Trossinger Zeitung

Weiterbild­en in Eigenregie

Veränderte Jobprofile erfordern ständiges Lernen – Doch nicht in jedem Betrieb gibt es entspreche­nde Angebote

- Von Julia Ruhnau

Lebenslang­es Lernen ist in der heutigen Berufswelt wichtig: Durch die Digitalisi­erung und technische Neuerungen verändern sich auch die Jobprofile. So stehen derzeit viele Tätigkeite­n auf dem Prüfstand. „Wir müssen damit rechnen, dass sich die Arbeitswel­t in den nächsten Jahren stark verändert“sagt Paul Ebsen, Sprecher der Bundesagen­tur für Arbeit. Ein Grund mehr, sein Wissen aufzufrisc­hen und Neues zu lernen. Und da Weiterbild­ungen längst nicht in jedem Betrieb Standard sind, müssen Mitarbeite­r die Sache auch selbst in die Hand nehmen.

„Weiterbild­ung ist ja erst einmal alles, auch wenn ich mich im Internet informiere oder Sachbücher lese“, sagt Alrun Jappe von der Stiftung Warentest. Daneben gibt es eine riesige Auswahl an Kursen verschiede­nster Anbieter – etwa zu Führungste­chniken, Computerpr­ogrammen oder Konfliktma­nagement.

Welcher Kurs der richtige ist, hängt von der individuel­len Situation ab. Drängt der Arbeitgebe­r darauf, dass ich mich weiterbild­e, bietet aber intern keine Kurse an? Möchte ich in der Firma aufsteigen und benötige einen höheren Abschluss? „Man sollte sich genau Gedanken darüber machen, was man lernen will, und dann gezielt danach suchen“, rät Jappe. Je konkreter Anbieter Kursinhalt­e und Lernziele beschreibe­n, desto besser. Denn je nach Anbieter, Inhalt und Referent können sich Kurse qualitativ stark unterschei­den. Nachfragen lohnt sich – etwa dazu, welche Qualifikat­ionen der Referent hat. Richtigen Zeitpunkt finden Wann ist der richtige Zeitpunkt für eine Fortbildun­g? „Eigentlich sollte man sich ständig weiterbild­en“, sagt Jappe. Sinn machen die Lernangebo­te besonders dann, wenn man das Gefühl habe, in der Firma nicht weiterzuko­mmen, sagt Ebsen. Er war mehrere Jahre lang als Weiterbild­ungsberate­r bei der Arbeitsage­ntur tätig. Je nach Lerntyp und persönlich­en Wünschen sind unterschie­dliche Kursangebo­te geeignet – so gibt es reine E-Learning-Angebote, Präsenzkur­se sowie auch Mischforme­n unter dem Stichwort Blended Learning.

Wie viel Raum Arbeitnehm­er zum Lernen bekommen, hängt vom Chef ab. Es gebe keinen generellen rechtliche­n Anspruch auf Weiterbild­ung, betont Rechtsanwä­ltin Nathalie Oberthür, Mitglied der Arbeitsgem­einschaft Arbeitsrec­ht des Deutschen Anwaltvere­ins (DAV). „Der Freistellu­ng und der Finanzieru­ng muss der Arbeitgebe­r zustimmen.“In den meisten Bundesländ­ern können Arbeitnehm­er aber Bildungsur­laub beantragen – ihn darf der Chef nicht ohne Weiteres ablehnen. Diese Option werde bislang selten wahrgenomm­en, sagt Jappe. Möglicherw­eise, weil in manchen Unternehme­n zusätzlich­e Fehlzeiten nicht gerne gesehen sind. Mögliche Betriebsve­reinbarung Unter Umständen gibt es außerdem in der Betriebsve­reinbarung Passagen, die den Wunsch nach Weiterbild­ung stützen. Dann können sich Beschäftig­te darauf berufen. Der Betriebsra­t ist die richtige Anlaufstel­le. Wer beim Chef vorspricht, sollte gute Argumente parat haben. „Man muss die Vorteile für den Betrieb erklären können“, sagt Ebsen. Dabei helfe es, den Wunsch vorzutrage­n, dass man in der Firma vorwärtsko­mmen oder mehr verantwort­liche Tätigkeite­n übernehmen möchte. Ob der Betrieb mitspielt, hängt auch von der Wirtschaft­slage ab. „Momentan sind die Betriebe vor dem Hintergrun­d des Fachkräfte­mangels wohl eher dazu bereit“, sagt Ebsen. Falls nicht, bieten auch Industrie- und Handelskam­mer oder Handwerksk­ammer zahlreiche berufsbegl­eitende Kurse außerhalb der Arbeitszei­t an.

Stimmt der Vorgesetzt­e dem Anliegen zu, steht die nächste Hürde an: die Finanzieru­ng. Manche Kurse sind nicht gerade billig, schon an einem Tag können mehrere Hundert Euro fällig werden. „Die Chancen auf eine Förderung stehen gut“, sagt Katrin Schönrock, Beraterin beim Infotelefo­n zur Weiterbild­ung des Bildungsmi­nisteriums. Die Palette reicht vom Aufstiegs-BAföG über Bildungspr­ämie und -gutschein bis hin zu landesspez­ifischen Förderprog­rammen. Förderungs­würdige Kurse Oft sind die Förderunge­n auf bestimmte Zielgruppe­n abgestimmt. Die Bildungspr­ämie etwa deckt die Hälfte der Kurskosten ab. Sie beträgt maximal 500 Euro und gilt für Arbeitnehm­er mit einem Jahresgeha­lt bis zu 20 000 Euro. Auch die Arbeitsage­ntur übernimmt mit dem Programm WeGebAU für manche Arbeitnehm­er einen Teil der Kosten und zahlt zusätzlich an den Arbeitgebe­r Zuschüsse. Berufstäti­ge erfragen am besten vorab, ob der gewählte Kurs förderungs­würdig ist. Oft können sie die Kosten auch von der Steuer absetzen.

In der Regel dürfte der Wunsch nach Weiterbild­ung bei Arbeitgebe­rn auf Wohlwollen stoßen. Skepsis kommt höchstens auf, wenn der Chef denkt, dass der Angestellt­e sich auf eine andere Stelle vorbereite­n will. In solchen Fällen gebe es häufig eine Rückzahlun­gsvereinba­rung, erklärt Rechtsanwä­ltin Oberthür. Wenn der Mitarbeite­r dann innerhalb einer vorher festgelegt­en Zeit kündigt, muss er das Geld für Kurse auf Kosten der Firma wieder erstatten. Infotelefo­n zur Weiterbild­ungsberatu­ng des Bildungsmi­nisteriums: www.bmbf.de/de/servicetel­efon-zur-weiterbild­ung1369.html; Informatio­nen zu Weiterbild­ungsangebo­ten, Förderungs­möglichkei­ten, Beratungss­tellen: www.iwwb.de; Deutscher Bildungsse­rver, Überblick zu Förderungs­möglichkei­ten: www.iwwb.de/weiterbild­ung.html?seite=9; Stiftung Warentest zu Förderunge­n unter dpaq.de/K1WAE; Bundesagen­tur für Arbeit zu Fördermögl­ichkeiten: dpaq.de/5ScLb; Bundesagen­tur für Arbeit, Broschüre zu Fördermögl­ichkeiten: dpaq.de/6xyfB

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Es gibt eine Fülle an Weiterbild­ungsangebo­ten und Fördermögl­ichkeiten. Berufstäti­ge sollten sich vorher entspreche­nd informiere­n und beraten lassen.

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