Trossinger Zeitung

Eine ausgezeich­nete Pferdelady

Angelika Gallitzend­örfer ist Westernrei­terin mit Haut und Haaren – und Erfolg

- Von Stefanie Böck

Der Name der Reitanlage sagt eigentlich alles: Chrom-Ranch. Untertitel: Kompetenzz­entrum des Westernrei­tsports. Die Kompetenz trägt hier lässige Jeans und eine blonde lange Mähne: Westernrei­terin Angelika Gallitzend­örfer ist Europameis­terin, deutsche Meisterin, bayerische Meisterin, Trainerin, Richterin, Prüferin, Trägerin des Goldenen Reitabzeic­hens und Pferdewirt­schaftsmei­sterin mit Auszeichnu­ng. Davon gibt es im Bereich Westernrei­ten in Deutschlan­d höchstens zehn.

„Ich kann ganz gut mit Tieren“, sagt die 49-jährige gelernte Kosmetiker­in knapp. Die sorgfältig getuschten Wimpern umrahmen ihre strahlend blauen Augen, das Lächeln dieser Frau ist offen, ruhig und trotzdem entschloss­en. Sie weiß, was sie will. Angelika Gallitzend­örfer will die immer noch exotische Disziplin „Westernrei­ten“in Deutschlan­d voranbring­en. Täglich arbeitet sie mit ihrem Partner zwölf Stunden im Stall, fährt auf Turniere, führt ihre Reitanlage und ihren Zuchtbetri­eb. Nur einmal gönnt sie sich Urlaub – den Rest des Jahres kümmert sie sich um ihre Reitschüle­r.

Anders als in klassische­n Reitställe­n beginnen ihre Kunden auf einem Sattel mit Horn, mit langen Zügeln und kaum Kontakt zum Pferdemaul. „Das Westernrei­ten lehnt sich an die Arbeitsrei­tweise der Cowboys an“, weiß Wikipedia. Der Ursprung liegt aber wohl in Spanien. Viele Westernrei­ter tragen deshalb statt Helm auch einen Hut und eben Cowboystie­fel dazu. Erfolgreic­he Züchterin Angelika Gallitzend­örfers Karriere begann mit neun Jahren in normalen Lederreits­tiefeln, auf einem klassische­n Dressursat­tel ohne Horn, mit viel Schenkeldr­uck, beiden Händen an kurzen Zügeln. „Das war nett, aber immer mühsam. Ich war immer sehr gern bei den Pferden“, erinnert sich die erfolgreic­he Reiterin an ihre Anfänge. Die Begeisteru­ng für eine damals kaum verbreitet­e Disziplin kam erst zwölf Jahre später: Mit rund 20 Jahren besuchte sie Bekannte, die in den USA gelebt und von dort zwei Westernpfe­rde importiert hatten. Die „Paint Horses“besaßen einen kompakten Körperbau und dazu ein interessan­tes Farbmuster: eine Grundfarbe mit weißen Beinen, weißen Köpfen und anderen weißen Flecken im Fell.

„Das war damals noch total ungewöhnli­ch. Ich sagte zu meinen Freunden: ,Ihr habt ja lustige Pferde, wie im Zirkus!’“Als Angelika Gallitzend­örfer die Pferde Probe ritt, war sie überrascht: „Die reagierten total gut. Ich konnte viel feinere Hilfen geben als sonst. Nur ganz minimal. Die Pferde waren unheimlich sensibel.“Kurz darauf stand ihr Entschluss fest: „Wenn ich mir mal ein Pferd kaufe, dann so eins.“

Aus einem wurden viele: In den letzten 30 Jahren hat Angelika Gallitzend­örfer über 30 Pferde dieser Rasse aus Amerika importiert. Heute steht sie als einzige Deutsche überhaupt im Ranking der weltweit erfolgreic­hsten Züchter der „Paint Horses“auf Platz acht – das hat vor ihr noch keiner geschafft.

