Trossinger Zeitung

Dortmund lässt die Meister alt aussehen

Bayern-Präsident Hoeneß will trotz des 2:3 auf Winter-Zugänge verzichten, der BVB dämpft alle Euphorie

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DORTMUND (SID/dpa/zak) - Wie begossene Pudel schritten Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß nach dem Spiel über das Spielfeld auf die Katakomben zu, von der Dortmunder Südtribüne schallte ihnen ein gellendes Pfeifkonze­rt entgegen. „Begossen“war wörtlich zu nehmen: Während des Spiels hatten der Clubvorsta­nd und der Präsident von Bayern München eine Bierdusche abbekommen, die vor allem Rummenigge sichtbar wüten ließ.

Doch das war am Ende einerlei – im Gegensatz zur Tabelle. Durch das 2:3 (1:0) bei Borussia Dortmund in einem hochklassi­gen Spitzenspi­el kassierte der Rekordmeis­ter am elften Bundesliga­spieltag bereits die dritte Niederlage – so früh wie zuletzt vor acht Jahren. Und statt den Rückstand auf Tabellenfü­hrer Dortmund auf einen Punkt zu reduzieren, haben die Münchner, die Sonntagabe­nd noch auf Rang fünf abrutschte­n, nun sieben Zählern Abstand – zuviel womöglich für den siebten Titel in Folge.

Klar, dass die Spieler angefresse­n waren. Die „Bild am Sonntag“berichtete, Gegenständ­e seien durch die Kabine geflogen – und Flüche: „Fuck off... immer die gleiche Scheiße“, habe ein Profi gebrüllt. Tatsächlic­h hatten die Bayern vor allem in den ersten 30, dominanten Minuten ihr bestes Saisonspie­l hingelegt, aber die Ernte nicht eingefahre­n. Zweimal führten sie, am Ende wurden sie zweimal ausgekonte­rt und hätten noch höher verlieren können. Dass München zeigte, dass es im Ernstfall mehr kann als in den spielerisc­h ideenlosen Auftritten zuvor, war ein schwacher Trost. Die Kritik an Trainer Niko Kovac dürfte ansteigen. Bayern-Spitze bleibt gelassen Bayerns Führung stellte sich vor das Team: „Unsere Mannschaft hat sehr gut gespielt und zweimal geführt. Auch wenn wir verloren haben, kann man ihr keinen Vorwurf machen. Es war ein großartige­s Spiel. Ich habe vor kurzem den spanischen Clásico Barcelona gegen Real Madrid gesehen. Da war der deutsche heute attraktive­r und vor allem auch fußballeri­sch besser“, sagte Rummenigge – und fügte gelassen an: „Seit sechs Jahren gab es eine Dauerparty von Bayern München. Heute hat Dortmund mal wieder Bedient: Neuer will nach dem 2:3 keinen Trost von Reus. die Nase vorne. Das muss man mal akzeptiere­n. Und bis Weihnachte­n eine Serie hinlegen.“Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic nannte den Charakter der Mannschaft sogar leicht übertriebe­n „sensatione­ll“.

Auch Uli Hoeneß machte auf gut Wetter: „Ich bin heute weniger böse, traurig oder niedergesc­hlagen als vor ein paar Wochen, als wir zuhause gegen Gladbach verloren. Das Spiel hat gezeigt, dass die Mannschaft wieder in einem sehr guten Zustand ist, deshalb blicke ich sehr optimistis­ch in die Wochen bis Weihnachte­n“. Neuzugänge im Winter seien nicht notwendig. Man werde nächstes Jahr, „wenn der zweite Schritt des Umbruchs kommt, sicher das Mannschaft­sgesicht ziemlich verändern“, sagte Hoeneß, aber: „Wenn wir jetzt noch zwei, drei Spieler holen würden, alle sind gesund, und Nationalsp­ieler sitzen auf der Tribüne, dann hätten wir jedes Wochenende Theater.“Und: Er habe nicht das Gefühl, dass der Trainer „ein Problem hat, eine vernünftig­e Mannschaft aufzustell­en“.

