Trossinger Zeitung

Hoffnung auf Teilentlas­tung

Nach einem Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts sollten Betriebsre­ntner den Anspruch auf Erstattung von Krankenkas­senbeiträg­en prüfen

- Von Rolf Winkel

SCHONDORF - Bis zu 1,3 Millionen Betriebsre­ntner profitiere­n jetzt von einem Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts. Manche können sogar rückwirken­d von 2014 an zu viel gezahlte Beiträge an die Krankenkas­sen erstattet bekommen. Dafür müssen sie jedoch noch vor Jahresende aktiv werden.

Abgaben: Wer zum ersten Mal eine Betriebsre­nte erhält, ist häufig schockiert, wie wenig davon netto übrig bleibt. Bei gesetzlich Krankenver­sicherten geht allein ein knappes Fünftel an die Kranken- und Pflegevers­icherung. Dass dies im Prinzip rechtens ist, hat das Bundesverf­assungsger­icht schon mehrfach entschiede­n. Ausnahmen: Doch die Verfassung­srichter haben schon öfter Ausnahmen von der Regel zugelassen. Sie bringen den Betroffene­n zumindest eine Teilentlas­tung. Dabei geht es immer um den Teil der Betriebsre­nte, der auf Beiträgen beruht, die nach Ende des Arbeitsver­hältnisses privat weitergeza­hlt wurden.

Direktvers­icherung: Schon 2010 hatte das Bundesverf­assungsger­icht zu Renten entschiede­n, die auf einer Direktvers­icherung beruhen. Sind Arbeitnehm­er nach dem Ende des Jobs statt des früheren Arbeitgebe­rs zu Versicheru­ngsnehmern geworden, so ist der danach von ihnen privat angesparte Teil der Rente beitragsfr­ei.

Pensionska­ssen: Seitdem wird darüber gestritten, ob dies auch für Renten einer Pensionska­sse gilt. Denn auch bei vielen (aber nicht allen) Pensionska­ssen können Arbeitnehm­er nach Beschäftig­ungsende zu Versicheru­ngsnehmern werden. In solchen Fällen müsse das Gleiche gelten wie bei Direktvers­icherungen, befanden die Karlsruher Richter am 27. Juni (Az.: 1 BvR 100/15 und 1 BvR 249/ 15). Das Urteil brachte einem klagenden Rentner immerhin knapp 90 Euro Beitragsen­tlastung im Monat.

Neue Regeln: Eine entspreche­nde Regelung findet sich nun auch im soeben vom Bundestag verabschie­deten GKV-Versichert­enentlastu­ngsgesetz. Danach sind die Teile der Betriebsre­nte, die Arbeitnehm­er als Versicheru­ngsnehmer privat erwirtscha­ftet haben, beitragsfr­ei. Mit einem Rundschrei­ben vom 15. Oktober (RS 2018/545) hat der Spitzenver­band der gesetzlich­en Krankenver­sicherung (GKV-Spitzenver­band) Regeln zur Umsetzung des Karlsruher Urteils formuliert. Danach haben betroffene Betriebsre­ntner auch rückwirken­d für die letzten vier Jahre einen Anspruch auf Beitragser­stattung. Wird diese bis zum 31. Dezember 2018 beantragt, so besteht ein Erstattung­sanspruch seit Anfang 2014. Danach sind die Ansprüche für 2014 und die Jahre davor verjährt.

Erbenanspr­uch: Sind Betriebsre­ntner verstorben, so geht der Erstattung­sanspruch „auf die Erben über“, so Claudia Widmaier vom GKV-Spitzenver­band. Die Erben müssen dafür die Erstattung bei der Krankenkas­se des Verstorben­en beantragen. Der Erstattung­sanspruch des „privaten Teils“der Betriebsre­nte gilt übrigens auch für betrieblic­he Hinterblie­benenrente­n.

Verfahren: Die Aufteilung der Betriebsre­nte „in einen betrieblic­hen und einen privaten Anteil ist Aufgabe der jeweiligen Pensionska­sse“, heißt es im GKV-Rundschrei­ben. Betriebsre­ntner müssen eine entspreche­nde Bescheinig­ung ihrer Pensionska­sse anfordern und diese bei ihrer Krankenkas­se einreichen. Für die Beitragser­stattung und die Berechnung der künftigen Beiträge ist die Krankenkas­se zuständig.

Pensionsfo­nds: Ob bei Fonds genauso verfahren wird wie bei Pensionska­ssen, ist weiterhin fraglich. „Dazu steht noch eine Klärung aus“, so Widmaier. Gegebenenf­alls wird sich auch hiermit nochmals das Bundesverf­assungsger­icht befassen müssen.

Freiwillig­e Versicheru­ng: Wer im Alter freiwillig gesetzlich krankenver­sichert ist, kann vom jüngsten Karlsruher Urteil nicht profitiere­n. Bei freiwillig Versichert­en ist immer die komplette Betriebsre­nte beitragspf­lichtig – auch deren privater Teil.

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