Trossinger Zeitung

EU bremst Initiative­n für mehr Tierwohl aus

Gesetz soll Position von Bauern gegenüber Händlern stärken – Kritik wegen minimierte­r Standards bei Tierhaltun­g

- Von Daniela Weingärtne­r

BRÜSSEL - David gegen Goliath – dieses Bild wird häufig gewählt, wenn die großen Lebensmitt­elketten den Erzeugern ihre Bedingunge­n und Preise aufzwingen. Deshalb hat das Europaparl­ament am Donnerstag ein Gesetz „zur Bekämpfung des unlauteren Handels in der Lebensmitt­elversorgu­ngskette“auf den Weg gebracht.

Um Zeit zu sparen, wandert es direkt aus dem Landwirtsc­haftsaussc­huss in die Verhandlun­gen mit Rat und Kommission. Die Grünen versuchten die Prozedur in letzter Minute zu stoppen, weil sie einen Passus für fatal halten, der es Einzelhänd­lern verbietet, strengere Gesundheit­sund Tierschutz­standards von den Erzeugern zu fordern, als es gesetzlich vorgeschri­eben ist.

Würde das Gesetz in der jetzigen Form verabschie­det, könnte Aldi sein „Fair & Gut“-Label nicht behalten, weil es für gehobene Tierschutz­standards im konvention­ellen Landbau steht – eine freiwillig­e Selbstverp­flichtung, die nicht gesetzlich vorgeschri­eben ist, die Aldi aber von seinen Zulieferer­n verlangt. Laut Auskunft des Konzerns orientiert sich das Gütesiegel an den Mindeststa­ndards des Deutschen Tierschutz­bundes und steht für eine Fleischpro­duktion, die nicht alle Kriterien für Bioprodukt­e erfüllt, aber verantwort­ungsvoller mit dem Tierwohl umgeht als die konvention­elle Tierhaltun­g.

Ein ähnliches Konzept hat Mitbewerbe­r Lidl entwickelt. Wie jetzt schon bei Eiern kann der Verbrauche­r auf der Verpackung sehen, ob die Tiere nach gesetzlich­em Mindeststa­ndard, etwas besser oder nach Biostandar­d aufgezogen wurden. Auch dieses System wäre nach dem neuen Gesetz nicht mehr zulässig.

„Es ist nicht zu verstehen und zu vermitteln, dass die Sozialdemo­kraten die Konservati­ven in ihrer Forderung unterstütz­en, dass dem Handel künftig verboten werden soll, Waren über dem gesetzlich­en Standard beim Umwelt- und Tierschutz anzubieten“, erklärt der grüne EU-Abgeordnet­e und agrarpolit­ische Sprecher der Fraktion Martin Häusling. Auch die Grünen waren zunächst dafür, das Gesetz direkt aus dem Agraraussc­huss in die Verhandlun­gsrunde zu schicken, da es so noch unter österreich­ischer Ratspräsid­entschaft bis Ende des Jahres verabschie­det werden kann. Die österreich­ische Landwirtsc­haftsminis­terin Elisabeth Köstinger (ÖVP) setzt sich sehr dafür ein, die Verhandlun­gsposition der Bauern gegenüber dem Einzelhand­el zu verbessern und unfaire Praktiken zu verbieten.

Ein weiteres Problem sieht das Centrum für Europäisch­e Politik (CEP) in Freiburg. Die vom Europaparl­ament vorgelegte Fassung verbietet den Zusammensc­hluss von Einzel- und Großhandel zu Einkaufsge­meinschaft­en wie Edeka oder Rewe. Auch landwirtsc­haftliche Genossensc­haften, die gegründet wurden, um den mächtigen Supermarkt­ketten auf Augenhöhe begegnen zu können, fallen unter Umständen unter das Verbot. „Der heutige Beschluss schießt über das Ziel hinaus“, kritisiert CEP-Handelsexp­erte Muhammed Elemenler. „Er würde den Wettbewerb und Handel in der Lebensmitt­elbranche durch eine Vielzahl teilweise sich überschnei­dender und nicht durchdacht­er Verbote ersticken.“Da sich das Parlament mit der gestrigen Abstimmung festgelegt hat, bleibt den kritischen Abgeordnet­en nun nur die Hoffnung, dass die Agrarminis­ter widersinni­ge Regelungen aus dem Text herausverh­andeln.

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FOTO: DPA Eine Muttersau liegt neben Ferkeln in einer Schweinezu­chtanlage: Ein Gesetzentw­urf des Europaparl­aments sieht vor, dass Einzelhänd­ler von Erzeugern keine Gesundheit­s- und Tierschutz­standards fordern dürfen, die strenger sind als die gesetzlich­en Mindeststa­ndards.

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