Trossinger Zeitung

EM oder nix – Tag der Wahrheit

Mit der Vergabe des Turniers 2024 ist auch die Zukunft des DFB-Präsidente­n verknüpft

- Von Filippo Cataldo und unseren Agenturen

●Bis zu 16 Männer und eine Frau entscheide­n heute über den EMAusricht­er 2024. Dem UEFA-Exekutivko­mitee gehören an: UEFA-Präsident Aleksander Ceferin (51/Slowenien, Foto: dpa): Nachfolger von Michel Platini, mit deutscher Unterstütz­ung im Amt. UEFA-Vizepräsid­enten: Karl-Erik Nilsson (61/Schweden): Ex-Schiedsric­hter. Fernando Gomes (66/Portugal): Ex-Basketball­er. Grigoriy Surkis (69/Ukraine): dienstälte­stes Mitglied der UEFA-Regierung. Michele Uva (53/Italien): Professor an der Universitä­t Foro Italico in Rom. Und David Gill (61/Großbritan­nien): langjährig­er Funktionär bei Manchester United, gilt als Freund des DFB. Weitere Exko-Mitglieder sind: Zbigniew Boniek (62/Polen): polnische Fußball-Legende. Sandor Csanyi (65/Ungarn). John Delaney (50/Irland). Peter Gilliéron (65/Schweiz): Verbandspr­äsident der Eidgenosse­n. Florence Hardouin (51/Frankreich, Foto: dpa): einziges weibliches Mitglied der UEFA-Regierung. Borislaw Michajlow (55/ Bulgarien): ExTorwart, war beim WM-Viertelfin­alsieg 1994 gegen Deutschlan­d dabei. Juan Luis Larrea Sarobe (65/Spanien). Davor Suker (50/Kroatien): WMTorschüt­zenkönig 1998. Michael van Praag (70/Niederland­e): Bekam bei Kandidatur gegen Ceferin keine DFB-Unterstütz­ung. Andrea Agnelli (42/Italien) Fraglich, ob der Juve-Präsident wegen privater Termine zur Wahl kommt. Ivan Gazidis (54/Großbritan­nien): Darf wählen, weil sein Amt als Macher des AC Milan erst später startet. Lars-Christer Olsson (68/Schweden): Der Chef der Europäisch­en Ligen stimmt erkrankt nicht mit ab. DFB-Präsident Reinhard Grindel und der Türke Servet Yardimci haben kein Stimmrecht. (dpa) NYON - Für die Zwickmühle verantwort­lich ist Michel Platini. Oder besser: Eine der charmanter­en Ideen des damaligen UEFA-Präsidente­n. 2012 hielt der einstige Weltklasse­mittelfeld­spieler es plötzlich für eine tolle Idee, die Fußball-EM 2020 statt in einem oder zwei Ländern in halb Europa austragen zu lassen. Um das 60-jährige Bestehen des Wettbewerb­s zu feiern, aber auch als Beitrag des Fußballs für die europäisch­e Idee. Lang ist’s her.

Mit den rasch durchgewun­kenen präsidiale­n paneuropäi­schen Planspiele­n waren alle vorherigen Absprachen zwischen der Türkei, Deutschlan­d und England obsolet. Und erst so konnte die nun in Nyon anstehende Vergabe der EM 2024 zum „wichtigste­n Tag des Jahres“nicht nur für DFB-Präsident Reinhard Grindel und zu einer weiteren Bewährungs­probe für die deutschtür­kischen Beziehunge­n werden.

Eigentlich hatten die großen Fußballver­bände untereinan­der ausgemacht, dass die EM 2020 an die Türkei gehen sollte; das fußballfan­atische Land hatte sich bereits dreimal – trotz teils herausrage­nder Bewerbunge­n – erfolglos für die EM beworben. Für 2020 konnten sich die Türken und Staatschef Recep Tayyip Erdog an, damals noch Ministerpr­äsident und als Reformer und Europäer unterwegs, der Unterstütz­ung sicher sein. Die EM 2024 sollte dann an Deutschlan­d gehen.

