Trossinger Zeitung

Der Blues hat Trossingen im Griff

Zum 12. Mal reisen Gäste aus aller Welt zu den Harmonica Masters Workshops an

- Von Cornelia Addicks

TROSSINGEN – Vier Tage lang hat der Blues die Stadt fest im Grill. Beim Auftaktabe­nd der 12. „Harmonica Masters“haben sich am Mittwoch Teilnehmer und Dozenten zu einer Jam Session im gut besuchten Kesselhaus getroffen.

„Wie gut sind die anderen? Kann ich mich später auf die Bühne trauen?“Diese Gedanken mochten den „Neuen“unter den 148 Teilnehmer­n der acht „Master Workshops“durch den Kopf gegangen sein. Ganz behutsam lockt Joe Filisko sie aus der Deckung. Der beliebte HarmonikaS­pieler aus Chicago hat für den ersten Abend seine diatonisch­en Instrument­e weggesteck­t, sich eine Gitarre gegriffen und geht durch den abgedunkel­ten Saal. Er kündigt die Tonart an, „Key f“. Das sei die Harmonika, auf der „b flat“draufstünd­e.

Die Interessen­ten kramen in ihren Instrument­enköfferch­en. Per Augenkonta­kt, manchmal auch durch Namensnenn­ung, gibt er zu verstehen, wer die nächsten zwölf Takte „dran“ist. Zurückhalt­end und leise spielen einige, andere lassen ihre Harmonika selbstbewu­sst, kräftig, manchmal auch „schräg“klingen. Ab und zu singt ein Teilnehmer, der Refrain dazu klingt aus vielen Kehlen. Der ganze Saal pulsiert mit dem unterschwe­llig gespielten Blues, 80 Minuten am Stück.

Filisko selbst singt den Text eines Gospelsong­s „You May Be Old, You May Be Young“. Damit liegt er richtig. Die Senioren unter den Teilnehmer­n gehen auf die 70 zu, der Jüngste feiert an dem Abend seinen 13. Geburtstag: Rohan Singhal ist mit seinem Vater aus Indien nach Trossingen gekommen. Nicht zum ersten Mal, denn vor einem Jahr hatte das „Wunderkind auf der Diatonisch­en“Platz 3 beim World Harmonica Festival geschafft. Eine Blues-Version von „Happy Birthday“lässt das Gesicht des Jungen strahlen. Jam-Session im Kesselhaus Pünktlich um 21.30 Uhr betritt Steve Baker, der „Vater“der Masters-Veranstalt­ungen, die Bühne und begrüßt die „Band“, die bei der folgenden „Onstage“-Session zu hören ist, den Pianisten Chris Rannenberg aus Berlin und Eric Noden, Gitarrist und langjährig­er Duo-Partner Filiskos. Baker gibt mit seinem Blues über erdrückend­e Alimente eine Steilvorla­ge. Mit der Aufforderu­ng „Talk To Me, Baby“zeigt der Brite Brian Jones, 69, dass Jammen jung hält. Ein ungarisch-Kanadische­s Duo berichtet von den „Boots“, ganz wie einst Nancy Sinatra, und Rohan Singhal zeigt sich bei seinem funkigen Vortrag souverän. Der Däne Thomas Melau klagt mit echter Blues-Stimme über den kalten Wind im hohen Norden. Über seine Erfahrunge­n mit rosa Champagner singt und bläst der Heidelberg­er Bernd Schwarz, vor ein flottes Volkslied aus Moldawien für fröhliche Stimmung sorgt.

Nur Stimmen und Harmonikas sind bei der dem anklagende­n Blues „No Mercy In This Land“zu hören. Humorvoll wird es, als der Waliser Anthony Cresci dem Publikum die 90 Jahre alte Frage von Arthur „Blind“Blake in den Raum stellt: Was mag wohl hinter der Umschreibu­ng „Diddie Wah Diddie“stehen? Aus Schweden kommen zwei ganz unterschie­dliche Blueser: Frederik Hertzberg, dessen Stimme zwischen Reibeisen und Samt variiert, und Mattias Bogefors, seit Jahren in Trossingen für seine wilden Einfälle bekannt. „Nahe am Irrsinn“stünde er, und stellt dramatisch­e Auswege vor. Gruselig schön.

Applaus und Jubel gibt es für jedes der so unterschie­dlichen Stücke des Abends.

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FOTO: CORNELIA ADDICKS Nicht zum ersten Mal ist Rohan Singhal dabei. Dieses Mal fiel die Veranstalt­ung mit seinem 13. Geburtstag zusammen.
 ?? FOTO: CORNELIA ADDICKS ?? Steve Baker ist der „Vater“der Harmonica Masters Workshops, die er ins Leben gerufen hat.
FOTO: CORNELIA ADDICKS Steve Baker ist der „Vater“der Harmonica Masters Workshops, die er ins Leben gerufen hat.

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