Mit Paracelsus in die Winterpause
Der Schriftsteller Pirmin Meier arbeitet die Beziehungen zu unserer Region heraus
HAUSEN OB VERENA - „Ich sehe niemand hier, dem ich nicht zu Dank verpflichtet wäre“, stellte Friedemann Maurer beim literarischen Kehraus zufrieden fest. Der Schweizer Schriftsteller Pirmin Meier las auf dem Hohenkarpfen aus seinem Paracelsus-Roman.
Stellvertretend für die vielen großzügigen Unterstützer der Kunststiftung Hohenkarpfen lobte der Vorsitzende die Mäzene Michael Ungethüm und Ewald Marquardt, welche ihre kulturelle Verantwortung beispielhaft erfüllen würden. Maurer freute sich über gut 150 weitere Freunde, die am Sonntag den Weg aus der ganzen Region in den Kunsttempel unter dem Karpfen pünktlich zu „Martini“gefunden hatten. Der Vordenker der Vereinigung erinnerte daran, dass am 11. November der bäuerliche Jahreszyklus abgeschlossen und das Gesinde mit Geschenken und Löhnen bedacht wurde. Schmunzelnd fügte er hinzu, dass er deswegen zu diesem Datum Bettelbriefe verschickt habe. In der nun anbrechenden Winterpause bis zum Palmsonntag könnten hinter dem Ofen nun die schönsten Maimelodien heran reifen.
Maurer bezeichnete den aus der Schweiz angereisten Autor Pirmin Meier als einen „erzgescheiten Grundgelehrten“und großen Vertreter der Literatur. Mit seiner enormen Sprachkraft habe er bedeutende Biografien nicht nur über Paracelsus, sondern auch zum Beispiel über den Landesvater Nikolaus von der Flüe und Reinhold Schneider verfasst.
Der Autor selbst zieht nach den wohlwollenden Vorschusslorbeeren sein Publikum mit seinem alemannisch gefärbten Dialekt und unterstreichenden Gebärden voll in seinen Bann. Dabei streut er zwischen die Textpassagen aus seinem Werk „Paracelsus. Arzt und Prophet“immer wieder erläuternde Sätze, etwa wenn es um die Beziehungen des faszinierenden Arztes zum Hohentwiel oder zum Kloster Rottenmünster geht, wo er anno 1525 die Äbtissin mit Schöllkraut behandelt habe.
Zwischendurch kokettiert der 1947 in Würenlingen im Kanton Aargau geborene Meier arg bescheiden, dass er zum Bodensee-Literaturpreis gekommen sei, wie die Jungfrau zum Kind. „Ich gehöre nicht ganz in die Linie von Arnold Stadler oder Martin Walser, aber weil sich der Verlag nicht auf andere Preisträger einigen konnte, bin halt ich zum Zug gekommen.“Nach einem augenzwinkernden Seitenhieb auf den „nebensächlichen“Schriftsteller Ernst Jünger schweift der Autor mit detailverliebter Akribie zu einem Regenbogenphänomen über dem Bodensee, welches er exakt auf den 28. Oktober 1531 datiert hat. Regenbogen als Friedenszeichen Die „Erscheinung“setzt er in Beziehung zum Tag des Totschlags des Reformators Zwingli und den Wirren der Reformation. Paracelsus lässt er die Frage stellen, ob die himmlische Erscheinung des Bogens eine stoffliche Materie oder nur eine Lichtbrechung ist. Offensichtlich sei Paracelsus auch im Denken seiner Zeit verhaftet gewesen, denn den Regenbogen habe er als Friedbogen gedeutet, denn somit sei das Schlimmste überwunden.
Erstaunliche und gefährliche Weitsicht habe der Reformarzt bewiesen mit dem Ausspruch „Religion in ihrem Missbrauch ist absolut gefährlich“. Der unerschrockene medizinische Reformer legte sich auch immer wieder mit der Obrigkeit an. Pirmin Meier arbeitet die Widersprüchlichkeit des „Luthers der Medizin“fein heraus. So habe er schon in seinen berühmten Basler Vorlesungen, welche er übrigens nicht in der lateinischen Gelehrtensprache vorbrachte, die „frauische Arznei“von der Dosis her differenziert. Die Buchstabenzauberei und Gebete zur Wundheilung hätten lediglich als flankierende Maßnahmen gedient.
Als Vater der Naturheilkunde, Mystiker, Poet, Philosoph und Alchemist sei Theophrastus von Hohenheim ein Wandler zwischen Tradition und Aufbruch gewesen. „Aus dem einstmals bedeutenden Geschlecht der von Hohenheim gibt es keine Nachfolger mehr“, resümiert Meier „seien sie deshalb froh, dass sie keine genialen Kinder haben.“