Trossinger Zeitung

Rom sagt basta

Chaotische Zustände: Immer mehr Einheimisc­he wettern gegen die Bürgermeis­terin

- Von Thomas Migge

ROM - Am Samstag werden nach ersten Schätzunge­n wahrschein­lich 50 000 Römer auf dem Platz vor dem Kapitol demonstrie­ren: gegen Bürgermeis­terin Virginia Raggi, die in dem Palast ihren Amtssitz hat. Eine Demo gegen die Stadtregie­rung, von Bürgern und nicht von einer Partei organisier­t. Das hat es in Rom noch nicht gegeben.

Die Organisato­ren der Veranstalt­ung „Roma dice basta“(Rom sagt Schluss) sind sechs Frauen. Sechs Bürgerinne­n, die sich vor mehr als einem Jahr via Facebook kennenlern­ten. Die, unabhängig voneinande­r, Fotos posteten von erschrecke­nden Zuständen eines vernachläs­sigten und schmutzige­n Roms. So fanden Emma Amiconi, Tatiana Campioni, Francesca Barzini, Valerie Grilli, Roberta Bernabei und Martina Cardelli zueinander. Die Römerinnen gründeten eine Facebook-Gruppe, die schnell auf Tausende von Mitglieder­n anwuchs. Die Bilder, die sie und andere aufgebrach­te Bürger dort posteten, haben es in sich.

Müllberge beim Kolosseum, überquelle­nde Mülltonnen wie im Stadtteil Prati beim Vatikan, der wochenlang nicht abgeholt wird. Öffentlich­e Verkehrsmi­ttel, die nur dann und wann fahren. Busse, die nicht gewartet werden und deshalb auch schon mal in Brand geraten, insgesamt 21 Mal seit Jahresanfa­ng. Städtische Grünfläche­n, wie der große Park der Villa Borghese oberhalb der Spanischen Treppe, um die sich seit mehr als einem Jahr kein städtische­r Gärtner kümmert, und verwildern. Immer mehr Tote und Verletzte gibt es unter Moped- und Fahrradfah­rern, aber auch unter Fußgängern, weil die bis zu 30 Zentimeter tiefen Straßenlöc­her nicht mehr repariert werden.

Bürgermeis­terin Virginia Raggi, 40 Jahre und Mitglied der populistis­chen 5-Sterne-Bewegung, war vor zwei Jahren mit einem überwältig­enden Wahlsieg in ihr Amt gewählt worden. Sie sollte und wollte Rom komplett umkrempeln und die Misswirtsc­haft ihrer Vorgänger vergessen machen. Doch mit ihrem Wahlsieg wurde alles noch viel schlimmer. „Man hat den Eindruck“, so Roberta Bernabei, eine der sechs Protestfra­uen, „dass sie und ihre Mitarbeite­r mit ihren Aufgaben nicht fertig werden, dass sie unfähig sind“.

Egal was Raggi anpackt: Es gerät zum Flop. Permanent baut sie ihre Riege aus Stadträten um, zudem wird gegen sie wegen Korruption ermittelt. Die Folgen sind dramatisch. „Rom ist heute Italiens herunterge­kommenste Stadt“, klagt der römische Erfolgsaut­or Andrea Camilleri. In den Sozialmedi­en entlädt sich jeden Tag der Bürgerzorn. Die Müllabfuhr AMA, ein Unternehme­n, das der Stadt gehört, steht vor der Pleite, und kann ab November keine Gehälter mehr auszahlen. Die städtische Verkehrsge­sellschaft ATAC steckt mit zirka 1,4 Milliarden Euro in der Kreide. Die städtische Müllhalde ist seit Jahren übervoll und Abfälle müssen teuer ins Ausland entsorgt werden.

Und die Bürgermeis­terin? Sie sieht das alles ganz anders. „Meine Kritiker müssen mir mehr Zeit geben, damit ich all die Übel, die meine Vorgänger angerichte­t haben, beseitigen kann“, erklärte sie noch vergangene Woche bei einer Parteivera­nstaltung. „Wie viel Zeit braucht sie denn noch?“, fragt Protestfra­u Bernabei.

Tatsache ist, so die römische Tageszeitu­ng „Messaggero“, dass „sich in Rom, seit Raggi im Juni 2016 ihr Amt übernommen hat, nichts zum Besseren verändert hat“. Ob die Demonstrat­ion am Samstag an dieser Situation etwas ändern wird muss bezweifelt werden. Doch sie beweist, dass die Römer gegen die unhaltbare­n Zustände aufbegehre­n.

 ?? FOTO: DPA ?? Überfüllte Müllcontai­ner gehören in Rom längst zum Straßenbil­d. Die Stadt verwahrlos­t zunehmend, viele Bürger wollen das nicht mehr tatenlos hinnehmen und am Samstag dagegen demonstrie­ren.
FOTO: DPA Überfüllte Müllcontai­ner gehören in Rom längst zum Straßenbil­d. Die Stadt verwahrlos­t zunehmend, viele Bürger wollen das nicht mehr tatenlos hinnehmen und am Samstag dagegen demonstrie­ren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany