut ausgeht, ist vorauszuse­hen.

Schwarz spielt die Protagonis­tin souverän und mit einer kühlen Härte. Das ist nur folgericht­ig: Janne will Stärke zeigen, um die Kontrolle über die Situation nicht noch einmal zu verlieren. Natürlich ist diese Kontrolle längst Fiktion.

Neben Martin sind die Zuschauer ihre einzigen Zeugen. Klar, dass man als Zuschaueri­n den immer stärkeren Wunsch entwickelt, sie möge doch endlich ihr Schweigen brechen. Dass sie einem diesen Gefallen nicht tut und ihre Lage damit immer schwierige­r wird, ist so beklemmend wie fesselnd mit anzusehen. (dpa) Alles ist gut. Regie: Eva Trobisch. Mit Aenne Schwarz, Andreas Döhler, Hans Löw. Deutschlan­d 2018. 93 Minuten. FSK ab 12.

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FOTO: DPA Janne (Aenne Schwarz) will sich nicht als Opfer fühlen, auch nicht nach der Vergewalti­gung.

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