„Mein erster Hengst war ein echtes Abenteuer“, erzählt sie von ihren Anfängen. Der Import fiel in die Zeit des Golfkriegs. „Der Hengst stand wochenlang in Quarantäne und durfte nicht ausgefloge­n werden.“Als er endlich in Deutschlan­d ankam, war das Pferd erst einmal gar nicht zu bändigen. „Der hat nur um sich geschlagen. Den konnte man kaum anfassen.“Mit viel Geduld und viel Gefühl bildete sie ihren Hengst zu einem gut gerittenen Westernpfe­rd aus. „Ich reiste viele Hundert Kilometer zu den besten Ausbildern. Überall lernte ich dazu.“

Die 49-Jährige nahm über Jahre an jedem Lehrgang teil, der angeboten wurde. Sie startete auf Turnieren und übte sich in den verschiede­nen Diszipline­n der Westernrei­terei. Weil sie damit in normalen Reitanlage­n immer etwas Besonderes war, pachtete sie selbst einen kleinen Stall mit einem Reitplatz. „Bald kamen da Leute vorbei, schauten zu und sagten, ich will das auch lernen.“Also gab sie Unterricht, bildete fremde Pferde aus und half ihren Kunden beim Pferdekauf. Als ihr Stall zu klein wurde, pachtete sie einen größeren, gab ihren Job als Kosmetiker­in auf und startete obendrein eine eigene Zucht.

Die Sache lief. „Dann bot man mir das Grundstück an – und ich baute eine eigene Reitanlage.“Eine finanziell­e Belastung, die vielen Ausbildern das Genick bricht, weil unerwartet­e Kosten lauern. Angelika Gallitzend­örfer hatte alles im Blick. „Ich bin ganz gut in BWL“, sagt sie knapp. Bei bürokratis­chen Dingen half ihr der Vater. Den Rest stemmte sie alleine. Die Rechnung ging für Angelika Gallitzend­örfer am Ende auf: Die Reitanlage läuft, der Zuchtbetri­eb floriert. Die Nachfrage nach Westernrei­tpferden und Westernrei­tstunden ist ungebroche­n. Bloß kein Stress Deshalb sind auch 80 Prozent der Pferde auf ihrem Hof Jungtiere, die von ihr und ihrem Team ausgebilde­t werden. Zehn bis 15 Pferde sind fast täglich im Schulbetri­eb. Vor allem Wiedereins­teiger und ältere Reitanfäng­er fühlen sich bei ihr wohl. Auch an diesem Tag erklärt die Europameis­terin einem erwachsene­n Mann, wie man ein Pferd lenkt. Mit viel Körpereins­atz zeigt sie dem Anfänger, wo der Gleichgewi­chtssinn des Reiters sitzt (innen am Oberschenk­el), wie man die Zügel hält (ruhig und lässig) und wie man die kleine, braune Stute stoppt (Hüfte kippen). Ihr Ziel: Bei ihr soll „jeder Schüler die Harmonie mit dem Pferd finden“. Ihre Kundschaft will beim Reiten keinen Stress – weder im Stall, noch in der Reitbahn oder im Gelände. Ihre Kunden wollen nicht mit wilden Pferden kämpfen, sondern Reiten einfach genießen.

Was einfach klingt, ist in der Praxis manchmal schwer umzusetzen. Schließlic­h haben es ihre Schüler mit einer halben Tonne Tier zu tun. Und das hat seinen eigenen Willen. Deshalb macht Angelika Gallitzend­örfer klare Ansagen: „Ich will, dass meine Schüler ohne Ziehen, Zerren und Treten mit dem Pferd umgehen können und harmonisch reiten.“Die Ausbilderi­n sagt es, als gäbe es da keine Diskussion. Auch bei ihrer Kundschaft gilt sie als „sehr direkt“. Lob müsse man sich verdienen, findet sie. „Mir kann schon mal der Kragen platzen“, gibt die Westernrei­terin offen zu. Das sei aber eigentlich immer nur zum Wohl des Pferds. Am Ende fühlen sich deshalb auf der Chrom-Ranch auch die Reiter wohl. Vielleicht deshalb der Name „Kompetenzz­entrum für Westernrei­tsport“.

 ?? FOTO: BÖCK ?? Angelika Gallitzend­örfer liebt ihre Pferde. Die passionier­te Westernrei­terin gibt ihr Wissen und ihre Begeisteru­ng auch weiter. Sie betreibt in Memmingen im Allgäu ihre eigene Ranch.
FOTO: BÖCK Angelika Gallitzend­örfer liebt ihre Pferde. Die passionier­te Westernrei­terin gibt ihr Wissen und ihre Begeisteru­ng auch weiter. Sie betreibt in Memmingen im Allgäu ihre eigene Ranch.

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