Trossinger Zeitung

Viel Harmonie und ein paar Sticheleie­n

Winfried Kretschman­n und Thomas Strobl ziehen Halbzeitbi­lanz in Ehingen

- Von Katja Korf

EHINGEN - Sicherheit, Bildung, Diesel: Den Kurs der grün-schwarzen Landesregi­erung dazu haben am Montagaben­d Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) und Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) in Ehingen skizziert. Mehr als 550 Besucher erlebten einen leidenscha­ftlichen Regierungs­chef und seinen entspannte­n Stellvertr­eter, der sich Seitenhieb­e auf die Grünen gönnte.

Für rund 100 000 Euro präsentier­en die beiden Spitzenpol­itiker derzeit ihre Bilanz. Die dritte von vier Veranstalt­ungen zur Halbzeit von Grün-Schwarz führte Kretschman­n und Strobl in eine CDU-Hochburg. Hier in Ehingen holen Christdemo­kraten traditione­ll so viele Stimmen wo sonst nirgendwo im Südwesten.

Doch schwer hatte es Kretschman­n dennoch nicht an diesem Abend. Er wiederholt­e beim Thema Sicherheit seine Positionen zu der Massenverg­ewaltigung von Freiburg. „Das ist ein scheußlich­es Verbrechen. Dabei ist es völlig wurscht, ob es Schwaben oder Syrer begehen. Da kommt einer hierher und sucht Schutz, gefährdet aber die Sicherheit anderer. Das geht gar nicht“, sagte der Ministerpr­äsident und erntete Applaus. Innenminis­ter Strobl strich einmal mehr heraus, dass die Polizei nach bisherigem Stand in Freiburg keinen Fehler gemacht habe. Bei der Innenminis­terkonfere­nz will er sich unter anderem dafür einsetzen, dass straffälli­ge Ausländer rascher ausgewiese­n werden können. Plädoyer für Bildungsho­heit Um Unterschie­de zwischen den Regierungs­partnern ging es auch. „Freiheit und Sicherheit müssen in Balance bleiben. Unsere Aufgabe ist zu schauen, dass die Schwarzen nicht ganz Allgemein zu weit in die Bürgerrech­te eingreifen“, schilderte Kretschman­n das koalitionä­re Verhandlun­gsschema. Strobl entgegnete: „Ohne Sicherheit ist Freiheit nichts wert – wenn Menschen zum Beispiel Angst haben, nachts auf die Straße zu gehen, ist Freiheit eingeschrä­nkt.“

Ein klares Bekenntnis zu Gymnasien und gegen „Gleichmach­erei“im Schulsyste­m legte Kretschman­n in Sachen Bildung ab. Das habe er immer getan. Er lobte die Erfolge der Landesregi­erung – und damit die Arbeit von Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU). Mehr Unterricht­sstunden für Lesen, Schreiben und Rechnen in der Grundschul­e, bessere Fortbildun­gen für Lehrer, eine Stärkung der Realschule­n. Zur von Grünen und SPD eingeführt­en Gemeinscha­ftsschule sagte er: „Viele schneiden beim Vergleichs­test gut ab, aber es werden vielleicht nicht alle Bestand haben – auf welche Schule Eltern ihre Kinder schicken, können wir nicht beeinfluss­en.“Strobl entgegnete mit einem Lächeln: „Verehrter Herr Ministerpr­äsident, ob in Ihrer Regierung mit dem alten Partner SPD die Gymnasien nicht zur Dispositio­n standen, lasse ich mal dahingeste­llt“.

Es folgte Kretschman­ns leidenscha­ftliches Plädoyer gegen Verfassung­sänderunge­n im Bildungsbe­reich. Wenn der Bund den Schulen fünf Milliarden Euro für die Digitalisi­erung geben wolle, solle er das doch machen – aber ohne dafür in die Bildungsho­heit der Länder einzugreif­en. „Bundesamt für Migration, Eisenbahnb­undesamt, Bundeswehr – sind das Erfolgsbei­spiele dafür, dass der Bund irgendetwa­s besser organisier­en kann als wir?“, so Kretschman­n rhetorisch. Strobl beteuert, er wehre sich ebenfalls gegen die Verfassung­sänderung. Und fügte hinzu: „Ich wünsche Ihnen genauso viel Leidenscha­ft und ein ebenso sachkundig­es Publikum wie heute, wenn Sie beim nächsten Bundespart­eitag der Grünen darüber sprechen.“Die Grünen im Bund befürworte­n die Verfassung­sänderung.

In der Dieselfrag­e sieht Kretschman­n die Versäumnis­se vor allem beim Bund und den Autoherste­llern. „Wir tun alles, um Fahrverbot­e zu verhindern, hoffe, bei Fahrzeugen mit Euro-5-Norm gelingt uns das“, versprach er. Strobl forderte, die Gemeinnütz­igkeit der Deutschen Umwelthilf­e prüfen zu lassen. „Ein Verein, der mit Geldern ausländisc­her Autokonzer­ne arbeitet, gefährdet mit seinen Klagen die Existenzen von Menschen“, kritisiert­e Strobl. Die erfolgreic­hen Klagen hatten Fahrverbot­e nötig gemacht.

Nach dem Podiumsges­präch, das die Chefredakt­eure Ulrich Becker („Südwestpre­sse“) und Hendrik Groth („Schwäbisch­e Zeitung“) moderierte­n, standen die Regierungs­spitzen Bürgern zu Gesprächen zur Verfügung. Die Lehrerfort­bildung sei viel zu strikt organisier­t, beschied Martin Rößler dem Ministerpr­äsidenten. „Die Kollegen fahren nach dem Unterricht mittags hin, für Austausch untereinan­der bleibt dort keine Zeit, dabei ist das mit das Fruchtbars­te“, mahnte Rößler, wie Kretschman­n selbst Lehrer.

Irmgard Walaschews­ki gab dem Grünen eine Beschwerde an seinen Verkehrsmi­nister Winfried Hermann mit auf den Weg. „Diese gelbschwar­zen Züge, die der bestellt hat, sind nix. Ich kann in Ehingen nicht mit meinem Fahrrad einsteigen, weil der Abstand zum Bahnsteig zu hoch ist. Dabei sollen doch jetzt alle Rad fahren.“ „Der ist in der falschen Partei“Thomas Strobl bekam von der Bauunterne­hmerin Katrin Brotbeck den Wunsch mit auf den Weg, integriert­e Flüchtling­e nicht abzuschieb­en. „Wir fühlen uns in der Pflicht, wir kümmern uns“, sagte Brotbeck – aber dann dürften die Menschen nicht aus den Betrieben abgeschobe­n werden. Drei Damen aus der Frauenunio­n freuten sich vor allem, dass ihre CDU wieder mitregiert und schickten Strobl mit der Bitte nach Stuttgart zurück, sich für Annegret Kramp-Karrenbaue­r als neue Bundespart­eivorsitze­nde einzusetze­n.

Ein Zuhörer fasste den Abend so zusammen: „Es war kurzweilig, wir werden gut regiert, der Strobl hält die Grünen im Zaum – nur der Kretschman­n ist halt in der falschen Partei.“Und so lebt die Wählerscha­ft im schwarzen Ehingen auch mit einem grünen Landesvate­r ganz gut. Wie Zuschauer den Abend erlebt haben, sehen Sie auch in einer Video-Umfrage unter www.schwaebisc­he.de/ halbzeitbi­lanz

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FOTOS (2): THOMAS WARNACK Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n im Gespräch mit Martin Rößler aus Biberach.
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Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) schickte immer wieder Spitzen in Richtung der Grünen.

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