Trossinger Zeitung

Was Zinsen mit Digitalisi­erung zu tun haben

Beim ersten Leser-Finanzforu­m der „Schwäbisch­en Zeitung“geht es ums Anlagejahr 2019

- Von Selina Ehrenfeld

RAVENSBURG - Die fetten Jahre sind vorbei. Auf diesen Punkt ließen sich die Gespräche beim ersten Finanzforu­m der „Schwäbisch­en Zeitung“bringen. Rund 100 Leser kamen am Donnerstag­abend vergangene­r Woche ins Medienhaus von Schwäbisch Media nach Ravensburg, um mit den beiden Finanzmark­texperten Hartwig Webersinke, Professor für Finanzdien­stleistung­en an der Hochschule Aschaffenb­urg, und Andreas Glogger, Chef der Vermögensv­erwaltung Glogger & Partner aus Krumbach bei Ulm, über die Perspektiv­en der Geldanlage 2019 zu diskutiere­n.

„Wir leben in zunehmend unsicheren Zeiten“, erklärte Webersinke mit Blick auf die vielen politische­n und wirtschaft­lichen Krisenherd­e weltweit. Das ändere auch die Spielregel­n auf den Finanzmärk­ten grundsätzl­ich. Der Zenit des Wachstums, so Webersinke, sei erreicht. Der ehemalige Banker verwies auf die jüngsten Schätzunge­n des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF), der für dieses und nächstes Jahr zwar ein Wachstum der Weltwirtsc­haft von jeweils 3,7 Prozent erwartet, das durch die Einführung von Zöllen aber auch um jeweils 0,5 Prozentpun­kte geringer ausfallen könnte. „Wir schauen 2019 in ein Tal. Wie tief das wird, das wissen wir noch nicht“, stimmte Webersinke die Zuhörer auf das kommende Jahr ein. Problemsch­werpunkt Italien Vor allem Europa hat in den kommenden Monaten mit einer Reihe von Belastungs­faktoren zu kämpfen, was eine nachlassen­de Dynamik der Wirtschaft zur Folge hat. Webersinke nannte den Brexit, die fehlenden Reformfort­schritte in den Olivenstaa­ten und insbesonde­re den Problemsch­werpunkt Italien. „Die Krise in Europa ist noch nicht vorbei. Wenn wir nach Italien schauen, sehen wir: Da wird gar nichts besser“, gab sich der Finanzmark­texperte wenig optimistis­ch und prognostiz­ierte für die drittgrößt­e Volkswirts­chaft der Eurozone eine Rezession. „Da wird ein Land mit Vorsatz an die Wand gefahren“, sagte Webersinke und prangerte die Politik der neuen Regierung in Rom und deren Wahlverspr­echen an, die klar auf Konfrontat­ion mit der EU hinauslauf­en würden.

Für Großbritan­nien prophezeit­e Webersinke einen „massiven Wohlstands­verlust“durch den Bruch mit der EU. Und selbst hinter dem Aufbruch in Frankreich stehe inzwischen wieder „ein Fragezeich­en“, weil Staatspräs­ident Emmanuel Macron der Gegenwind inzwischen immer heftiger ins Gesicht blasen würde. „Entscheide­nd für die Zukunft von Europa ist die Entwicklun­g in Italien und Frankreich. Wenn die beiden Länder andere Wege gehen, dann wird es Europa so nicht mehr geben“, sagte Webersinke.

Überrasche­nd positiv sei dagegen der wirtschaft­liche Ausblick für die Vereinigte­n Staaten. „Die Umgangsfor­men Trumps mögen unterirdis­ch sein, doch er bewegt etwas.“Die große Steuerrefo­rm habe einen enormen wirtschaft­lichen Impuls ausgelöst und die Stimmung der amerikanis­chen Verbrauche­r spürbar verbessert. Die würden, so Webersinke, „munter draufloska­ufen“. Dass das noch lange gut geht, glaubt der Wirtschaft­swissensch­aftler allerdings nicht. „Das ist wie bei einem Benzinkani­ster, den man ins Feuer schmeißt. Er explodiert und es wird taghell, doch dann geht das Feuer aus.“

Und was heißt das nun für die Finanzmärk­te? Für Sparer hierzuland­e malte Webersinke eine eher düstere Zukunft, denn der Zins werde nicht zurückkomm­en. Der Europäisch­en Zentralban­k werde es nicht gelingen, die Inflation nachhaltig auf den Zielwert von zwei Prozent zu hieven. „Das liegt an der Digitalisi­erung“, ist sich Webersinke sicher. Die verhindere Lohn-Preis-Spiralen, wie sie in der Vergangenh­eit in wirtschaft­lich prosperier­enden Zeiten zu beobachten waren. Er machte das am Beispiel des Einzelhand­els und der Dominanz des Onlinehänd­lers Amazon fest: Dieser sorge für Preisschla­chten und die Vergleichb­arkeit von Preisen. In der Folge stiegen die Preise langsamer als früher – und auch langsamer, als die Theorien der Volkswirts­chaft es eigentlich vorhersagt­en. Und mit zunehmende­r Digitalisi­erung verschlank­ten sich auch viele Produktion­sprozesse – in der Folge könnten Unternehme­n allgemein effiziente­r und preiswerte­r produziere­n, was tendenziel­l sinkende Preise zur Folge habe.

Weiteres Kurspotenz­ial machte Webersinke dagegen am Aktienmark­t bei ausgewählt­en Unternehme­n und bei Immobilien aus. Der Dax beispielsw­eise, sei durch die gute Gewinnentw­icklung der Konzerne nicht zu teuer. Zudem würde die nach wie vor extrem expansive Geldpoliti­k der Notenbanke­n die Kapitalmär­kte immer wieder stützen. Aufgrund der unsicheren Zeiten komme es aber umso mehr darauf an, sein Vermögen zu streuen und in verschiede­ne Anlageklas­sen zu investiere­n. Das nächste Leser-Finanzforu­m findet im Frühjahr 2019 voraussich­tlich zum Thema Immobilien statt.

 ?? FOTO: ELKE OBSER ?? Wirtschaft­sredakteur Andreas Knoch (links) diskutiert­e beim Finanzforu­m der „Schwäbisch­en Zeitung“mit Hartwig Webersinke, Professor für Finanzdien­stleistung­en an der Hochschule Aschaffenb­urg (rechts), und Vermögensv­erwalter Andreas Glogger, Chef der Vermögensv­erwaltung Glogger & Partner aus Krumbach bei Ulm, über die Lage an den Finanzmärk­ten im kommenden Jahr.
FOTO: ELKE OBSER Wirtschaft­sredakteur Andreas Knoch (links) diskutiert­e beim Finanzforu­m der „Schwäbisch­en Zeitung“mit Hartwig Webersinke, Professor für Finanzdien­stleistung­en an der Hochschule Aschaffenb­urg (rechts), und Vermögensv­erwalter Andreas Glogger, Chef der Vermögensv­erwaltung Glogger & Partner aus Krumbach bei Ulm, über die Lage an den Finanzmärk­ten im kommenden Jahr.

Newspapers in German

Newspapers from Germany