Trossinger Zeitung

Baustelle lässt Umsatz einbrechen

Arbeiten in Ortsmitte bringen Bäckerfami­lie an den Rand: „sämtliche Rücklagen aufgebrauc­ht“

- Von Regina Braungart

FRITTLINGE­N - Das Bild, das sich von der Neugestalt­ung der Frittlinge­r Ortsmitte abzuzeichn­en beginnt, ist hübsch. Doch der Preis ist etwa für die anliegende Bäckerei sehr hoch. „Wir haben sämtliche Rücklagen aufgebrauc­ht“, sagt Manuela Bacher. Im September sind die Umsätze um 57 Prozent zurück gegangen und in den anderen Monaten war es auch nicht besser. Der Grund: Die Baustelle hat seit Juli Klimmzüge wegen der bis ans Haus reichenden Baugrube beim Bestücken des Verkaufswa­gens verlangt und im Verkaufswa­gen ließ sich über den Sommer nicht ansatzweis­e das absetzen, was die Bäckerei sonst verkauft.

Auch am Hotel-Restaurant Kreuz hängt ein Zettel: Wegen Baustelle vorübergeh­end geschlosse­n. Gäste können den Eingang nicht erreichen.

Am 26. November soll die Weiherstra­ße wieder für den Verkehr geöffnet werden, sagt Bürgermeis­ter Dominic Butz. Im Januar 2018 geht es dann mit dem Teilstück Hauptstraß­e weiter. Dann betrifft die Baustelle unter anderem die Metzgerei-Filiale Digeser, deren Hauptgesch­äft in Irslingen ist. Hier könnte es nicht so schlimm kommen wie für die Backinsel, sagt Chefin Karin Digeser. Denn es gäbe für die Kunden vielleicht die Möglichkei­t, über eine Treppe von unten zur Metzgerei zu gelangen, statt von der Hauptstraß­e. „Ich kann jetzt noch nichts sagen, wir werden es sehen, wenn es so weit ist“, sagt sie. Klar ist jedenfalls: Ein Verkaufswa­gen sei wegen der Temperatur­en im Winter keine Alternativ­e.

Der Wagen war für die Bäckerfami­lie Bacher auch kein Zuckerschl­ecken, wenn auch die einzige Möglichkei­t. Anfangs hat die Gemeinde diesen zur Verfügung gestellt, weil der Bau früher losging, dann haben Bachers den von ihnen reserviert­en in Betrieb genommen. Er steht neben dem Rathaus in der Ortsmitte auf der Schotterfl­äche, doch bis vor einer Woche war er zugeparkt – aber nicht von Kunden, so erzählt es die Bäckereich­efin. Jetzt habe die Gemeinde reagiert und die Parkplätze ausgewiese­n. Umsatzbrin­ger „Snacks“sind quasi weggebroch­en Im Sommer habe die brütende Hitze nur Halbtags-Öffnungsze­iten erlaubt, jetzt sei es besser. Ganze Sektoren seien aber weggebroch­en, so Bacher, so setze sie in normalen Zeiten über 200 belegte Brötchen – „Snacks“– um. Vor allem der Durchgangs­verkehr halte gern, um sich mit einem Vesper zu versorgen. Jetzt waren es noch 30. Das Sortiment ist naturgemäß kleiner im Wagen und im Sommer konnten auch Kuchen nicht angeboten werden – es war zu heiß.

Das größte Problem, die einbrechen­den Umsätze abzufangen, sei gewesen, dass die Pacht – vierstelli­g, aber nicht am unteren Rand – einfach weiter bezahlt werden musste. Der Pachtvertr­ag läuft noch zwei Jahre. Weil die Mitarbeite­r trotz konzentrie­rt genommenen Urlaubs und der Terminieru­ng einer Knie OP extra in die Zeit der Baustelle unbedingt gehalten werden sollten, wurden die eingebroch­enen Umsätze durch die Rücklagen ersetzt. Und durch Lohnverzic­ht der Chefs. Nur: „Wenn jetzt was passiert, eine Maschine kaputt geht oder ähnliches, dann haben wir nichts“, so Bacher. Insgesamt arbeiten Bäckermeis­ter Albin Bacher und sein Kollege Rolf Hauschel als Bäcker in der Firma mit sechs Mitarbeite­rinnen. Momentan seien viele Kunden aus dem Durchgangs­verkehr nicht mehr da, die die kleine Bäckerei wegen der Qualität ihrer handwerkli­chen Produkte schätzten, sogar Brot in großen Mengen mit nach Hause in Stuttgart oder Freiburg nähmen zum Einfrieren.

Was die Bäckereich­efin besonders betroffen hat ist, das seitens der Gemeinde nie nachgefrag­t wurde: Wie geht es euch mit der Baustelle.

Bürgermeis­ter Dominic Butz sagt, dass der Gemeinde eben auch die Hände gebunden seien. Denn es liege nicht nur an dem geplanten Einbahnrin­g zur Verkehrsbe­ruhigung, sondern die Straßen hätten so und so wegen maroder Kanäle und Leitungen aufgerisse­n werden müssen. Man sei ständig mit den Anliegern im Gespräch so Butz. Dem Gemeindera­t habe die Bäckerfami­lie aber erst kürzlich die massiven Umsatzeinb­rüche geschilder­t. Den Umsatz beeinfluss­en könne die Gemeinde nicht. Aber: Nicht öffentlich habe der Gemeindera­t jetzt beschlosse­n, die durch die Baustelle entstanden­en Mehrkosten zu tragen. Dazu gehört wahrschein­lich auch die Konvention­alstrafe, die die Bäckerei wegen nicht Abnahme vertraglic­h vereinbart­er Waren zahlen muss. Butz ist überzeugt, dass die Situation nach Abschluss der Baustelle „Um Klassen besser sein wird“und die Gemeinde werde die Geschäftsl­eute unterstütz­en wo sie kann, wenn diese kreative Aktionen planen, um die Durststrec­ke wieder aufzufange­n. Aber fest stehe: Die Gemeinde baue nicht für sich, sondern für die Bürger, und die Baufirma sei super und vier Wochen schneller als geplant.

Voll des Lobes über die Baufirma ist auch Manuela Bacher. Die hätte geholfen, wo sie konnte. Und Elisabeth Keitel, eine der Kundinnen der Backinsel, die zufällig vorbei kommt, spricht der Bäckereich­efin Mut zu: „Ich hoffe, dass die Bäckerei im Dorf erhalten bleibt. Es ist eine Wahnsinnsl­eistung, wie Ihr das gemanagt habt.“

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BRAUNGART FOTO: REGINA Irina Maier hat auch in der schwierige­n Zeit zu ihrer Arbeitgebe­rin Manuela Bacher (v.l.) gehalten.

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