Gericht sieht Drogenmafia am Werk
Urteile gegen sieben Angeklagte eher milde – Mutmaßlicher Haupttäter wehrt sich
Rottweil - Nach drei Monaten mit zehn Verhandlungstagen hat die 1. Große Strafkammer des Landgerichts Rottweil am Montag das Urteil im Geisinger Drogenprozess verkündet: Die sieben Angeklagten müssen zwischen sechseinhalb Jahren sowie zwei Jahren und vier Monaten wegen Drogenhandels, in drei Fällen bandenmäßig, in Haft.
Karlheinz Münzer, der Vorsitzende Richter, erklärte in seiner ausführlichen Urteilsbegrüng, das Gericht gehe davon aus, dass es unbekannte Hintermänner, eine Art mafiöses Netzwerk, gebe, die jeweils schnell das Geld abgegriffen hätten. Die beiden zu hohen Strafen verurteilten Albaner seien nur „die letzten Glieder einer Kette“gewesen. Sie hätten sich, offenbar auch aus Angst, einem Schweigegelübde verpflichtet gefühlt und finanziell kaum profitiert. Haufenweise Drogen Zwischen Sommer und Herbst des vergangenen Jahres war haufenweise Rauschgift nach Geisingen gelangt. Wenn man nur die beweisbaren Fakten nimmt, auf die sich das Gericht beschränkt hat, dann handelte es sich allein um rund 75 Kilogramm Marihuana. Nimmt man einen Marktwert von etwa 4000 Euro pro Kilogramm an, dann haben „die Hintermänner“mehrere hunderttausend Euro verdient, auch wenn die Ermittler bei den Festnahmen im vergangenen November einen Teil des Stoffs sicherstellen konnten.
Bis zuletzt konnte die Frage nach dem Haupttäter nicht zweifelsfrei geklärt werden. Der heute 43-jährige Türke, der in der Schweiz aufgewachsen ist, erklärte, das Rauschgift sei von einem Mann namens „Pledi“mit einem schwarzen Ford Focus und Herne-Kennzeichen aus dem Ruhrgebiet gebracht worden. Der 24-jährige Albaner dagegen beteuerte, er habe die Drogen im Auftrag des Türken und mit dessen Auto im Konstanzer Einkaufszentrum „Lago“von einem Schweizer und einem Türken übergeben bekommen.
Die Ermittler haben bisher weder einen „Pledi“im Ruhrgebiet noch den beschriebenen Ford Focus gefunden. Aber auch für die Fahrten nach Konstanz gibt es keine Beweise.
Der Türke gestand, das Marihuana in eine Asylbewerberunterkunft nach Möhrigen an Schwarzafrikaner geliefert zu haben, die es dann in Tuttlingen und Umngebung verkauft hätten.
Richter Münzer betonte, das Gericht habe sich von einem wichtigen Grundsatz leiten lassen: „Der Ehrliche darf nicht der Dumme sein!“Und er betonte, das Gericht habe „keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit“des Türken. Der habe ein frühes Geständnis abgelegt und in seiner Version – im Gegensatz zu dem angeklagten Albaner – „viele orginelle Details“genannt.So bekam der 43Jährige, der zweiKinder im Alter von sechs und acht Jahren hat und dessen 30-jährige Frau trotz allem zu ihm hält, drei Jahre und neun Monate Haft, während der Albaner sechseinhalb Jahre verbüßen soll. Der empfand das als so ungerecht, dass er dem Richter bei der Urteilsbegründung immer wieder empört ins Wort fiel und zur Ordnung gerufen werden musste.
Beide sind wegen bandenmäßigen Drogenhandels verurteilt. Ebenso ein zweiter, 22-jähriger Albaner mit vier Jahren Haft und ein 33-jähriger Rheinländer belgischer Nationalität, dessen Wohnung eine Art Drehscheibe des Drogenhandels in Geisingen war. Mehrjährige Haftstrafen Glimpflicher kamen die Angeklagten aus der Region weg, zumal bei ihnen das Bandendelikt wegfiel. Der nicht vorbestrafte 22-jährige Rädelsführer, der unter anderem auch an Minderjährige Drogen verkauft hatte, bekam ebenso dreieinhalb Jahre Haft wie sein 23-jähriger Mittäter, der noch drei Bewährungsstrafen auf dem Kerbholz hat. Ein weiterer, 30-jähriger Komplize aus dem Raum Geisingen soll zwei Jahre und vier Monate ins Gefängnis.
Sowohl er als auch der 23-Jährige und der 33-jährige Rheinländer sollen dabei die ersten zwei bis drei Jahre in einer Entzugsanstalt verbringen. Sie alle erklärten sich bereit und haben nach Ansicht des Gerichts gute Aussichten, von den Drogen wegzukommen. Das Gericht blieb fast durchweg im unteren Bereich des Strafrahmens.
Während der Rädelsführer aus der Region und einer seiner Kollegen ankündigten, auf eine Revision zu verzichten, beauftragte der 24-jährige als Haupttäter verurteilte Albaner seinen Pflichtverteidiger Wolfgang Burkhardt noch im Gerichtssaal, Rechtsmittel einzulegen.