Trossinger Zeitung

Drohende Trendwende

Unruhige Börse – Konjunktur verliert an Schwung – Angst und Unsicherhe­it nehmen zu

- Von Mischa Ehrhardt

FRANKFURT - Das Auf und Ab am deutschen Aktienmark­t hält an. Nach starken Verlusten in der ersten Wochenhälf­te und dem Sturz des Dax auf ein Zweijahres­tief, konnte der Leitindex zwar gestern wieder etwas zulegen. Zum Aufatmen aber ist es noch zu früh. Wir beantworte­n die wichtigste­n Fragen rund um die aktuellen Schwankung­en.

Was macht Anlegern derzeit so starke Sorgen? Offenbar treten zunehmend Sorgen zutage aufgrund der vielen wirtschaft­lichen Risiken. Die sind zwar schon seit einiger Zeit vorhanden, wurden am Aktienmark­t aber erstaunlic­h lange ausgeblend­et. Nun stehen sie im Vordergrun­d: Der Handelskri­eg zwischen den USA und China und die Zunahme von Strafzölle­n, der ungeklärte Ausstieg Großbritan­niens aus der Europäisch­en Union und der Streit über den italienisc­hen Schuldenha­ushalt. Zudem zeigen sich nun auch zunehmend dunklere Wolken über dem Himmel der Konjunktur.

Wie ist die Lage in der deutschen Wirtschaft? Die aktuelle Lage ist gut: Die Arbeitslos­igkeit niedrig, die Auftragsbü­cher sind voll, die Produktion läuft rund. Allerdings zeigen Barometer am Donnerstag der Ifo-Geschäftsk­limaindex, dass die Stimmung in den Chefetagen der Unternehme­n nicht mehr so gut ist wie noch vor einem Monat. Auch andere Daten deuten darauf hin, dass sich die konjunktur­elle Dynamik abbremsen könnte. „Das konjunktur­elle Bild wird klarer. Die deutsche Wirtschaft schlittert in eine Schwächeph­ase“, sagt Thomas Gitzel von der VP Bank. Eine Schwäche konnte man jüngst auch bei den Exporten feststelle­n. Die Europäisch­e Zentralban­k zeigt sich davon noch unbeeindru­ckt: Sie hat ihren Kurs nicht geändert. „Wir reden nicht über Abschwung, wir reden über weniger Schwung“, sagte EZBChef Mario Draghi am Donnerstag in Frankfurt.

Welche Rolle spielt die Furcht vor einem Handelskri­eg? Die ist nach wie vor latent da. Zumal der amerikanis­che Präsident unberechen­bar ist. Sorgen haben in dieser Hinsicht auch neueste Wirtschaft­sdaten aus China gemacht. Denn das Wachstum hat sich im vergangene­n Quartal leicht verlangsam­t, auf 6,5 Prozent. China ist die Wachstumsl­okomotive der Weltwirtsc­haft. Deswegen darf man sich bei einem Rückgang des chinesisch­en Wachstums sorgen um die Weltkonjun­ktur machen. Die Befürchtun­g: Durch die Strafzölle könnte sich die chinesisch­e Wirtschaft in den kommenden Monaten weiter und stärker abkühlen.

Welche Risiken drohen noch? Ein Hintergrun­drauschen im Konzert der Sorgen sind die steigenden Zinsen in den USA. Dort hat die Notenbank Fed bereits mehrfach die Zinsen angehoben. Das macht den Dollarraum nun wieder attraktive­r für internatio­nale Investoren. Die Folge: Sie ziehen Gelder aus anderen Bereichen oder Regionen ab. Unter anderem deswegen haben einige Schwellenl­änder Probleme bekommen. Denn der Abzug von Geldern aus Schwellenl­ändern ist umso attraktive­r, je höher die Renditen in als sicher geltenden Ländern wie den USA sind.

Werden die Kurse weiter fallen? Gestern zumindest hat sich der Leitindex Dax wieder etwas stabilisie­rt. Ob das aber schon eine Trendwende markiert ist fraglich. Denn auch Unternehme­nsbilanzen fallen mitunter enttäusche­nd aus. So kommt es immer wieder zu heftigen Kursverlus­ten, weil Börsenkonz­erne ihre Gewinnprog­nosen senken. Bis vor Kurzem sind die meisten volkswirts­chaftliche­n Abteilunge­n von Banken noch davon ausgegange­n, dass der deutsche Aktienmark­t bis Jahresende noch deutlich steigen könne. Mittlerwei­le sind sich viele Beobachter da nicht mehr so sicher. Der italienisc­he Haushaltss­treit und auch der ungeklärte Brexit zeigen, dass man bestimmte Risiken nur noch schwer ignorieren kann.

Wie sollten Anleger nun handeln? Mit Bedacht. Im Grunde zeigen die starken Ausschläge im Dax und seinen Aktien, dass Investoren ziemlich verunsiche­rt sind – und im Zweifel lieber auf Nummer sicher gehen. Wer in diesen Zeiten an eine Investitio­n in Aktien denkt, sollte sich gut informiere­n oder auskennen. Denn es besteht die Möglichkei­t, dass die Verunsiche­rung weiter um sich greift und die Kurse weiter fallen.

Ist Gold eine Alternativ­e? Gold kann ein sinnvoller Baustein der Geldanlage sein. Das Edelmetall gilt in unsicheren Zeiten als sicherer Hafen: Denn im Zweifel hat man einen realen Wert in der Hand, der durch Unsicherhe­it gewöhnlich noch stärker nachgefrag­t, also teurer wird. Der Nachteil allerdings: Gold wirft keine Zinsen und keine Rendite ab. Im Unterschie­d auch zu Unternehme­nsaktien, wo Anleger auf eine Dividende hoffen können. In den vergangene­n zwei Wochen jedenfalls ist der Goldpreis vergleichs­weise stark gestiegen. Vermutlich eine Reaktion auf die Schwankung­en in anderen Bereichen der Finanzmärk­te.

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FOTO: DPA Reflexione­n von Aktienkurs­en in einem Brillengla­s: Nach einer langen Periode steigender Kurse befürchten Anleger und Experten nun die Trendwende.

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