Los ging es einmal mit 125 D-Mark
Das Medizintechnik-Unternehmen Aesculap ehrt am Freitag wieder zahlreiche Jubilare
Storz, Hermann Späth, Konrad Laufer und Hans-Jürgen Sattler ihre Ausbildung bei der AG beginnen. Sie bleiben der Firma 50 Jahre treu. Am Freitag feiern sie ihr Firmenjubiläum.
Hermann Späth erinnert sich noch genau an seine erste Wanderung durch das Unternehmen. Ausbildungsleiter Siegfried Rosa begrüßt damals die jungen Lehrlinge, Lehrmeister Oskar Kohler, der vergangenes Jahr in hohem Alter verstorben ist, führt durch die AG. „Er war streng, aber er hatte ein gutes Herz.“125 D-Mark, also umgerechnet etwas mehr als 60 Euro, verdienen die Lehrlinge der Chirurgiemechanik im Monat. Jedes Lehrjahr werden es 50 Mark (25 Euro) mehr. „Aber wenn wir den Lehrlingsbericht nicht fertig geschrieben hatten, hat der Meister die Lohntüte erstmal einbehalten“, erzählt Günther Aicher.
So manche Ehefrau holt ihren Mann an diesem Tag am Tor ab, damit das Gehalt aus der Lohntüte komplett zu Hause ankommt – denn ein Gehaltskonto haben viele noch nicht. „Es hat immer pünktlich Geld gegeben. Wir bekamen kontinuierlich Weihnachtsgeld, auch in wirtschaftlich angespannten Zeiten“, sagt Konrad Laufer. Es gibt zu dieser Zeit in Tuttlinger Unternehmen auch immer mal wieder Kurzarbeit, aber nicht bei Aesculap. „Nie Angst um den Arbeitsplatz“Im Jahr 1972 lagert das Unternehmen die komplette Klingenfertigung nach Malaysia aus. „Da wussten viele nicht, was kommt. Aber man hatte nie Angst um seinen Arbeitsplatz. Die AG war ihren Mitarbeitern gegenüber loyal“, sagt Konrad Aicher. Und Siegfried Fürst ergänzt: „Das Betriebsklima war hervorragend, die Firma hat die Weihnachtsfeiern finanziert und unterstützt, dass die einzelnen Abteilungen zusammen feiern.“Diese Loyalität und Sicherheit seien ein Grund dafür, warum so viele der Firma treu geblieben seien, meint Laufer.
Die chirurgischen Instrumente werden zu dieser Zeit noch von Hand oder mithilfe von konventionellen Maschinen hergestellt. Zur Grundausbildung der Lehrlinge in der Chirurgiemechanik gehört das Herunterfeilen eines sogenannten U-Eisens, natürlich von Hand und so, dass beide Beine des „U“exakt gleich lang sind. „Am zweiten Tag hat man eine Blase an der Hand gehabt. Ich war der kleinste Lehrling im Betrieb und auch der letzte bei dieser Aufgabe. Mir wurde am Arbeitsplatz eine Holzkiste untergestellt“, erzählt Siegfried Fürst.
Ein Schichtmodell gibt es 1968 noch nicht. Der Arbeitstag beginnt um 7 Uhr – pünktlich, denn eine Minute später ist die Stempelkarte rot, die ersten zehn Minuten wurden damit nicht bezahlt. Mittagspause ist für alle von 11.45 bis 13.30 Uhr, denn die Tuttlinger wollen zum Mittagessen nach Hause. Die Lehrlinge aus Neuhausen ob Eck dürfen fünf Minuten eher gehen, um den Bus zu bekommen. Mitarbeitern aus anderen Orten bleibt nur die privat geführte Kantine zur Verpflegung. „Wer ein Lehrling war, hat ein kleines Schnitzel bekommen. Wer eine Krawatte oder eine große Klappe hatte, hat ein großes gekriegt“, erinnert sich Späth. Um 17 Uhr ist Feierabend für alle.
Wenn die Jubilare heute an die AG-Toiletten der späten 1960er-Jahre denken, müssen sie schmunzeln. „Die Wände waren mit Teer gestrichen, es gab eine Pissrinne und keine Klobrillen. Die haben halt zuerst in Maschinen investiert und nicht in unwichtige Sachen.“
Schon damals ist Aesculap mit 50 Lehrlingen und 1400 Mitarbeitern der größte Arbeitgeber in Tuttlingen, und es geht kontinuierlich nach oben, erinnert sich Hermann Späth. Als im Jahr 1976 das MedizintechnikUnternehmen B. Braun Melsungen AG die Aktienmehrheit übernimmt und Prof. Michael Ungethüm in den Vorstand eintritt, geht wieder eine gewisse Unsicherheit im Unternehmen um, berichtet Späth – aber fünf Jahre später habe man gewusst, dass es eine gute Entscheidung war. Aesculap erlebt einen Aufschwung, der seinesgleichen sucht. „Darauf sind wir sehr stolz“Dieses Jahr, 50 Jahre später, sind die Lehrlinge von damals in den wohlverdienten Ruhestand eingetreten. Walter Storz findet, dass auch die Jubilare eine gute Entscheidung getroffen haben. „Aesculap hat vergangenes Jahr sein großes Jubiläum gefeiert, von diesen 150 Jahren waren wir ein Drittel dabei. Darauf sind wir sehr stolz!“