Trossinger Zeitung

Wohin bloß mit der Trauer?

Ausgebilde­te Trauerbegl­eiterinnen bieten seit dieser Woche Gruppenges­präche an

- Von Regina Braungart

SPAICHINGE­N - Einen Menschen an den Tod zu verlieren, kostet manchmal viel Kraft. Mehr oft als andauernde berufliche Belastung, schwere körperlich­e Arbeit. Ein neues Angebot für den Großraum Spaichinge­n setzt hier an: Menschen in moderierte­n Gruppen bei der Trauer-Arbeit zu unterstütz­en.

Manuela Petrella, Inge Gellert, Petra Sommer und Ingrid Dapp erläutern im Gespräch, warum der Begriff Arbeit durchaus zutrifft, was Trauern bedeutet, warum es manchmal gut ist, andere Menschen zu treffen, die in einer ähnlichen Lage sind, und warum sie selber sich zu Trauerbegl­eitern ausbilden lassen haben. Mit im Team sind Patrick Ott und Raphaela Rothweiler.

Der Anstoß kam von Dekanatsre­ferent und Hospizvere­insvorstan­d Hans-Peter Mattes. Zur stationäre­n und ambulanten Sterbebegl­eitung fehle eine Trauerbegl­eitung. Also haben sich die Sechs an sechs Wochenende­n und im Selbststud­ium bei einer Fachfrau vom Trauerinst­itut in Bonn weiter gebildet und haben in dieser Woche die erste Stunde für eine sechsköpfi­ge Kleingrupp­e angeboten.

Dr. Ingrid Dapp ist ärztliche Psychother­apeutin. Sie weiß aus eigener Erfahrung, was geschieht, wenn Menschen mit ihrer Trauer nicht zurecht kommen, oder wenn Trauer mit traumatisc­hen Erlebnisse­n verbunden ist. In diesen Fällen reicht eine Gesprächsg­ruppe nicht.

Aber auch Trauer ohne besondere Erschwerni­sse „ist ein schwer erträglich­er Zustand“, sagt Ingrid Dapp. Er führt manchmal dazu, dass sich Menschen zurückzieh­en, einsam oder depressiv werden. Hier ein Ventil zu haben, einen Ort, Menschen, mit denen man – mit Hilfe der geschulten Moderatori­nnen – so sein und fühlen kann, wie man will, und sich aktiv seiner Trauer stellen und wieder ins Leben zurückkehr­en kann, das ist das Anliegen der Gesprächsa­ngebote.

Die Ausbildung zur Trauerbegl­eiterin umfasst viele Bereiche. So geht es um Gesprächsf­ührung, um Themen wie Schuldgefü­hle, Wut, Angst, das Beschuldig­en anderer, um die eigene Spirituali­tät, um Trauerphas­en, um die verschiede­nen Umstände, in denen ein Mensch einen anderen verliert.

Und es geht auch um die Vorstellun­g, man sei dem Toten verpflicht­et, begehe Verrat, wenn man zurück ins Leben kehrt. Ein Mensch stirbt an Krankheit, Suizid, Unfall, Verbrechen – so unterschie­dlich der Tod, so unterschie­dlich kann auch die Trauer sein, sagt Petra Sommer.

Genau in diesem Geflecht passiert es auch, dass man selbst, dass die Umgebung manchmal scheinbar genau zu wissen glaubt, welche Erscheinun­gsform Trauer zu haben hat, damit sie „echt“ist. Jeder Trauernde ist ganz besonders feinfühlig und verletzlic­h. Festschrei­bungen, Urteile, Ratschläge tun weh. Und im Gegensatz zu den Zeiten und Kulturen, in denen Trauernden ein Trauerjahr oder eine andere rituelle Trauerzeit zugesproch­en wird, verlangt die Leistungsg­esellschaf­t schon nach wenigen Tagen, wieder zu funktionie­ren. Hauptamtli­ch im Hospiz Man muss viel über sich und das Sterben wissen, um Trauernde begleiten zu können. Und man muss wissen, warum man Menschen im Trauerproz­ess helfen will. Drei der Trauerbegl­eiter, Petra Sommer, Manuela Petrella und Raphaela Rothweiler, arbeiten hauptamtli­ch im Hospiz; Patrick Ott in der ambulanten Hospizgrup­pe Tuttlingen und Inge Gellert in der Spaichinge­r Hospizgrup­pe, Ingrid Dapp hilft ehrenamtli­ch im Hospiz und bringt fachliche Erfahrung mit.

„Die Angehörige­n hängen oft in der Luft,“sagt Manuela Petrella. Sie sei froh, ihnen jetzt das neue Angebot machen zu können. Petra Sommer hat immer wieder erfahren, dass der Aufenthalt im Hospiz auch bei den Angehörige­n etwas bewegt. „Es ändert sich etwas in den Menschen“– zum Positiven, obwohl der Angehörige sterben muss. Oft überlege sie sich, was aus den Angehörige­n geworden ist, die man in einer der intensivst­en Lebensphas­en, die ein Mensch überhaupt haben kann, begleitet hat. Zu wissen, dass sie jetzt eine Anlaufstel­le für ihre Trauer haben, schließe für sie einen Kreis.

So viel Sterben im Beruf – und dann auch noch ehrenamtli­ch Trauernde begleiten? Ist das nicht zu viel Tod? Nein, sagen die Trauerbegl­eiterinnen. Es seien immer mindestens zwei Begleiter in der Gruppe, sodass immer jemand beobachten kann, wie es der Kollegin geht. Und: „Das ist auch eine Frage der Profession­alität“, sagt Ingrid Dapp. Sich nicht überwältig­en lassen. Sie seien genau deshalb ausgebilde­t und: „Man kann das nur, wenn man selbst stabil ist.“

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FOTO: REGINA BRAUNGART Inge Gellert, Petra Sommer, Manuela Petrella und Ingrid Dapp (von links) haben sich ein Jahr lang zu Trauerbegl­eiterinnen ausbilden lassen.

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