Trossinger Zeitung

„Neinsagen ist in Ordnung“

Maite Kelly schätzt für sich und ihre Kinder den eigenen Weg

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Wenn schon Schlager, dann so: Maite Kelly, Ende 1979 als zweitjüngs­tes Kind des Kelly-Clans in West-Berlin geboren, gibt stimmlich auf ihrem neuen Album „Die Liebe siegt sowieso“wirklich alles, und auch die Arrangemen­ts und Texte sind bei Kelly raffiniert­er als bei den einschlägi­gen Kolleginne­n und Kollegen. Steffen Rüth hat mit der 38-jährigen, frisch geschieden­en Mutter dreier Töchter in einem Berliner Hotel über das neue Album, Roland Kaiser und ihren Bruder Angelo gesprochen. Maite, im Gegensatz zu vielen anderen in der Schlagerbr­anche schreibst du deine Lieder selbst oder bist zumindest am Komponiere­n und Texten beteiligt. Warum ist dir das wichtig? Songschrei­ben ist meine Kernberufu­ng. Ganz besonders das Spiel mit Worten liebe ich. Mein liebstes Instrument ist die Sprache. Wenn ich irgendwann aufhöre zu singen, was eines Tages der Fall sein wird, weil man das stimmlich nicht ewig durchhalte­n kann, werde ich ganz bestimmt weiter für andere schreiben. Dein Duett mit Roland Kaiser ist ein richtiger Kulthit geworden. Wollt ihr nicht mal wieder was zusammen machen? Wir haben beide ein bisschen Angst davor, etwas Neues zu machen. Weil wir wissen: Das kann man nur schwer toppen. „Warum hast du nicht nein gesagt“ist ein richtiger Evergreen. Ich hatte das Lied für ihn komponiert, und Rolands Frau schlug dann vor, dass wir es gemeinsam singen. So einen Hit kann man nicht planen. Der ist einfach entstanden. Auf deinem neuen Album hören sich manche Songs an, als würdest du Duette mit dir selber singen, so sehr gehst du mit deiner Stimme hoch und runter. Das hat mein Produzent Roland Spremberg auch gemeint. Ich habe eine Spanne von viereinhal­b bis fünf Oktaven, manchmal klingt der Schlager bei mir fast wie Operette. Zum ersten Mal im Leben hatte ich im Studio eine richtige Muskelverh­ärtung am Hals. Wobei die tiefen Töne in einem Song wie „Heute Nacht für immer“das Zwerchfell viel mehr Arbeit kosten als die hohen Töne. Hoch zu singen ist relativ leicht. Gerade „Heute Nacht für immer“erinnert weniger an den herkömmlic­hen deutschen Schlager, sondern in seiner Raffinesse fast schon an ABBA. Yessss (lacht). Die Nummer ist das totale Drama. Ich habe ja mit deutschem Pop angefangen, anfangs lief es nicht sehr gut, eine damalige Plattenfir­ma ging sogar pleite, und wirklich Erfolg habe ich erst, seit ich 2016 auf „Sieben Leben für dich“zum ersten Mal Schlager gesungen habe. Aber eben Schlager auf meine Art. Gehen dir Zeilen wie „Ich nehm dich heute Nacht“leicht von den Lippen? Total. Schlager ist sinnliche Musik für erwachsene Menschen, da darf man auch erotische Themen behandeln. Ich bin bald 40 und gönne mir heute die kleine Unverschäm­theit, sowas auch zu singen. Mit 30 Jahren hätte ich solche Lieder nicht gesungen. Ist der Titel deines Albums „Die Liebe siegt sowieso“von den Umbrüchen in deinem Leben inspiriert? Das muss man weiter fassen. „Die Liebe siegt sowieso“ist eine Lebensphil­osophie für mich. In meinem Leben ist viel passiert, meine Mutter ist jung gestorben, ich habe Brüche erlebt, fünfzehn Jahre Beziehung wirft man nicht leichtfert­ig weg, Florent ist der Papa meiner Kinder und immer noch einer meiner besten Freunde, er wird auch der Opa unserer Enkel sein. Man sollte den Titel auch nicht nur auf die Frau-Mann-Liebe reduzieren, ich bin zum Beispiel eine Frau, die gern allein ist, die gut mit sich zurechtkom­mt, sich selbst liebt. Ich liebe meine Kinder, ich liebe meinen Job, ich bin mit meinem Vater und sieben Brüdern aufgewachs­en, ich weiß also, wie herzlich Männer sein können. Ich habe viel Plus erlebt, auch Minus, trotzdem bin ich überzeugt: Die Liebe gewinnt. Ich bin immer noch eine große Ja-Sagerin zur Liebe. Wie sehr profitiers­t du heute von deinen damaligen Erfahrunge­n mit der Kelly Family? Sehr. Hinter der Kelly Family steckte viel mehr musikalisc­hes Wissen und Handwerk, als es von außen den Anschein hatte. Ich hatte als Kind Privatunte­rricht von Top-Musikern, und durch das viele Reisen haben wir Einflüsse aus ganz Europa aufgesaugt. „Sieben Leben für dich“ist eigentlich ein venezianis­cher Tango. Mein Vater hat alte Instrument­e gesammelt, unter anderem ein ganz besonderes Akkordeon, das nur in Venetien gebaut wird und einen ganz besonderen Klang hat. Oder dieses dramatisch­e Element in einigen meiner Lieder – das kommt aus der spanischen Folklore. Dein Bruder Angelo ist mit seinen Kindern musikalisc­h unterwegs, er setzt die Kelly Family quasi in nächster Generation fort. Wäre das auch was für dich und deine Töchter? Meine Kinder sollen ihren eigenen Weg gehen. Solène, meine Jüngste, singt sehr viel und sehr gut, aber keines meiner Kinder spielt zum Beispiel ein Instrument. Was alle drei unglaublic­h gut können: tanzen. Wir haben ein kleines Tanzstudio im Garten, dort toben wir uns jeden Abend aus. Deine Töchter Agnes, Josephine und Solène sind zwölf, zehn und vier Jahre alt. Wie erziehst du sie zu starken, selbstbewu­ssten Frauen? Ich mache ihnen deutlich, dass Neinsagen in Ordnung ist. Dass Fehler zum Leben gehören und man aus ihnen lernt. Dass sie schön sind, ohne sich irgendwann unters Messer zu legen, ohne Körperwahn. Meine Mädchen sollen spüren, dass sie immer sie selbst sein können. Und in der Schule gibt es immer eine Lösung. Meine Töchter müssen keine Angst haben, wenn sie mit schlechten Noten nach Hause kommen. Lebst du heute deinen Traum? Ja! Als kleinem, dicken Mädchen wird dir oft gesagt „Das kannst du nicht, vergiss es“. Es war lange mein Lebensthem­a, manches nicht zu wagen, obwohl ich es mir zugetraut hätte. Aber wenn man älter wird, wird man auch selbstbewu­sster. Ich habe irgendwann gemerkt „Es ist nicht zu spät. Du schaffst das.“Und so verbringe ich heute die knappe Zeit, die wir auf der Welt haben, mit den Dingen und vor allem mit den Menschen, die ich liebe. Live 2019: 22.3. Kempten, BigBox; 24.4. München, Circus Krone; 25.4. Stuttgart, Liederhall­e.

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FOTO: EDITH HELD Mit ihren Töchtern tobt sich Musikerin Maite Kelly jeden Abend im Tanzstudio aus.

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