Trossinger Zeitung

„Jugendlich­e sind nicht mehr leidensfäh­ig“

Stadtjugen­dreferent Tobias Götz arbeitet in Zukunft mit ehemaligen Straffälli­gen

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TROSSINGEN - Stadtjugen­dreferent Tobias Götz verlässt zum Ende des Jahres die Stadtverwa­ltung. Er hat eine neue berufliche Herausford­erung gefunden. Für die Jugendarbe­it der Stadt bedeutet dies den zweiten spürbaren Umbruch innerhalb von knapp zwei Jahren. „Es ist an der Zeit, was Neues zu machen“, sagt Tobias Götz im Gespräch mit der Trossinger Zeitung. Seinen Job als Jugendrefe­rent in Trossingen hat er in den vergangene­n fünf Jahren gerne gemacht. „Hier macht es sehr viel Spaß und die Verwaltung gibt einem viel Freiraum.“Dennoch hat Götz sich um einen anderen Job bemüht und wird diesen im Januar auch antreten. „Ich übernehme die Heimleitun­g in einem Übergangsw­ohnheim im Bereich der Strafgefan­genenhilfe.“Hat er bisher mit Jugendlich­en zu tun, werden seine Schützling­e in Zukunft Erwachsene sein, die kürzlich aus dem Gefängnis entlassen worden sind. „Da wartet auch jede Menge pädagogisc­he Arbeit auf mich“, ist sich Götz sicher. Denn Ziel sei es, die Menschen wieder an ein Leben in Freiheit, jenseits der Kriminalit­ät, und an ein geregeltes Arbeitsleb­en zu gewöhnen. „Die Arbeit mit Jugendlich­en wird mir ein Stück weit fehlen. Der Vorteil ist, dass man sieht, wie sie sich entwickeln – oder eben auch nicht“, sagt Götz und ergänzt: „An manchen Jugendlich­en beißt man sich die Zähne aus.“In seiner Zeit in Trossingen habe er eingesehen, „dass ich nicht alle retten kann. Wenn ich ein oder zwei Jugendlich­e erreiche, ist das aber schon mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein“. Dieser rationale Blick werde ihm auch bei der Arbeit mit den ehemaligen Straffälli­gen helfen, ist er sich sicher. „Jeder Mensch entscheide­t selbst, wie er seinen Weg geht. Der ein oder andere wird sicher wieder in die alte kriminelle Karriere einsteigen. Aber eben nicht alle.“Die, die ihre zweite Chance nutzen wollen, die liegen Tobias Götz besonders am Herzen. Hart aber herzlich, so wirkt er in seiner Arbeit mit Jugendlich­en oft auch auf Außenstehe­nde. Der verständni­svolle Kuschelpäd­agoge wolle er nicht sein, sagt Götz. „Wenn ein Jugendlich­er was macht, was Mist ist, dann sage ich ihm das auch.“Klare Worte und das Angebot zur Hilfe, das sei eine wichtige Kombinatio­n. „Zu viele Eltern wissen gar nicht, was ihre Kinder treiben und fallen dann aus allen Wolken, wenn bewaffnete Polizisten früh morgens ihren Sohn auf den Boden drücken und festnehmen“, berichtet der Sozialpäda­goge von tatsächlic­hen Begebenhei­ten. „Viele Kinder und Jugendlich­e leben heute in einer Blase, sie sind nicht mehr leidensfäh­ig“, sagt Götz und nennt ein Beispiel. „Ich habe in meiner Zeit hier etwa 25 Jugendlich­e in eine Ausbildung gebracht. Immer wieder kam es vor, dass manche nach zwei Wochen wieder vor meiner Tür standen. Sie hätten Schwierigk­eiten mit dem Chef, die sie nicht klären könnten. Oft war es nur eine zwischenme­nschliche Kleinigkei­t. der Chef hatte schlechte Laune und der Lehrling im Handwerksb­etrieb fühlte sich gleich gemobbt.“In manchen dieser Fälle sei auch mit gutem Zureden nichts zu gewinnen gewesen. „Diese Jugendlich­en scheuen die direkte Auseinande­rsetzung und weichen lieber aus“, so Götz weiter. Die oftmals verherende­n Auswirkung­en auf ihr weiteres Leben hätten sie dabei nicht im Blick. In seiner Zeit in Trossingen hätten erst drei Mal Eltern den Kontakt zum Jugendrefe­rat gesucht, weil sie merkten, dass ihnen ihre Kinder entgleiten. „Die meisten realisiere­n es erst, wenn sich Polizei und Jugendamt einschalte­n. „Wenn man aber frühzeitig gegensteue­rt, muss es gar nicht so schlimm kommen“, gibt Götz allen Eltern einen Rat mit auf den Weg.

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FOTO: RALF PFRUENDER Tobias Götz ist nicht der immer nette Sozialpäda­goge, sondern wählt auch mal deutliche Worte. Bei den Jugendlich­en ist er beliebt, doch nun verlässt er Trossingen.

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