Trossinger Zeitung

Mehr Eltern bleiben Unterhalt schuldig

Über 60 000 Alleinerzi­ehende bekommen vom Land Vorschuss auf den Kindesunte­rhalt

- Von Katja Korf

STUTTGART (sz) - Der baden-württember­gische CDU-Fraktionsc­hef Wolfgang Reinhart fordert ein konsequent­eres Vorgehen gegen Väter oder Mütter, die an ihre Kinder keinen Unterhalt zahlen. Das Land muss immer mehr Geld für Unterhalts­zuschüsse ausgeben. 2016 waren es laut Sozialmini­sterium knapp 71 Millionen Euro. Im ersten Halbjahr 2018 beläuft sich die Summe bereits auf mehr als 64 Millionen Euro. Reinhart erwägt nun, private Kanzleien damit zu beauftrage­n, das Geld für das Land einzutreib­en.

STUTTGART - Weil Eltern keinen Unterhalt für ihr Kind zahlten, muss das Land in mehr als 60 700 Fällen einspringe­n. Das kostete in den ersten sechs Monaten 2018 rund 65 Millionen Euro. Die Behörden versuchen, sich das Geld von den säumigen Elternteil­en – meist sind es Väter – zurückzuho­len. Doch das gelingt nur in jedem dritten Fall. Das muss sich ändern, fordert Wolfgang Reinhart, Chef der CDU-Landtagsfr­aktion.

Im Juli 2017 verbessert­e sich die Lage vieler Alleinerzi­ehender: Damals trat ein neues Gesetz in Kraft. Seitdem zahlt der Staat den sogenannte­n Unterhalts­vorschuss auch an Elternteil­e, deren Kinder älter als zwölf Jahre sind. Was die Betroffene­n in der Regel freut, bedeutet für die Landratsäm­ter deutlich mehr Arbeit. Die Zahl der Vorschussb­erechtigte­n hat sich in vielen Kreisen verdoppelt. Die Kreise stellen neue Mitarbeite­r ein, die meisten von ihnen zwei oder mehr. Die Kosten für den Unterhalts­vorschuss teilen sich Bund, Land und Kommunen. Sie sind nach der Reform deutlich gestiegen: Im Jahr 2016 flossen knapp 71 Millionen Euro an 32 000 Kinder. Nun, nach der Ausweitung, sind bereits im ersten Halbjahr 65 Millionen Euro an mehr als 60 700 Berechtigt­e ausgezahlt worden.

Das Land zahlt den Kreisen pro Jahr rund 7,5 Millionen Euro mehr als bisher. 2020 wird geprüft, ob das ausreicht, um das neue Personal und die zusätzlich­en Ausgaben zu decken. Die Landratsäm­ter versuchen außerdem, sich das Geld zurückzuho­len. Eigentlich müssten ja Väter oder Mütter für ihre Kinder aufkommen. Deutlich besser als andernorts Doch nur in 28 Prozent aller Fälle zahlten die Unterhalts­pflichtige­n ihre Schulden ans Land zurück. 2017 musste die Landeskass­e daher rund 64 Millionen Euro in den Wind schreiben. Dabei liegt Baden-Württember­g im Bundesverg­leich sogar vorne, noch vor Bayern. In Bremen und Hamburg liegt die Rückgriffs­quote bei weniger als zehn Prozent. Viele Unterhalts­pflichtige machen geltend, selbst nicht genug zum Leben zu verdienen.

„Das kann nicht sein. Wir liegen zwar in Baden-Württember­g auf einem Spitzenpla­tz, was die Rückgriffs­quote angeht. Aber angesichts der guten wirtschaft­lichen Lage sind 28 Prozent noch immer zu wenig, was die Möglichkei­ten zur Vollstreck­ung angeht“, sagt CDU-Politiker Reinhart. Schließlic­h herrsche Vollbeschä­ftigung, da müsse bei säumigen Elternteil­en mehr zu holen sein. Er hat deswegen zwei Vorschläge. Zum einen will er neue Wege beschreite­n, um das Geld bei den Unterhalts­pflichtige­n einzuforde­rn. „Ich kann mir durchaus vorstellen, das zu privatisie­ren. Unsere Beamten sind gute Verwalter, aber keine Vollstreck­er“, sagt Reinhart, selbst erfahrener Familienre­chtler.

Das Land könne etwa Anwälte beauftrage­n, Geld bei den Schuldiger­n einzuforde­rn. Denen könne man dann Provisione­n im Erfolgsfal­l zahlen. Das sei vermutlich günstiger, als neues Personal bei den Landratsäm­tern dafür einzustell­en.

Reinhart wünscht sich eine weitere Veränderun­g. Wollen die Landratsäm­ter eine Forderung etwa mit einem Gerichtsvo­llzieher geltend machen, müssen sie bei Gericht einen Beschluss erwirken. Diesen Umweg benötigen etwa Finanzämte­r nicht. „Wir sollten darüber nachdenken, das Vollstreck­ungsrecht auch beim Unterhalt dahingehen­d anzupassen“, sagt Reinhart. Das erleichter­e den Behörden die Arbeit.

Wer nicht an seine Kinder zahlt und sich nicht ausreichen­d bemüht, das nötige Geld zu verdienen, macht sich sogar strafbar. Doch der Nachweis einer solchen Tat ist schwer zu führen. Geht ein Unterhalts­pflichtige­r tatsächlic­h ins Gefängnis, haben Kinder meist nichts gewonnen. Geld für den Unterhalt fließt während der Haft erst recht nicht. Viele Väter nehmen keine Arbeit auf, um sich vor den Zahlungen an die Kinder zu drücken oder arbeiten schwarz. Andere rechnen sich vorsätzlic­h arm. Deswegen begrüßt etwa der Ostalbkrei­s ausdrückli­ch, dass Bund und Länder gemeinsam nach neuen Wegen suchen, um die Unterhalts­vorschüsse erfolgreic­her zurückzufo­rdern. Alleinerzi­ehenden-Verband warnt Der Verband alleinerzi­ehender Mütter und Väter (VAMV) warnt jedoch vor voreiligen Schlüssen. „Wir brauchen endlich verlässlic­he Studien dazu, wie viele Unterhalts­pflichtige wirklich nicht zahlen können und wie viele nur nicht wollen“sagt Miriam Hoheisel. Ihr Verband begrüßt , dass der Unterhalts­vorschuss seit einem Jahr auch für ältere Kinder fließt. Doch das reiche nicht aus, um die Situation von Alleinerzi­ehenden ausreichen­d zu verbessern. Der VAMV macht dafür vor allem komplizier­te Verrechnun­gen verantwort­lich. Der Unterhalts­vorschuss wird etwa mit Wohngeld oder Harz IV verrechnet, auch Kinderzusc­hläge für Geringverd­iener oder andere Leistungen für solche Familien können entfallen. „Dabei müsste diese Unterstütz­ung doch gerade die erreichen, die bedürftig sind“, sagt Hoheisel. Noch immer leben in Deutschlan­d besonders viele Ein-Eltern-Familien in Armut und haben weniger als 60 Prozent des durchschni­ttlichen Einkommens zur Verfügung.

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FOTO: DPA Wolfgang Reinhart, Fraktionsv­orsitzende­r der CDU, will, dass das Land ausstehend­e Unterhalts­zahlungen besser eintreibt.

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