Der Dichter in Hochform
Martin Walsers lyrische Geständnisse – Am Dienstag erscheint sein Buch „Spätdienst“
inst meinte in grauer Vorzeit der damalige Feuilletonchef der FAZ: „Der Walser ist ein Genie der deutschen Sprache, aber es kommt nichts dabei raus.“Der Mann hieß Friedrich Sieburg und war zu seiner Zeit als Kritiker hochangesehen. Heute kann man sagen: Er hat sich mit seinem Urteil gründlich geirrt. Sieburg ist inzwischen so gut wie vergessen, Martin Walser mit seinen fast 92 Jahren so wach und aufmerksam wie eh und je, schreibt und lebt in einem fort – und hüllt sich in Verse, „als wären es Schutzgewänder, schön, weltabweisend, die Einbildung heißt Aufenthalt“. So präludiert es zu seinem neuesten Werk mit dem offenbar aus der Schichtarbeit stammenden Begriff „Spätdienst“.
Der Dichter in Hochform. Er macht, was er kann: dichten. Keine Altherrenfantasien von steilen Brüsten wie in seinem letzten Bekenntnisroman des vorigen Jahres, sondern Martin Walser hat gestern Abend im Literaturhaus in Stuttgart sein neues Buch „Spätdienst“vorgestellt. Zur Buchpremiere gab es eine Lesung und ein Gespräch mit dem Kritiker Denis Scheck. eine sorgfältig komponierte Sammlung von traditioneller Dichtkunst, ein Lebenstagebuch mal lyrisch, mal epigrammtisch, den eigenen Werdegang von der Jugend bis ins hohe Alter mit dem Vers begleitend, auch hier dem eigenen Diktum folgend: „Durch Schreiben kann alles schön werden.“
In diesen lyrischen Geständnissen geht es nicht mehr um ein „Leben im Dienst des Rechthabenmüssens“, dem sich Walser so lange Zeit ausgesetzt fühlte. Seinem Tagebuch hat er 1979 anvertraut: „Der Mensch ist ein Dichter. Und wenn er kein Dichter mehr ist, dann ist er auch kein Mensch mehr.“
Das Dichten ist der Humus seines Schreibens, eine Form, der Walser seit seinen Anfängen als Autor frönt. Doch schon am Beginn seines „Spätdienstes“herrscht Abschiedsstimmung: „Wie klingt die Zeit im Gewölbe der Nacht?“Es ist nicht mehr der Querkopf, der sich mit der Freude an der Polemik in jede intellektuelle Schlacht warf, die ihm auf dem Feld der Rechthaberei angeboten wurde. Mit sich und der Welt im Reinen In der Lyrik erreicht ein Dichter wie Walser höchste Frequenzen der deutschen Sprache. Walser hat vor zwölf Jahren seinen ersten Gedichtband veröffentlicht – „Das geschundene Tier“. Es waren zwar keine Balladen, sondern Vier-, Fünf-, Sechsoder Achtzeiler, inhaltlich kreisend um „Täuschung und Enttäuschung“des liebenden Schmerzensmannes.
Jetzt in „Spätdienst“geht es ums Ganze: „Widersprüche graben in mir /nach Wahrheit und finden sie nicht./Ich segle solang lustig ins Licht.“Es sind nicht nur Bekenntnisse, in denen von persönlichen Niederlagen die Rede ist. Walser ist es leid, all die Schlachten, denen er sich ausgeliefert hat, noch einmal neu zu schlagen. Den Rezensenten und Kritikern, die er mit seinen vielen Büchern so oft mit Futter versorgt hat, begegnet er jetzt mit einer Altersmilde, die einen Autor zur Kenntlichkeit bringt, der weitgehend mit sich und der Welt im Reinen ist: „Soll ich mich in Sprache kleiden, mit Messern Frieden schließen und Bäume mir ins Knopfloch stecken? Ich soll, glaube ich, lachen und beten.“
Bekenntnis und Stimmung: „Es hängt der Dezember vom Himmel/ langsam eilt der Tag,/abwärts weisen die Zeiger, Stimmung muss sein jetzt.“Alissa Walser, Tochter des Autors, ergänzt mit ihren Arabesken diese Empfindung aufs Schönste. Martin Walser: Spätdienst. Bekenntnis und Stimmung, mit Arabesken von Alissa Walser, Rowohlt Verlag, 207 Seiten, 20 Euro.
Antiquaria-Preis geht an Klaus Völker
LUDWIGSBURG (dpa) - Der 25. Antiquaria-Preis für Buchkultur geht an den Dramaturgen und Theaterhistoriker Klaus Völker. Der 80 Jahre alte Brecht-Biograf wird die mit 10 000 Euro verbundene Auszeichnung am 24. Januar zur Eröffnung der Antiquariatsmesse in Ludwigsburg entgegennehmen, wie die Organisatoren am Sonntag bekannt gaben. Der Philologe habe sich über ein halbes Jahrhundert hinweg mit einer Fülle von Editionen, Anthologien und Einzelstudien hervorgetan und sei dem Theater eng verbunden, heißt es in der Begründung der Jury. Von 1969 bis 1985 war Völker leitender Dramaturg am Theater Zürich und später Leiter des Stückemarktes der Berliner Festspiele. Bis 2005 war er Rektor der Hochschule für Theaterkunst „Ernst Busch“.
Vorverkaufstart für „Evita“auf der Wilhelmsburg
ULM (sz) - Ab dem 7. Juni 2019 zeigt das Theater Ulm Andrew Lloyd Webbers Erfolgmusical „Evita“auf der Wilhelmsburg. In einer Inszenierung von Wolf Widder wird die spannungsreiche Geschichte der Präsidentengattin Eva Perón den Kultursommer in Ulm um ein Highlight bereichern. Bereits am Montag, den 19. November 2018, beginnt der offizielle Vorverkauf. Karten (14,6046 €) gibt es an der Theaterkasse, telefonisch unter 0731/161 4444 oder unter theaterkasse@ulm.de, online unter www.theater-ulm.de