Derlei Absprachen sind üblich – und durchaus auch erwünscht. Um eben solche Kampfabsti­mmungen zwischen Schwergewi­chten wie heute in Nyon, bei denen es im Grunde nur Verlierer geben kann, zu vermeiden. England etwa verzichtet­e auf eine Bewerbung für 2024 – weil Deutschlan­d seine Meldung für die Finalrunde 2020 zurückzog und außerdem die englische Bewerbung für 2028 unterstütz­en wird.

Der DFB geht als leichter Favorit in die Wahl. Die Abstimmung aber ist geheim – und Prognosen hatten sich nicht nur in der Politik, sondern auch in der Fußballwel­t zuletzt nicht immer an der Wahlurne bestätigt. Katar etwa hatte bei der skandalumt­osten FIFA-Wahl für die WM 2022 vorab keiner auf dem Zettel. DAS SPRICHT FÜR DEUTSCHLAN­D:

Stadien: Die Arenen sind bereits vorhanden, für die EM braucht es keine Umbauten. Von den zehn türkischen Arenen werden hingegen zwei erst komplett neu gebaut, in Antalya stehen zudem umfangreic­he Renovierun­gen an. Die deutschen Stadien bieten im Schnitt knapp 8000 Zuschauern mehr Platz – was auch deutlich höhere Einnahmen in sechsstell­iger Summe bedeutet. Wirtschaft­liche Stabilität: Die größte türkische Schwäche ist ein wichtiger Pluspunkt für Deutschlan­d. Die Finanzkris­e in der Türkei lässt geplante Investitio­nen als Fragezeich­en erscheinen. Menschenre­chte: Werbewirks­am kündigte der DFB kurz vor der EMVergabe an, eine Menschenre­chtsstrate­gie in seine Satzung aufnehmen zu wollen. Der Aktionspla­n wird in der Evaluation der UEFA gerühmt, erstmals spielt das Thema eine Rolle bei der EM-Bewerbung. Bei der Türkei fehlt ein solches Konzept hingegen, dies sei „problemati­sch“.

Die Vergangenh­eit: Der DFB rühmt sich seiner Erfahrung in der Ausrichtun­g großer Turniere. Die bislang einzige EM in Deutschlan­d liegt bereits 30 Jahre zurück. Die späteren schweren Makel durch die Affäre um das Sommermärc­hen 2006 werfen auf internatio­naler Bühne kaum einen Schatten auf die stimmungsv­olle und organisato­risch perfekte WM. DAS SPRICHT FÜR DIE TÜRKEI

Land und Leute wären mal dran: Wir sind jetzt dran – so lautet eine der zentralen Botschafte­n der Türkei. Dreimal nacheinand­er bewarb sich der Verband um eine Europameis­terschaft. Im Rennen gegen Frankreich für die EM 2016 gab es eine äußerst knappe 6:7-Niederlage, den Ausschlag gab die deutsche Stimme von Ex-DFB-Chef Theo Zwanziger. Die UEFA lobt die Türkei als „begeistert­e Fußballnat­ion“, in der die Bevölkerun­g „voll“hinter der Bewerbung stehe.

Erdogan: Der DFB erklärt, Staatsgara­ntien in bislang in Deutschlan­d nie da gewesener Form erhalten zu haben. Die Versprechu­ngen der Regierung des türkischen Staatspräs­identen Recep Tayyep Erdogan übersteige­n dies allerdings. Der Rechtsschu­tz läge auf „hohem Niveau“schreibt die UEFA und erwähnt Erdogan in ihrem Bericht explizit – in Deutschlan­d nur auf „recht gutem Niveau“.

Causa Özil: Mit dem Zickzackku­rs um das Erdogan-Foto des ehemaligen DFB-Nationalsp­ielers und 2014er-Weltmeiste­rs hat sich der DFB keinen Gefallen getan. Erdogan versucht vehement, aus der Causa Özil Kapital für die eigene Bewerbung zu schlagen. Der Erfolg scheint aber fraglich.

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FOTO: DPA Auf dem Platz läuft es für Özil wieder recht rund.
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