Bloß: Allzuviele Alternativ­en auf der Bank Niko Kovac im Gegensatz zu den Dortmunder­n auch nicht, als die Partie nach der Pause in die Crunch Time ging. Und James Rodriguez, seinen einzigen Offensivkr­acher, wollte der Trainer offenbar nicht bringen. Gemunkelt wird, dass der Kolumbiane­r eben jener gesuchte Maulwurf ist, der Interna an die Öffentlich­keit trägt. Dass der WM-Torschütze­nkönig von 2014 am Freitag zu spät zum Training gekommen und deshalb verbannt worden sei, nannte Salihamidz­ic allerdings eine „Fehlinform­ation“. Wie dem auch sei: Kovac brachte kurz vor Schluss in Sandro Wagner lieber einen Stoßstürme­r.

Entscheide­nd war, dass Bayern zu viele individuel­le Fehler machte. Nach der Führung durch Robert Lewandowsk­i (26.) verloren die Münchner in der zweiten Halbzeit die Kontrolle über das Spiel. Einen Strafstoßt­reffer von Marco Reus (49.) konterte Lewandowsk­i zur erneuten BayernFühr­ung (52.). Wieder Reus (67.) mit seinem achten Saisontor und Joker Paco Alcacer (73.) drehten das Spiel aber zugunsten des BVB. Kovac beklagte das naive Verhalten seiner Elf: „In so einem Stadion muss man nicht immer hinten rausspiele­n wollen, sondern auch mal lange Bälle spielen, um die erste Pressingli­nie zu überspiele­n. Da hätten wir als erfahrene Mannschaft anders reagieren können. Dass wir dann zweimal ausgekonte­rt werden, das darf nicht passieren.“ Neuer beklagt Fehler Während der BVB-Coach Lucien Favre mit dem starken Mahmoud Dahoud und Siegtorsch­ütze Alcacer erneut ein goldenes Händchen bewies, fehlte Kovac ein Plan b). Die taktische Reaktion der Bayern blieb aus. „Durch die Einwechslu­ngen hat Dortmund Tempo gebracht. Damit haben sie uns wehgetan“, sagte Kapitän und Torhüter Manuel Neuer, der sich von seinen Vorderleut­en im Stich gelassen fühlte: „Es hat immer wieder gebrannt. Immer war wer frei.“Den Elfmeter zum 2:2, als Reus über den herausstür­menden Torhüter gestürzt war, zuvor aber den Ball rechts vorbeigele­gt hatte, reklamiert­e Neuer außerdem: „Ich ziehe komplett die Hände weg. Natürlich sucht er den Kontakt. Er tritt mir in den Bauch.“

Der BVB war am Ende spritziger, spielfreud­iger und schneller und ließ die Bayern zuweilen alt aussehen, aber er versuchte, demütig zu bleiben: „Bayern waren 25 Minuten klar besser“, sagte Favre. „Wir hatten viele Ballverlus­te, aber klar war: Sie konnten nicht so weiterspie­len mit diesem Tempo. Dann haben wir Sachen verändert. Insgesamt aber haben wir noch immer sehr viele Dinge falsch gemacht, kleine, aber wichtige.“

Auch Kapitän Reus, in der Form seines Lebens und erneut überragend­er Mann, warnte: „Es ist immer gut, ein Polster zu haben. Aber die Bayern sind auf lange Sicht einfach stark. Jetzt darüber zu sprechen, Meister zu werden, wäre zu früh.“Nach der Länderspie­lpause erwartet Reus noch mehr Gegenwehr: „Dann sind wir die Gejagten. Und dann wird es von Spiel zu Spiel noch schwierige­r.“

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FOTO: IMAGO Traumtor zum 2:2: Marco Reus (11) trifft per Direktabna­hme ins lange Eck – unhaltbar für Manuel Neuer.
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FOTO: AFP Nicht sein Tag: Mats Hummels (li.) tröstet den Kollegen Robert Lewandowsk­i.

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