Abend mit Perfektion und Emotion
Herbstkonzert der Stadtkapelle bringt erfolgreich musikalische Welten zusammen
SPAICHINGEN - „Es war insgesamt ein grandioses Konzert.“So fasst Franz Frech den Samstagabend zusammen. Und so wie er sahen es über 800 Zuhörer, denn die Stadthalle war voll und zum Schluss gab es „Standing Ovations“von den Zuhörern, dem Vernehmen nach erst zum zweiten Mal in der Geschichte der Herbstkonzerte unter der Leitung von Musikdirektor Thomas Uttenweiler.
Wenn man sich bei ganz unterschiedlichen Zuhörern umhört, fällt eines auf: Wer zum Herbstkonzert kommt, ist ein Wiederholungstäter, weil er nur beste Erfahrungen hat. Formulierungen wie „Es war super wie immer“finden sich bei Musikkennern – wie bei denen, die sich als „eigentlich ein musikalischer Blindgänger“bezeichnen.
Das Grundgerüst des Herbstkonzertes 2018 war wie bekannt: ein durch viele Proben – auch an Wochenenden – bestens vorbereitetes Orchester, eine Präsentation mit Bildern der Komponisten oder Bands, eine „charmante Einführung in die Stücke“(Zitat Gerhard Klöck) durch den früheren Vorsitzenden Wolfgang Dreher, pyrotechnische Überraschungen (bengalisches Feuer mit Rauch zu „Smoke on the Water“und zum Schluss Konfettikanonen) und zwei Konzertteile.
Es war ein kleines Experiment, denn der erste Teil mit konzertanter symphonischer Blasmusik sprang im zweiten Teil in die jüngste Moderne mit Rock und Pop. Sprach also mindestens zwei bis drei Generationen an.
„Ich bin eigentlich wegen des ersten Teils gekommen“, habe ihm ein weiterer Dürbheimer Musiker gesagt, so Winfried Kapp, der in Dürbheim Klarinette gespielt hat. Doch nach dem Konzert war der Kollege auch vom zweiten Teil begeistert. Kapp selbst war vor allem beeindruckt von den technisch sehr schwierigen Stücken des ersten Teils, nicht nur bei den Holzbläsern der ersten Stimme, „wobei da Spaichingen eine Bank ist“.
Walter Rees, der am Schlagwerk und den Pauken 40 Jahre lang auf der Bühne mit den Stadtkapellenmusikern gesessen hat, war auch nach dem Wechsel in den Zuschauerraum immer bei den Konzerten dabei. Musikdirektor Thomas Uttenweiler habe die Stücke sehr klug zusammen gestellt, auch die im zweiten Teil. Sein persönlicher Favorit war die „First Suite“von Gustav Holst. Atemberaubende Läufe Große Komplimente gab es nicht nur von Rees für die Umsetzung der beiden von russischen Komponisten geschriebenen Werke: Tschaikowskys „Slawischer Marsch“und „Ruslan und Ludmilla von Michail Ivanovich Glinka bestechen mit Leidenschaft und atemberaubenden Läufen und Verzierungen. Das sei schon für ein Sinfonieorchester sehr schwierig zu spielen, in der Adaption für Blasorchester höchster Anspruch. Ebenfalls adaptiert und Höchstklasse: „Die Reise nach Reims“von Giaccomo Rossini.
„Das Herbstkonzert ist eine ganz große kulturelle Veranstaltung“, so Rees. Dass die Stadtkapelle über hervorragende Instrumentalisten verfügt, konnte man auch wieder bei Solovorträgen sehen. „Trompeten, Saxophon, Posaunen und andere – das war mehr als gekonnt“, sagt Gerhard Klöck.
Pfarrer Johannes Thiemann und seine Frau kommen ebenfalls fast jedes Jahr zum Herbstkonzert und genießen das Programm. Und obwohl der erste Teil künstlerisch der anspruchsvollere war, und man sehen konnte, „auf welch hohem Niveau die Kapelle spielt“, gefiel Thiemanns doch eher eine Passage im zweiten Teil: das Deep-Purple-Medley, das den Musikgeschmack traf. Wie Thiemann ist vielen in diesem zweiten Teil Folgendes aufgefallen: die perfekten Arrangements von Markus Wissmann. „Aus den eigenen Reihen erwartet man so etwas nicht“, so Thiemann. „Der Mann ist genial“, so Franz Frech über Wissmann.
Und noch jemanden – der mit der Kapelle verbunden ist, aber mit seiner Band Intakt eigene Wege geht – hat Thomas Uttenweiler ins Programm eingebaut: Jürgen Koringer mit seiner Gitarre. Er hatte sich den Gitarrengott Carlos Santana ausgesucht. Mit „Europa“ein wieder aktueller Songtitel. Der Funke sprang über. „Er lebt diese Musik“, sagt Franz Frech.
Und dann natürlich DAS Stück im zweiten Teil, schon im Original ein komplexer Popsong von Queen, jetzt arrangiert von Markus Wissmann: „Bohemian Rhapsody“. Das war für Isabella Kustermann der Höhepunkt des Abends. „Ich fand es toll, dass diesmal fast alles aus den eigenen Reihen kam.“
Deep Purple, Abba, Queen und Santana – der emotionalere Teil war der zweite. „Ich freue mich, dass die Stadtkapelle einen Weg gefunden hat, zwischen Älter und Mittelalt und ich habe beobachtet, dass das Publikum etwas jünger geworden ist,“sagt Edmund Weißer.
Aber das Konzert ist mehr als Performance und Perfektion. Isabella Kustermann: „Man ist danach richtig gut drauf.“