Breitseite der Bayern-Bosse
Hoeneß und Rummenigge gegen Medien und Ex-Spieler
MÜNCHEN (ps) - In bislang ungekannter Härte haben Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß, die Chefs des kriselnden Fußball-Bundesligisten FC Bayern, am Freitag in München die Medien und Ex-Profis des Vereins angegriffen. Die Berichte zuletzt, vor allem jene über die Nationalspieler Manuel Neuer, Jérôme Boateng und Mats Hummels, seien „respektlos und widerlich“(Präsident Hoeneß) sowie „hämisch und polemisch“(Vorstand Rummenigge) gewesen. Der Club werde dies nicht weiter akzeptieren, auch nicht von ehemaligen Spielern des Clubs.
Prompt wehrten sich die Ex-Bayern Olaf Thon und Lothar Matthäus. Thon, der Hummels und Boateng vorgeworfen hatte, „Altherrenfußball“zu spielen, blieb bei seiner Meinung: „Das war einfach sehr behäbig, was da gespielt wurde. Das darf man dann durchaus mal sagen.“Matthäus wertete die Wut-Pressekonferenz als Ablenkungsmanöver.
MÜNCHEN - Zunächst betrat Niko Kovac die Bühne an der Säbener Straße. Bei einem Konzert würde man sagen: die Vorband. Der Bayern-Trainer versuchte, Lockerheit und Zuversicht bei seinem Auftritt auf dem Podium auszustrahlen. „Ich bin richtig gut drauf, wirklich. Glauben Sie mir!“Vier Spiele ohne Sieg, der Absturz auf Rang sechs der Bundesliga hat den FC Bayern in eine Krise schlittern lassen, doch Kovac will wenig ändern an Spielsystem und Personal. „Man darf nicht alles auf den Kopf stellen, weil das purer Aktionismus ist“, sagte er. Es fehle nur „das Quäntchen“, also das Glück, und überhaupt sei die Stimmung „bei uns positiv“.
Als er abtrat, wünschte er den Journalisten „Viel Spaß!“mit dem kommenden Auftritt, denn nun enterte der Hauptact des Tages die Bühne: die Bosse. Präsident Uli Hoeneß und Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge, die das noch recht frische Band-Neumitglied Hasan Salihamidzic mit „on stage“genommen hatten. So geschlossen trat man zuletzt bei der Vorstellung neuer Trainer (Jupp Heynckes) oder dem verbalen Nachtreten gegenüber entlassenen Trainern (Louis van Gaal) auf. Unterlassungsklagen angekündigt Es gab an diesem Freitag um kurz nach 12 Uhr nichts zu verkünden, keinen faktischen Anlass. Außer: Ärger, Wut, Magengeschwüre. Also raus damit! Die Abteilung Gegenattacke verkündete, man wolle den Klub gegen Angriffe von außen schützen, gegenüber den Medien. Bestimmte Verlage, etwa Springer, hätten bereits Unterlassungsklagen erhalten, künftig werde man auch Gegendarstellungen einfordern. „Wir haben beschlossen, dass wir uns ab sofort nicht mehr alles gefallen lassen“, sagte Rummenigge. „Unverschämt, respektlos und polemisch“seien einige Berichte über Bayern-Spieler gewesen. „Die Polemik scheint keine Grenzen mehr zu kennen. Das gilt für Medien, das gilt auch für Experten, und das gilt vor allen Dingen auch für Experten, die mal bei diesem Klub Fußball gespielt haben.“Womit Olaf Thon, Stefan Effenberg und Lothar Matthäus gemeint waren.
Sie sind damit endgültig aus der so oft propagierten Familie FC Bayern verstoßen. „Dieser Verein“, sagte Rummenigge, werde „wieder zu einer Einheit finden, wie Sie (die Medien) das lange Zeit nicht erlebt haben.“
Er verwies auf Artikel 1 des Grundgesetzes („Die Würde des Menschen ist unantastbar“), dann schmissen sich die Bosse schützend vor ihre Spieler, etwa vor Torhüter Manuel Neuer, das Innenverteidiger-Duo Mats Hummels und Jérôme Boateng, denen kürzlich Altherren-Fußball vorgeworfen wurde, und vor die Flügel-Platzhirsche Arjen Robben und Franck Ribéry.
Auf Nachfragen nach konkreten Artikeln hatten weder Hoeneß noch Rummenigge, die emotional angestachelt, aber faktisch unvorbereitet schienen, nur wenige eher unkonkrete Beispiele parat, einzelne Journalisten seien „Schlaumeier“wie Hoeneß einem zuraunte. Als die Frage kam, ob sich auch Hoeneß in seiner Rhetorik künftig etwas zurückhalten werde, nachdem er den zurückgetretenen Nationalspieler Mesut Özil im Juli beschimpft („Der hat seit Jahren einen Dreck gespielt, den letzten Zweikampf vor der WM 2014 gewonnen.“) hatte, räumte der Bayern-Präsident ein, er hätte „Mist“sagen sollen und nicht „Dreck“. Und auch bei der Beschimpfung des Leverkuseners Karim Bellarabi, der im September den Münchner Rafinha rüde gefoult hatte, sei er übers Ziel hinausgeschossen. „Manchmal, das gebe ich auch zu, ist man unmittelbar nach einem Spiel ziemlich, sagen wir mal, emotional und aufgeregt. Das Wort ,geisteskrank' hätte ich zum Beispiel nicht sagen sollen. Das war total übertrieben.“Nanu? Hoeneß geläutert? Er bleibe grundsätzlich bei seiner Meinung über diese Spieler, sagte er. Hoeneß attackiert Bernat Als wenig später die Sprache auf Juan Bernat kam, der laut Einschätzung vieler Medien dem Trainer nach dem Verkauf an PSG nun als Alternative auf der Linksverteidiger-Position fehle, wurde Hoeneß laut und emotional, sagte aufgeregt, Bernat sei beim Champions-League-Spiel in Sevilla (2:1) „alleine“dafür verantwortlich gewesen, „dass wir fast ausgeschieden waren. Und an dem Tag ist entschieden worden, dass wir ihn abgeben. Weil er uns fast die ganze Champions League gekostet hätte“. Hoeneß zu einem Sky-Reporter: „Da hätte ich gerne deinen Kommentar gehört, was er für einen Scheißdreck gespielt hat.“Beim Thema Bernat war Hoeneß: unverschämt, respektlos und polemisch.
Mit dieser verstörenden, leicht misslungenen Pressekonferenz haben die Bayern-Verantwortlichen Rückschlüsse auf ihr aktuell hauchdünnes Nervenkostüm und auf ihre Einteilung der Welt außerhalb ihrer Welt zugelassen: Es gibt Gut und Böse. Es gibt Bayern und Böse. Doch wer mit Hochmut und Selbstherrlichkeit als engsten Ratgebern agiert, steuert auf einen verstörenden Realitätsverlust zu. Man belehrt, man richtet, man droht, man beschimpft – altbekannte Reaktionen der vereinseigenen Gerichtsbarkeit und Hybris.
Im Übrigen, das darf nicht unterschlagen werden, hatte man doch noch etwas zu verkünden: Sportdirektor Salihamidzic sagte: „Es wird besser werden. Wir werden wieder gewinnen.“Na wenigstens das. Ob sie heute beim VfL Wolfsburg (15.30 Uhr/ Sky) damit anfangen?