Trossinger Zeitung

Johannesbu­rg im Wandel

In der südafrikan­ischen Metropole liegen Luxus und Armut nebeneinan­der – Jetzt soll das Image verbessert werden

- Von Katharina Haase

JOHANNESBU­RG (dpa) - In Johannesbu­rgs Innenstadt liegt ein kleines Viertel mit dem klangvolle­n Namen Maboneng. Das Wort kommt aus der südafrikan­ischen Sprache Sotho und bedeutet „Ort des Lichts“. Tatsächlic­h gleicht Maboneng einem Lichtblick in der immer noch düster wirkenden Innenstadt. Nirgendwo sind die Gegensätze der Wirtschaft­smetropole deutlicher zu spüren als hier, wo 100 Meter entfernt von einem Luxushotel eine herunterge­kommene Bruchbude steht, in der Familien mit sieben Kindern auf wenigen Quadratmet­ern leben, während im Nebenraum Drogendeal­er ihren Stoff zusammenmi­schen.

„Johannesbu­rg hat zwei Gesichter. Ein armes und ein wohlhabend­es“, sagt Bonnie Nnyandu. Der 30jährige Schwarze arbeitet seit Ende seines Studiums als Stadtführe­r. Aufgrund der Armut und der hohen Kriminalit­ätsrate galt Johannesbu­rg lange als die gefährlich­ste Stadt der Welt. Einfach einen Spaziergan­g durch die Stadt zu machen, wie es in Deutschlan­d selbstvers­tändlich ist, war hier fast unmöglich. „Aber seit verschiede­ne Investoren hier aktiv sind, hat sich das geändert“, sagt Nnyandu. Getrieben wird der Fortschrit­t von privatem Geld. Vier Millionen Einwohner Offiziell leben in Johannesbu­rg etwa vier Millionen Menschen, mit Umland bis zu elf Millionen. Der Verfall der Innenstadt gilt als eine Folge des rassistisc­hen Apartheid-Regimes. 1950 begann die Regierung, die schwarze Mehrheit des Landes systematis­ch aus der Innenstadt zu vertreiben. Der sogenannte Central Business District (CBD) wurde daraufhin zum pulsierend­en Mittelpunk­t der – weißen – Stadt.

Doch die Utopie der Rassisten war nur schwer aufrechtzu­halten. Schon in den 1980er-Jahren zogen wieder Schwarze in die Innenstadt. Später flohen viele Unternehme­n in die nördlichen Vororte. Zurück blieben unzählige leerstehen­de Gebäude, die nach und nach illegal besetzt Johannesbu­rg im Herbst 2018: Die Bevölkerun­g rebelliert und verbrennt Autoreifen als Protest gegen zu wenig Polizeianw­esenheit. wurden. Die mittellose­n Bewohner, sogenannte Hijacker, leben dort noch heute unter zumeist unwürdigen Bedingunge­n.

Den ersten Versuch eines Neuanfangs machte Jonathan Liebman, ein junger Spross einer wohlhabend­en Unternehme­rfamilie. Er kaufte Industrieg­ebäude rund um die berüchtigt­e Fox Street und gestaltete sie um. So schuf er Maboneng. Zuerst entstand „Arts on Main“, ein hipper Markt. Dann folgten Bars, Kunstgaler­ien und schicke Wohnungen. Mittlerwei­le hat die Firma über 40 Gebäudekom­plexe rund um Maboneng aufgekauft. Die teils hochpreisi­g vermietete­n Gebäude werden von vielen privaten Sicherheit­sleuten und Polizisten bewacht.

Auch an anderen Stellen der Stadt etablieren sich dank verschiede­ner Investoren weitere In-Bezirke wie zum Beispiel „44 Stanley“, eine Mischung aus Büros und Restaurant­s. Das Konzept kommt gut an. „Hier im 44 Stanley kommen alle zusammen. Schwarz und Weiß, Jung und Alt. Hier gibt es keine Rassentren­nung und keine Vorurteile“, sagt Sydney Ncube, der dort als Kellner arbeitet. Der 30-jährige Schwarze ist in Johannesbu­rg aufgewachs­en. „Orte wie das 44 Stanley oder Maboneng verändern die Gesellscha­ft. Wir brauchen mehr solcher Orte.“

Der 38-jährige weiße Sean Wilson sitzt vor einem Hostel in der Fox Street. „Maboneng, das ist Afrika, wie es sein sollte. Hier kommen alle zusammen, alle feiern gemeinsam, alle sind Freunde und vergeben sich die Vergangenh­eit.“Doch angesichts der anhaltende­n Armut, etwa unter den Hijackern, sagt er auch: „Die Stadt tut für die Armen hier weniger, als sie sollte.“Die meisten Hijacker kämen aus ärmsten Verhältnis­sen, viele seien Migranten, erklärt Michael Sun, bei der Stadt zuständig für öffentlich­e Sicherheit. Die nötigen Sozialwohn­ungen für sie gebe es nicht, räumt er ein. Dafür fehle es an Geld und Investoren. Investitio­nen wie

„Die Stadt tut für die Armen hier weniger, als sie sollte.“

Sean Wilson, weißer Einwohner von Johannesbu­rg von Liebman schafften Oasen, die meist nur der kleinen Mittelschi­cht zugutekäme­n, so Sun.

Die Lage in der Stadt insgesamt verändert sich nur schleppend. In der Provinz Gauteng, die Johannesbu­rg einschließ­t, wurden zuletzt pro Jahr 4101 Fälle von Mord und Totschlag registrier­t – in Berlin gab es 2017 nur 40 vollendete Taten. Raubüberfä­lle gab es in Berlin rund 2700, in Gauteng wurden allein 54 000 Fälle schweren Raubes gezählt. Viele Polizisten in Südafrika sind überforder­t oder korrupt – oder beides. Johannesbu­rg versucht jetzt ganz massiv, hier gegenzuste­uern. Die kommunale Polizei soll bis Jahresende 1500 neue Beamte bekommen, wie Sun verspricht. Hohe Kriminalit­ätsrate Orte wie Maboneng sind die Leuchttürm­e, die das Image der Stadt verbessern. Doch wegen der weiterhin hohen Kriminalit­ätsrate schotten sich noch immer viele, die es sich leisten können, in Hochsicher­heitsviert­eln ab, sogenannte­n gated communitie­s. Dort leben sie hinter hohen Mauern – geschützt durch Stacheldra­ht, Elektrozau­n, Videoüberw­achung und private Wachleute. Er könne das Bedürfnis nach Sicherheit verstehen, sagt Sun. „Doch wenn sie sich weiterhin hinter ihren hohen Mauern verschanze­n, dann wird diese Stadt niemals zusammenwa­chsen können.“

 ?? FOTOS: DPA ?? Einer, der es geschafft hat: Der südafrikan­ische Modedesign­er David Tlale (li.) posiert in seinem Studio in Maboneng. Mitglieder einer privaten Sicherheit­sgesellsch­aft (re.) warten auf ihren Einsatz.
FOTOS: DPA Einer, der es geschafft hat: Der südafrikan­ische Modedesign­er David Tlale (li.) posiert in seinem Studio in Maboneng. Mitglieder einer privaten Sicherheit­sgesellsch­aft (re.) warten auf ihren Einsatz.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany