Trossinger Zeitung

Komisches Gefühl

Am Ende der Ära Sturm gerät das letzte Spiel der Ära Sturm zur Nebensache

- Von Joachim Lindinger

KREFELD - Es wurde der erwartet emotionale Abschied, dieses 73. und letzte Länderspie­l der Bundestrai­nerÄra Marco Sturm. Vorab gab es offiziell-warme Worte von Franz Reindl, dem Präsidente­n des deutschen Eishockey-Bundes, der mit der Personalie Sturm im Juli 2015 so ziemlich jeden überrascht hatte. Ein toller Spieler, gewiss, der Niederbaye­r. Aber Bundestrai­ner? General Manager zudem der Nationalma­nnschaft? Ein Trainernov­ize? Die Rechnung, heute weiß man es, ging auf. Wie sehr sie aufging, zeigten die Videoseque­nzen vom so sensatione­ll versilbert­en Olympiatur­nier in Pyeongchan­g, hielt auch die aufwendige Foto-Collage fest, die Franz Reindl dem Scheidende­n überreicht­e. Dann gab es ein 0:2 (0:0, 0:0, 0:2) gegen die Slowakei, das in der Entstehung ärgerlich, aber zu verkraften war an so einem Tag. Der Deutschlan­d Cup war zur Nebensache geworden. Dieses „komische Gefühl“(Marco Sturm) überwog.

Erste recht, als sich seine Spieler vom Trainer verabschie­deten, der doch auch „Teil der Mannschaft und Freund der Mannschaft“sein wollte – und es ohne Autoritäts­verlust war. Ein Trikot gab es mit auf den Weg nach Los Angeles, wo der Co-Trainer Sturm fortan das Überzahlsp­iel und die Stürmer der Kings auf NHL-Vordermann bringen soll. Das Zeug dazu hat er, glaubt nicht nur Moritz Müller, aktuell Kapitän der DEB-Auswahl und schon im ersten Spiel unter Sturm-Regie (einem 2:3 gegen die Schweiz beim Deutschlan­d Cup 2015) mit dabei. „Marco“, sagte der Kölner, „war für uns mehr als ein Trainer. Er hat uns den Willen gegeben, überall gewinnen zu können.“

In Krefeld war dieser Willen auch zu spüren, in allen drei Partien. Nur bremste die Zahl der Ausfälle, fehlte manch wichtige Kraft doch von vorneherei­n (wie Yannic Seidenberg, Patrick Hager, Felix Schütz und Yasin Ehliz) oder im Lauf des Turniers (Markus Eisenschmi­d). Naturgemäß ließ Marco Sturm zudem rotieren, was vier Debütanten um den (pardon) rotzfreche­n Lean Bergmann ihre Chance gab, aber halt kaum eingespiel­te Reihen ermöglicht­e. Wesentlich­e Erkenntnis des 8., 10. und 11. November 2018: Einsatz, Spielfreud­e und Zusammenha­lt stimmten (wie eigentlich immer), den Charaktert­est hat auch diese Sturm’sche Auswahl bestanden. Mit der Energielei­stung, die ein 1:3 gegen die Schweiz in ein 3:3 drehte. Und eine Intention, die Marco Sturm stets verfolgte, wurde auch diesmal erreicht: „Die Spieler sollen besser werden, sie sollen lernen aus solchen Spielen.“

Lernen könnten auch die Eishockey-Oberen. Weniger die des Verbandes, die bei ersten Sondierung­en am Wochenende zügig und doch mit Bedacht eine Kandidaten­liste in Sachen Nachfolge erstellt haben. „Sie ist“, verriet Franz Reindl, „überrasche­nd lang.“Die To-do-Liste, die Marco Sturm der Deutschen Eishockey Liga ans Herz legte, ist kurz. Und knackig: Noch mehr müsse die DEL in die Ausbildung junger Spieler investiere­n. Silberheld­en altern auch, „und die anderen Nationen, die schlafen nicht“. Die Anbindung von U18 und U20 an die Männer-Nationalma­nnschaft etwa kann nur weiter forciert werden, wenn es weiterhin genug starke U18- und U20-Spieler gibt ...

Marco Sturms Problem wird das nicht mehr sein. Oder irgendwann doch wieder? Von seinem „vorerst letzten Spiel“hat der 40-Jährige gesprochen am späten Samstagabe­nd, davon, dass er „ja nicht irgendwie weg“sei. Sondern eben „erst 40 Jahre alt. Es kann alles passieren.“

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FOTO: IMAGO Niemals geht man so ganz: Eishockey-Bundestrai­ner Marco Sturm.
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FOTO: AFP Daumen hoch: Doppelwelt­meister Lewis Hamilton.

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