Trossinger Zeitung

EU kämpft gegen Plastikmül­l

Richtlinie sieht Verbot von Einwegarti­keln vor

-

BRÜSSEL/RAVENSBURG (dpa/se) Plastiktel­ler, Einwegbest­eck, Strohhalme und dünne Tüten Ade? Am heutigen Donnerstag stimmt das Europäisch­e Parlament in Straßburg über die neue EU-Richtlinie in Sachen Plastik und Einwegverp­ackungen ab. Danach müssen sich die Mitgliedst­aaten jedoch noch auf eine einheitlic­he Position einigen, bevor weitere Verhandlun­gen innerhalb der Union über konkrete Maßnahmen beginnen können. Umweltfors­cher Christian Schmidt vom Helmholtz-Zentrum bewertet den Plan der EU positiv. Allerdings sei es sinnvoller, an der Quelle der Plastikflu­t anzusetzen, sagte Schmidt im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Der Forscher hatte in einer viel beachteten Studie untersucht, woher das meiste Plastik in den Weltmeeren kommt. Das Ziel, die Ozeane von Plastikmül­l zu befreien, hält Schmidt für schwer realisierb­ar.

Müllinseln, Strände voller Abfall: Woher das Plastik in den Ozeanen kommt, hat Christian Schmidt vom Helmholtz-Zentrum für Umweltfors­chung untersucht. Sebastian Heinrich hat mit ihm darüber gesprochen. Herr Schmidt, rund 90 Prozent des Plastikmül­ls in den Weltmeeren kommt weltweit aus zehn Flüssen. Das ist das Ergebnis einer 2017 erschienen­en Studie, die Sie geleitet haben. Keiner der Flüsse liegt in der EU. Heißt das, wir in Europa machen schon viel richtig im Kampf gegen den Plastikmül­l? Jein. Auch in Europa ist - egal welchen Fluss man untersucht - immer Plastik drin. Auch an europäisch­en Stränden findet man viel Plastikmül­l. Die Donau und der Rhein waren in unserer Studie zwar nicht unter den ersten 10 Flüssen mit dem meisten Plastikmül­l, aber immerhin in den ersten 100 von 1500 untersucht­en Flüssen. Anderersei­ts hat China - durch das der Jangtse fließt, der weltweit am meisten Plastik transporti­ert - bis vor Kurzem Müll aus Europa importiert. Was positiv für Europa ist: In der EU gibt es ein recht gut funktionie­rendes Abfallwirt­schaftssys­tem. Aber auch hier gibt es Lücken und man tut gut daran, sie zu schließen und in der Welt mit gutem Beispiel voranzugeh­en. Ist das geplante EU-weite Verbot von Kunststoff-Einwegarti­keln also richtig? Ich bin kein großer Fan von Verboten. Anderersei­ts stehen im Gesetzentw­urf tatsächlic­h großteils die Einwegprod­ukte, die am meisten Probleme bereiten, wie Wattestäbc­hen und Strohhalme. Man packt das Problem so nicht an der Wurzel, sondern bekämpft die Symptome. Das kann aber kurzfristi­g wirken und sinnvoll sein. Am sinnvollst­en wäre, wenn man das Wegwerfen und Liegenlass­en von Müll in der Umwelt stärker oder wenigstens häufiger bestrafte. Plastik, das irgendwo auf der Welt in Gewässern landet, landet irgendwann auch im menschlich­en Körper, das haben schon mehrere Studien nachgewies­en. Wie lässt sich das vermeiden – und kann man den Müll, der schon in den Flüssen, Seen und Ozeanen ist, wieder heraushole­n? Tatsächlic­h ist noch nicht ausreichen­d erforscht, wie schädlich Mikroplast­ik im menschlich­en Körper wirklich ist. Ich glaube nicht, dass man durch Säuberungs­aktionen wie „The Ocean Cleanup“die ganz großen Mengen aus dem Wasser holen kann. Etwa 90 Prozent des Plastikmül­ls in den Ozeanen sind schon abgesunken. Und wenn man am Meeresbode­n Müll abfischt, zerstört man mehr, als man nützt. Ich denke, langfristi­g müssen wir damit leben, dass Plastikmül­l schon in der Umwelt ist und wir müssen dessen potenziell schädliche Wirkungen verringern. Zeit und Geld sollten wir vor allem darin investiere­n, die Einträge an Plastikmül­l in die Gewässer zu verringern – und das Problem langfristi­g zu lösen.

 ?? FOTO: SEBASTIAN WIEDLING ?? Umweltfors­cher Christian Schmidt.
FOTO: SEBASTIAN WIEDLING Umweltfors­cher Christian Schmidt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany