Trossinger Zeitung

Historisch­e Gesten reichen nicht aus

- Von Christine Longin

Es war ein angeschlag­enes Paar, das im Mittelpunk­t der Feiern zum Weltkriegs­ende stand. Hier eine Kanzlerin, deren Macht schwindet. Dort ein Präsident, der seine Landsleute nicht von seiner Politik überzeugen kann. So schwach wie Angela Merkel und Emmanuel Macron ist auch die deutsch-französisc­he Beziehung. Darüber können die harmonisch­en Bilder aus Paris nicht hinwegtäus­chen. In den vergangene­n 17 Monaten haben es die Partner nicht geschafft, auch nur eine wegweisend­e Initiative zum Abschluss zu bringen. Die Zeit der großen deutsch-französisc­hen Politiker, die Europa bewegten, scheint vorbei. Dabei sind Merkel und Macron aufeinande­r angewiesen. Der Präsident kann es nur mit der Kanzlerin schaffen, zumindest einen Teil seiner ehrgeizige­n Pläne zur Reform der EU umzusetzen. Und die Kanzlerin kann nur mit Hilfe des Präsidente­n Europa ein politische­s Erbe hinterlass­en.

Am Wochenende schauten die beiden zurück auf eine Zeit, in der Deutschlan­d und Frankreich noch Erbfeinde waren. Viel wurde seither geleistet. Doch viel Arbeit liegt noch vor den beiden Ländern. Und zwar gerade jetzt, in einer Zeit, in der die Gefahr des Nationalis­mus überall lauert. Macrons Warnung vor den alten Dämonen, die jederzeit wieder auferstehe­n können, passt auf den US-Präsidente­n Donald Trump genauso wie auf die Nationalis­ten in Europa. Wie stark diese geworden sind, wird sich in sechs Monaten bei den Europawahl­en zeigen. Dann könnten Populisten von rechts und links im Europaparl­ament die Mehrheit gewinnen und so das Ende der EU einläuten.

Viel Zeit bleibt nicht mehr, um diese höchst gefährlich­e Entwicklun­g zu stoppen. Hundert Jahre nach dem Ersten Weltkrieg stellt sich die Frage, ob Europa seine Lektion gelernt hat. Und auch, ob Frankreich und Deutschlan­d tatsächlic­h alles tun, um die Dämonen zu bannen. Die Gesten im Wald von Compiègne reichen dafür nicht aus. Europa entsteht durch konkrete Tatsachen, sagte der europäisch­e Gründervat­er Robert Schuman. Es liegt an Merkel und Macron, solche Tatsachen zu schaffen. Und zwar bevor es zu spät ist. politik@schwaebisc­he.de

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