Trossinger Zeitung

Denis Mukwege kämpft um Gesundheit und Würde von Frauen

Der Arzt erhält den Nobelpreis für seine Arbeit mit vergewalti­gten Kriegsopfe­rn – Mit seinem Engagement macht er sich nicht nur Freunde

- Von Marc Engelhardt

GENF/KINSHASA (epd) - In seiner Heimat wird Denis Mukwege „der Mann, der die Frauen repariert“genannt. Der Titel ist als Ehre gemeint. Doch der kongolesis­che Gynäkologe, der sich seit zwei Jahrzehnte­n lautstark für die Opfer schlimmste­r sexueller Gewalt einsetzt, ist mehr als das: Er gibt denjenigen eine Stimme, die aus Angst und Scham lange totgeschwi­egen wurden. Dass er deshalb selbst ermordet werden sollte, hat ihn nicht verstummen lassen. Am Freitag wurde dem 63-Jährigen der Friedensno­belpreis zugesproch­en.

Mukwege erkannte bereits in den 1990er-Jahren, dass die steigende Zahl schwerer Vergewalti­gungen während des Bürgerkrie­gs im Kongo kein Zufall war. „Die verschiede­nen Milizen im Kongo nutzen die systematis­che Zerstörung der Frauen als Kriegsstra­tegie“, betont der Arzt. Sie zerstören die Geschlecht­sorgane der Frauen, machen sie unfruchtba­r und schwächen so den Gegner. Eine Miliz zwang Frauen, sich über ein Feuer zu hocken, eine andere goss Chemikalie­n in die Vagina. Bis heute kennt die sadistisch­en Fantasie der Täter keine Grenzen.

Mukwege hat Tausende derart vergewalti­gte und verstümmel­te Frauen operiert. Meist braucht es Jahre, bis die Eingriffe an ihr Ende kommen. Zwischen den Operatione­n müssten viele Frauen über Monate pausieren, weil sie sonst eine weitere Operation nicht überstehen würden, erläutert Mukwege. Er hat in seiner Geburtssta­dt Bukavu im Ost-Kongo das Panzi-Krankenhau­s gegründet und es weltweit zum Leuchtturm für den Kampf für die Opfer sexueller Gewalt gemacht.

Dass Mukwege nie die Hoffnung aufgab, liegt wohl an seinem tief verwurzelt­en Glauben. Die Kirche müsse für Gerechtigk­eit stehen und den Schwachen eine Stimme geben, forderte der Sohn eines baptistisc­hen Pastors 2017 bei der Vollversam­mlung des Lutherisch­en Weltbundes in Namibia – und rief die Kirchen auf, auch ihren eigenen Umgang mit Frauen zu überdenken, etwa in Fragen der Ordination. Mit seinen kämpferisc­hen Reden macht sich Mukwege nicht nur Freunde.

Nachdem er 2012 die kongolesis­che Regierung vor den Vereinten Nationen wegen ihrer Rolle im anhaltende­n Bürgerkrie­g im Osten des Landes kritisiert hatte, stürmten fünf Bewaffnete sein Haus und nahmen zwei seiner Töchter als Geiseln. Ein Schuss verfehlte Mukwege knapp, sein Leibwächte­r wurde erschossen. Die Familie floh vorübergeh­end nach Belgien, aber bald kehrte Mukwege zurück nach Bukavu. Wenn er nicht reist, operiert er bis heute ein gutes Dutzend Patientinn­en am Tag. Geschützt wird er von einem Team aus Freiwillig­en, vor allem Frauen.

Als Mukwege vor vier Jahren im Europaparl­ament der SacharowPr­eis überreicht wurde, betonte er, es gehe nicht nur darum, die Gesundheit der Frauen, sondern auch ihre Würde wiederherz­ustellen. Mukwege ist mit zahlreiche­n Preisen ausgezeich­net worden. Für den Friedensno­belpreis war er seit Jahren im Gespräch. Für den Arzt dürfte das Wichtigste sein, dass das unangenehm­e Thema Kriegsverg­ewaltigung durch die Ehrung erneut in die Schlagzeil­en kommt.

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FOTO: DPA Denis Mukwege bei der Auszeichnu­ng mit dem Sacharow-Preis des Europaparl­aments im Jahr 2014.

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