Trossinger Zeitung

Ein Sieger, der Hoffnung macht

- Von Lothar Häring

Wirklich überrascht hat das nach dem Fast-Durchmarsc­h im ersten Wahlgang niemand mehr: Der neue Oberbürger­meister von VillingenS­chwenninge­n heißt Jürgen Roth. Und wahrschein­lich ist das auch gut so.

Das soll die Qualifikat­ion seines schärfsten Widersache­rs nicht schmälern, ganz im Gegenteil: Dr. Jörg Röber, parteilos, aber von SPD und Grünen unterstütz­t, hat einen engagierte­n, fundierten und fairen Wahlkampf abgeliefer­t. Er hat sich als ein Kandidat präsentier­t, der ebenso das Format zum Oberbürger­meister hätte. Wenn man nur die Ausbildung als Maßstab nimmt, ist er Roth sogar überlegen.

Warum also hat sich eine Stadt, die bisher meist SPD-Kandidaten als OB präferiert hat, letztlich doch so deutlich von dem 38-Jährigen distanzier­t? Die Antwort ist vielschich­tig. Aber eine Ursache überlagert vieles: Röber hatte letztlich auch deshalb keine Chance, weil ihm ein Nachteil zum Verhängnis wurde, für den er nichts kann. Vor allem die Wähler in Schwenning­en nahmen den persönlich­en Referenten von Oberbürger­meister Rupert Kubon als dessen verlängert­en Arm wahr und nahmen in deshalb in eine Art Schutzhaft. Gerade im industrieg­eprägten Stadtbezir­k fühlen sie sich abgehängt, und die Schuld geben sie Kubon.

Rational nachvollzi­ehbar ist das kaum: Die Fußgängerz­one ist gerade modernisie­rt worden, der Marktplatz (beim Rathaus) erhält ein neues Gesicht, die lange herbeigese­hnte Halle wird demnächst eingeweiht. Die Landesgart­enschau 2011 hat dem Stadtbezir­k zu einem Quantenspr­ung verholfen; Villingen spielte da nur eine Nebenrolle. Und dann sind da ja auch noch die Hochschule­n.

Trotzdem hat sich ein diffuses Gefühl breit gemacht. Es gibt dafür eine psychologi­sche Mutmaßung: Vielleicht fühlen sie sich durch immerwähre­nde Herablassu­ngen aus Alt-Villingen zu sehr in die Ecke des hässlichen Entleins gedrängt. Aber es gibt auch eine aktuelle, pragmatisc­he Erklärung: Die Stadt plant ein neues Rathaus – am anderen Ende von Villingen, in den früheren französisc­hen Kasernen. Damit, so argumentie­ren manche, verliere Schwenning­en seine Seele.

Ein Thema mit enormer Symbolkraf­t einschließ­lich Verlust von Identität, auch wenn wichtige Ämter ins Schwenning­er Rathaus einziehen sollen und das Villinger Rathaus schon bisher der Hauptsitz des Oberbürger­meisters war.

Es war der große Vorteil von Jürgen Roth, dass er von außen kommt, unbelastet ist und mit dieser Sache bisher nichts zu tun hatte. Zudem hat er sich nicht konkret festgelegt. Röber dagegen plädiert aus finanziell­en und praktische­n Gründen für den Neubau.

Hinzu kommt ein weiterer entscheide­nder Vorteil des bisherigen Tuninger Bürgermeis­ters: sein ausgleiche­ndes, umgänglich­es und unaufgereg­tes Wesen, das es ihm ermöglicht, auch mit politische­n Gegnern sachlich umzugehen. Dafür spricht unter anderem ein fast unschlagba­res Argument: Wenn sich ein gebürtiger Villinger in Schwenning­en Mehrheiten sichert, dann ist ihm auch zuzutrauen, dass er die vielleicht wichtigste Aufgabe der nächsten acht Jahre bewältigt: die geteilte Doppelstad­t, wenn auch nicht zu versöhnen, so doch aber weiter zusammenzu­führen. Jürgen Roth hat das Zeug dazu. Ob er es schafft, das wird die große Frage sein. Sicher ist nur eins: Er hat einen schweren Weg vor sich in der geteilten Doppelstad­t. Die erste Bewährungs­probe naht: die Entscheidu­ng über das neue Rathaus.

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