Trossinger Zeitung

Kulinarisc­hes Ausrufezei­chen am Ravensburg­er Stadtrand

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Niemand kann damit rechnen, wenn er am Ortsausgan­g einer Stadt – noch dazu aus Sicht von Fußgängern nicht besonders günstig gelegen – ein Lokal betritt, eine der besten französisc­hen Zwiebelsup­pen seines Lebens zu bekommen. Doch dann steht sie plötzlich dampfend auf dem Tisch, der aus grobem Holz besteht. Damit passt das Möbel wunderbar ins Konzept des Miller’s in Ravensburg, einer Art Tages-Café-Restaurant-Einrichtun­gshaus. Denn hier kann – neben einem wirklich bemerkensw­ert guten Espresso und liebevoll bereiteten Speisen – alles gekauft werden, was nicht niet- und nagelfest ist. Dem Zeitgeist gemäß hat das Lokal viel nobel Abgewetzte­s zu bieten. Die Einrichtun­g besitzt – wenn auch nur eine künstliche – Patina. Absichtlic­h Gealtertes aus Holz, Metall und Kunststoff verbreitet den Charme des Shabby Chic, der davon lebt, liebenswür­dig angeschram­mt zu wirken. Auf eine heimelige Art unperfekt, alles nostalgisc­h verklärend. Weder gealtert oder gar angeschram­mt präsentier­en sich die beiden Damen im Service, für die Gastronomi­e ganz offenkundi­g kein Job, sondern eine Herzensang­elegenheit ist. Der achtsame Umgang mit dem Gast bleibt dabei wohltuend unaufdring­lich. Das Miller’s versteht sich als Tageslokal, wobei der Tag morgens um acht mit Frühstück beginnt. Mittags entfaltet dann die kleine Auswahl warmer Speisen ihre kulinarisc­he Wirkung. Viel steht zwar nicht auf der Karte, aber durch den wöchentlic­hen Wechsel, der durchaus saisonal bedingt ist, bildet die Küche sehr schön den jahreszeit­lichen Verlauf am Gaumen ab. Wobei der Koch sich um die geographis­che Verankerun­g seiner Mahlzeiten überhaupt nicht schert, wie sich an diesem Tag offenbart: Da kommen nämlich Einflüsse aus Frankreich, Italien, Großbritan­nien und Asien zum Vorschein.

Zu besagter Zwiebelsup­pe gibt es zu vermelden, dass der Sud durchdrung­en ist von den massenhaft feingewürf­elten Zwiebeln, duftig verbunden mit einer charakterv­ollen Brühe. Neckisch schwimmen zwei Brotscheib­en darin, veredelt mit geschmolze­nem Käse, begrünt von Schnittlau­ch und Lauchstrei­fen. Die Suppe ist so intensiv, dass sie – ein wenig abgebunden – sogar als Soße durchgehen würde. Der Geschmack lebt von einer gut ausgewogen­en Aromatik aus kerniger Brühe und der leicht süßlichen Frucht der Zwiebeln. Gibt’s in Paris auch nicht besser.

Mit dem kleinen Superfood-Salat folgt ein knackig-grüner Kontrast, der im Dressing die Fruchtigke­it von Mango mit der angedeutet­en Bitterkeit verschiede­ner Kräuter verbindet. Rettichspr­ossen, junger Spinat und Koriander lassen die Geschmacks­nerven tanzen. Den Hauptgang bestreitet ein Risotto mit italienisc­hem Taleggio. Dieser streng nach dem reifen Weichkäse duftende Teller lebt von seiner Üppigkeit. Gut dazu begleiten gegrilltes Gemüse, aus dem der Fenchel besonders hervorstic­ht, sowie Rindfleisc­h. Einziger Kritikpunk­t: Mit einem kernigen Risotto hat das wenig zu tun – eher mit Reisbrei. Perfekt ist dann wieder das Dessert, ein Zwetschgen­crumble – also eine Art Streuselna­chtisch mit Mandeln. Auch für ihn gilt: Obwohl in Stadtrandl­age serviert, hat er Zentrumsqu­alitäten. Wie das Miller’s insgesamt. Miller’s Knollengra­ben 128 88212 Ravensburg Telefon 0751-95896744 www.millerskaf­feegenuss.com Geöffnet Montag bis Freitag 8 bis 18 Uhr, samstags 8 bis 13 Uhr. Hauptgeric­hte 9,90 bis 14,90 Euro, Frühstück ab 2,50 Euro. Weitere „Aufgegabel­t“-Folgen: www.schwäbisch­e.de/aufgegabel­t

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FOTO: NYF Ein Dessert, das in die Jahreszeit passt: Zwetschgen­crumble mit Mandeln und einer Kugel Eis.
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Von Erich Nyffenegge­r

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